Lichtenhagen > Geschichten
Filter: Artikel

Sigrid A. schätzt in Lichtenhagen vor allem die Pagode des buddhistischen Zentrums

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich fand Lichtenhagen immer attraktiv, auch schon zu DDR-Zeiten. An den Ecken der Wohnhäuser gab es Fleischer, Bäcker und Schuster, das war eine gute Lösung. Ich habe damals in Groß Klein gewohnt, ich war aber öfter in Lichtenhagen, weil ich hier Bekannte hatte. Ich fand Lichtenhagen immer sehr groß, großräumig, großflächig, übersichtlich. Durch das buddhistische Zentrum hat der Stadtteil jetzt noch mehr gewonnen, das ist richtig, richtig schön. Wenn man ein bisschen Ruhe haben oder ein bisschen entspannen möchte, dann geht man dahin. Das ist wirklich ein Muss. Wir waren zur Eröffnung da, das war wirklich ganz toll. Und auch die Menschen, die sind anders als wir. Die sind dankbar und freundlich, das kommt auch noch hinzu, dass die Menschen sich verändert haben.

Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Claudia W., Jahrgang 1986, zog im Dezember 2016 nach Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich bin der Liebe wegen nach Lichtenhagen gezogen. Ich mag den Stadtteil, weil er nicht so überlaufen ist wie die Innenstadt. Man kann sich hier auch ein bisschen aus dem Weg gehen, wenn man das möchte. Die Infrastruktur ist super. Ich genieße es, wenn ich morgens, nach dem Aufstehen, wenn alle anderen noch schlafen, mir schnell einen Coffee-To-Go-Becher fertigmachen und an den Strand radeln kann. Das kannst Du in der Innenstadt nicht machen. Das ist mein ganz persönlicher Luxus, den ich hier habe, einfach die Nähe zur Ostsee genießen und nutzen. Ich fühle mich sehr wohl in Lichtenhagen, ich habe hier alles, was ich brauche. Wenn wir sonntags spazierengehen, gehen wir gerne am ASB-Gelände entlang. Da gibt es auch eine Scheune und eine Kuh- und Pferdeweide. Im Sommer, wenn mein Mann und ich mal gemeinsam im Homeoffice sind, machen wir auch mal Mittagspause auf dem Boulevard. Holen uns irgendwas Leckeres, setzen uns auf die Parkbank und genießen den Sonnenschein, sehen das bunte Treiben auf dem Boulevard an. Nicht zu vergessen ist auch das schöne Areal um den Bauernbrunnen, den ich auch „Lichtenhäger Rosenkohl“ nenne.


Manchmal höre ich Sätze wie „Wie kannst Du denn abends noch im Dunkeln durch Lichtenhagen gehen?“ Erstens gibt es Straßenlaternen, zweitens ist mir noch nie was passiert und ich kenne auch niemanden, dem was passiert wäre. Lichtenhagen ist nicht der Central Park, ich fühle mich hier auch im Dunkeln bzw. der Nacht wohl.


Im neuen Buddhistischen Zentrum war ich im letzten Jahr zu einer Zeremonie, das war total spannend und interessant. Da gibt es ja Opfergaben auf jedem Altar, lustigerweise nicht nur Obst, sondern auch Raffaelo. Die wollen eben auch, dass die Leute hingehen und sich das angucken, dass ihre Kultur einfach greifbar wird. Da waren auch viele Menschen. Viele waren neugierig, es standen viele Schuhe draußen vor dem Tempel.


Schön finde ich auch die kleinen Hofläden hier in der Nähe - die Strandgärtner am Groß Kleiner Weg und Ines B mit dem großen Gemüsefeld davor.

Was ich aber noch dazu sagen wollte, dass hier die Menschen anders unterwegs sind. Ja, ich denke, die sehen für sich keine Perspektive. Einige haben resigniert und sich aufgegeben. Sie grenzen sich auch selber ab, indem sie sagen, wir sind hier im Nordwesten oder Lichtenhagen und die andern sind in der Stadt. Da setzen sie schon verbal eine Grenze. Ähnliches passiert andersrum mit Leuten aus der Stadt: Die in Lichtenhagen. Und so verhärten sich die Fronten. Wenn man sich mehr durchmischen würde, würden beiderseitig vielleicht mehr Verständnis und auch andere Perspektiven da sein.

Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Wolfgang Lachmann wohnt seit 2013 in Lichtenhagen und engagiert sich bei der Tafel und im Seniorenbeirat Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich bin noch nicht so lange in Lichtenhagen, knapp zehn Jahre sind es jetzt. Mir ist Lichtenhagen als Wohnort schon recht gewesen, weil ich hier Verwandtschaft hatte und in deren Nähe wohnen wollte. Deshalb habe ich die einzelnen Vermieter aufgesucht, eine Wohnung war damals schon schlecht zu bekommen. Eine Angestellte von der WIRO hat mir von einer Besichtigung in der Sternberger Straße erzählt. Da waren noch zwei andere Bewerber, aber ich hatte Glück. Dort wohne ich bis heute und habe mich so eingerichtet, dass sie mir gut gefällt, zigmal umgebaut, umgeräumt und dergleichen.


Lichtenhagen gefällt mir gut. Erstens wohne ich direkt bei der Straßenbahn und an der Bushaltestelle, also ist die Verkehrsanbindung gut. Als ich hierherzog, hatte ich noch ein Auto, aber das habe ich vor fünf Jahren abgegeben – die Reparaturen waren zu teuer und eigentlich stand es fast nur herum.


Dass ich mich bei der „Tafel“ engagiere, ist eher durch Zufall entstanden. Während meiner Berufstätigkeit war ich lange selbständig, was auch bedeutete, dass ich viele Jahre nicht in die Rentenversicherung eingezahlt habe. Also ist meine Rente zu gering und ich komme nicht ohne Aufstockung zurecht. Der Mann meiner Cousine hat gesagt, dass ich doch eine Berechtigung für die Tafel haben müsste. Als Berufstätiger wäre ich da nie hingegangen, aber dann habe ich mir gedacht: Warum eigentlich nicht? Dann habe ich mir einen Warnowpass besorgt, und so bin ich Anfang Oktober 2014 zur Tafel gekommen. Im Februar bin ich mal reingekommen, da war kaum jemand da zum Bedienen. Ich habe gefragt: „Sag mal, seid Ihr heute unterbesetzt?“ – „Ja, die Leute sind krank und so.“ – „Na ich denke, ich muss Euch helfen! Ich bin ja sowieso Rentner, ich habe Zeit.“ Und so bin ich dann heute noch dabei.

Wir sind ja ein paar Mal mit der Tafel umgezogen. Früher, bevor ich dabei war, war die Tafel im Kolping-Begegnungszentrum, noch im alten Haus. Als dort umgebaut wurde, musste die Tafel in das alte Haus vom ASB umziehen, den alten Flachbau, der da früher gestanden hat. In dieser Zeit kam ich dazu. Dort mussten wir auch wieder raus, weil das Gebäude abgerissen wurde. Dann waren wir kurz in Lütten Klein, aber das war sehr beengt. Jürgen Wegener als Gründer der Tafel wollte die Leitung abgeben und so hat die Stadtmission sie bei sich aufgenommen. Wir sind dann noch einmal umgezogen, in den ehemaligen Lichtenhäger Krug, das heutige Stadtteilbüro. Das ging auch ganz gut bis vor vier Jahren, als wir im September auch wieder raus mussten. Beate Kopka als Leiterin und ich haben ziemlich gesucht. Beim ASB in der Schleswiger Straße haben wir dann unseren aktuellen Standort gefunden. Außerdem bin ich seit acht Jahren beim Seniorenbeirat aktiv. Mehr Engagement brauche ich auch nicht, das reicht.

Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Chelsy Allzeit, Jahrgang 2009, wohnt seit ihrer Geburt in Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Lichtenhagen hat viele Spielplätze für Kleinere, aber wenig für Jugendliche. Es gibt zwar einen Jugendtreff, aber ansonsten ist hier nicht so viel. Auf dem Spielplatz neben meiner Schule war ich oft nach dem Unterricht, manchmal auch jetzt noch mit Freundinnen, weil der abwechslungsreich ist und man auch Platz zum Sitzen hat. Meine Freundinnen kommen meistens woanders her, aus Evershagen, Groß Klein usw. Wir treffen uns oft zu Hause oder wir gehen mal ins Edeka-Center in Lütten Klein. Ich fände es sehr schön, wenn Lichtenhagen mehr Aktivitätsorte hätte, beispielsweise Sportplätze oder allgemein öffentliche Plätze, wo man sich treffen kann. Einen Skatepark zum Beispiel.

Nach der Schule würde ich aber gern weg. Ich finde Lichtenhagen ist an sich nicht so schön, dass man sagen würde: Ja, hier bleibe ich für den Rest meines Lebens. Vielleicht verändert sich das ja auch, wenn der Park fertig ist und noch andere Dinge. Vielleicht klappt das ja in zehn Jahren, dass man sagt, das ist schön, auch für Jugendliche. Im Moment ist hier so gut wie nichts.

Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Mathilda G., 2008 geboren, lebt seit 2009 und bis heute im Stadtteil

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

In unserer Wohnung in der Sternberger Straße hatten wir kaum kleine Kinder, aber ziemlich viele ältere Menschen, die Haustiere hatten. Da konnte man dann so hingehen, streicheln und so. Gegenüber wohnte ein Junge, der so alt war wie ich. Zur Schule gehe ich in Warnemünde. Nur zwei der Kinder aus meiner Klasse dort kommen aus Lichtenhagen. In der Parallelklasse sind es mehr, viele wohnen auch in der Stadt oder in den umliegenden Dörfern.


Insgesamt bin ich eher mit dem Bus unterwegs – oder im Sommer mit dem Fahrrad. Treffpunkte gibt es hier eher nicht so, vielleicht mal in den Einkaufsläden.


Ich erinnere mich noch gern an den Abtanzball vor meiner Jugendweihe. Vorher hatten wir einen Tanzkurs beim TSV, dieser Abschlussball fand dann im „Nordlicht“ statt, dort haben wir dann getanzt. Das war ganz schön. Die Jugendweihe selbst haben wir im IGA-Park gefeiert, im Warnowhus, am Eingang von Groß Klein.


Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Philipp G., Jahrgang 1981, zog 2009 nach Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich bin zum Studium nach Rostock gekommen und dann erstmal „durch die Stadtteile marodiert“: Meine erste Wohnung war in Schmarl, dann ging es in die KTV. Danach folgte das Bahnhofsviertel und 2009 die erste Wohnung in Lichtenhagen, in der Güstrower Straße. Das war denn eine 5-Raum-Wohnung, oder, wie man auch sagte, eine 3-2/2-Wohnung. 2012 sind wir in eins der Würfelhäuser in der Sternberger Straße gezogen. Dort gab es eine schöne Hausgemeinschaft – in der haben wir insgesamt sechs Jahre gelebt. Und dann stand wieder ein Umzug an, weil wir Familienzuwachs bekamen und eine größere Wohnung brauchten.


Die Entscheidung, in Lichtenhagen zu bleiben, haben wir ganz bewusst getroffen. Hier gab es alles, was wir brauchten. Als unsere Tochter noch klein war, war die Hausärztin gleich hier drüben im Sonnenblumenhaus, das war ein Gang über die Straße. Zum Einkaufen war es auch nicht weiter. Die Nachbarschaft war gut, wir kamen mit den Leuten immer sehr gut zurecht. Die ehemaligen Nachbarn aus der Sternberger Straße treffen wir bis heute, das ist immer noch schön. Ich mag den Lichtenhäger Brink, das ist ein Highlight im Frühling, wenn die Kirschblüte losgeht. Wir nutzen auch viel und seit langem den „in Natura“-Kinderbauernhof vom ASB und auch den Lichtenhäger Bürgerpark. Insgesamt finde ich, dass Lichtenhagen unterbewertet ist. Wenn wir mit Freunden reden, die in der Innenstadt wohnen, wird immer klar, wie gut wir es hier haben: Die direkte Nähe zum IGA-Park, zum Wasser, entweder der Warnow oder Warnemünde - schnell hoch mit dem Fahrrad, Sportplätze, Spielplätze an jeder Ecke.


Dass es hier so gute Nachbarschaften gibt, liegt sicher auch daran, dass man miteinander redet, sich höflich begegnet oder auch mal hilft. Wenn bei uns jemand klingelt und nach Hilfe fragt, ist das in Ordnung. Die Leute haben mitgekriegt, dass ich Elektroingenieur bin und wenn jetzt ein Herd oder so anzuschließen ist, dann fragen sie natürlich schon mal nach. Aber bisher war das in jedem Haus so, das Miteinander gestaltet sich ja, und da ist man auch Teil davon. Mit kleinen Kindern ist das natürlich besonders intensiv – die sind einfach sozialer Klebstoff, vor allem zu Nachbarn, die auch Kinder haben.


Von draußen gucken die Leute auf den Stadtteil und sagen „Plattenbau“ – das wird automatisch mit anderen Menschen verbunden, mit den weniger Betuchten, die einfacher gestrickt sind. Das ist natürlich Quatsch. Zumal Lichtenhagen ja auch vielseitig ist: Es gibt die Eigenheimsiedlungen, Kalverrad und Ostseewelle, die Grabower Straße als von hohen Häusern umgebene Dorfstraße. Und es ist ein preiswerter Wohnort: Wir zahlen für unsere 90-Quadratmeter-Wohnung 780 Euro warm, bei Freunden in der Innenstadt sind für eine ähnlich große Wohnung einfach mal 1600 Euro weg. Von dem Geld, das wir hier sparen, können wir Urlaub machen, Hobbies nachgehen, Essen gehen. Ich nehme das Geld lieber und genieße es, als es in eine Wohnung zu stecken. Ich kann ja auch im Bahnhofsviertel an stieselige Nachbarn geraten, die die Kinder stören usw.


Meine Familie hat früher in Warnemünde gewohnt. Zu DDR-Zeiten waren Lichtenhagen und Groß Klein noch extrem attraktiv, alle wollten dahin. Nach der Wende hat sich das gedreht. Da war ich aber schon weggezogen, ich bin ja erst zum Studium zurückgekommen. Damals als Student wohnte man hier zwei Monate mietfrei, wenn man von außerhalb zuzog. In Groß Klein wurden bei einigen Häusern zwei Stockwerke abgenommen, weil es so viel Leerstand gab. Heute liegt der überall im Nordwesten unter zwei Prozent.


Nachdem der alte Konsum weggerissen wurde, kommen ja jetzt die Neubauten und dort ist ja auch eine Gastronomiefläche eingeplant, das wäre auch eine gute Lage. Man hätte da ja zur Zeit nur noch diesen Bau in der Mitte auf dem Boulevard, aber da kann man auch nicht wirklich einkehren. Die einzige Option ist der Asiate. Und es gibt immer noch einen Krug, an der Ecke, gleich beim Friseur. Ich habe mich immer gefragt, wie der sich hält, aber im Sommer ist da viel los, da wird gegrillt, der ist gut besucht. Daneben ist mein Stammfriseur, die Friseurinnen gehören da noch zur alten Garnitur von der Ostseewelle, teilweise haben die noch mit meiner Tante zusammen gelernt, das ist dann auch schön. Als ich dort das erste Mal war, wurde ich nach meinen Verwandtschaften gefragt.


Es gibt in unserem Stadtteil ja auch so spezielle Ecken wie das vietnamesische Kloster, das ist so ein kleines Highlight. Mittendrin in der Platte steht da dieses Gebäude mit den schönen Außenanlagen. Die vietnamesische Kultur hatte hier schon seit DDR-Zeiten einen festen Platz. Das ist ein schöner Fleck, offen für alle.


Womit Lichtenhagen auch noch mal richtig glänzen könnte, ist die riesige Fläche, wo der Wochenmarkt ist. Ich kenne das z.B. aus Cuxhaven, da kommen die Landwirte aus der Umgebung und man kann direkt frische, lokale Ware einkaufen. In Hamburg gibt es ebenfalls lokale Vereine, welche lokale Erzeugnisse auf den Märkten anbieten. Die sind so erfolgreich, dass sie sogar eine Halle kaufen können. Sowas wäre dort auch eine gute Idee. Hier drumherum gibt es ja auch viele kleine Hofläden.


Unser Auto haben wir vor ein paar Jahren abgeschafft. Wir fahren Fahrrad und nutzen öffentliche Verkehrsmittel, das sind ungefähr 400 Euro, die wir dadurch einsparen. Wir haben ja über die WIRO das Carsharing-Angebot. YourCar hat hier gleich einen Standort in der Mecklenburger Allee. Unsere Tochter hat ihr Schülerticket, wir haben Fahrräder und ansonsten gibt es um die Ecke in Lütten Klein Sixt, wenn wir uns mal für länger ein Auto ausleihen wollen. Man ist mit S-Bahn und Fahrrad schneller in der Stadt als mit dem Auto – mit dem bin ich, je nach Verkehrslage und Baustellen, auch schon anderthalb Stunden gefahren.


Als sozialen Brennpunkt würde ich Lichtenhagen nicht bezeichnen. Man merkt, dass die Leute weniger Einkommen haben, das sieht man schon. Aber das Miteinander ist immer gut. Wo man es halt merkt, sind die geplatzten Flaschen auf der Straße, gerade als Fahrradfahrer ist das blöd. Und dass die Leute ihren Müll irgendwohin feuern. Vom Beschmierungsgrad ist die KTV schlimmer, würde ich sagen. Aber ich fühle mich nicht unwohl, wenn ich vor die Tür gehe.


Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Michel Z., wurde 1999 in Lichtenhagen geboren und verbrachte seine ersten zehn Lebensjahre dort

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Meine Mutter, meine ältere Schwester und ich haben in Lichtenhagen gewohnt bis ich zehn Jahre alt war. Meine Großeltern wohnten auch dort. Unsere 4-Zimmer-Wohnung lag in der Wolgaster Straße, gegenüber der Fläche, wo jetzt der buddhistische Tempel ist. Wir wohnten ganz oben und eigentlich war die Wohnung ganz schön. Ich erinnere mich noch gut an den Spielplatz auf dem Innenhof, da habe ich viel gespielt, auch mit anderen Kindern aus dem Haus oder den Nachbaraufgängen. Viele meiner Freunde und auch die Freunde meiner Mutter wohnten damals in der Neustrelitzer Straße. Wir unternahmen viele Dinge gemeinsam, einmal sind wir sogar Silvester mit der Nachbarschaft verreist. Ich bin in den Kindergarten „Biene Maja“ gegangen.


Außerdem kann ich mich noch gut an den Schulweg über den Boulevard erinnern, vor allem, wenn dort im Frühling die Kirschbäume blühten. Da war immer alles so ganz rosa und weiß, das war total schön. Gut waren auch die Brunnen: Im Winter waren die immer abgedeckt, aber im Sommer kamen da kleine Fontänen raus. Teilweise haben da Leute gebadet, das war sehr schön und hat – wenn man da jetzt drüber nachdenkt – so gar nichts mit dem Bild zu tun, das Leute heute von Lichtenhagen haben.


Wir sind auch oft über den Boulevard zum Eisessen bei Janny’s Eis gegangen. Ich dachte damals, dass der Eismann von Janny’s Eis auch wirklich Janny heißt – hieß er natürlich nicht. Da haben wir immer Erdbeer-Eisbecher gegessen, meine Mama und ich. Zum Einkaufen gingen wir immer zum Sky. Und am Wochenende ging es auf den Wochenmarkt, der auf dem großen Parkplatz an der Stadtautobahn ist.


Und ich erinnere mich auch noch an meinen Keyboard-Unterricht. Dazu ging ich immer ins Sonnenblumenhochhaus, denn dort wohnte meine russische Klavierlehrerin. Bei ihr hatte ich mehrere Jahre Unterricht. Als ich die dritte Klasse besuchte, zogen wir im Winter nach Elmenhorst, dann schon ohne meine Schwester, die inzwischen erwachsen war.


Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Uta Möhr, Jahrgang 1960 lebt seit 1998 in Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Im Jahr 1998 arbeitete ich nicht mehr nur zwanzig, sondern dreißig Stunden pro Woche – und konnte mir damit auch eine andere Wohnung leisten. Wir zogen nach Lichtenhagen und hier habe ich in Ruhe meine drei Kinder großgezogen: mein Sohn war damals in der zweiten, meine Tochter in der dritten Klasse, mein Ältester ging aufs Gymnasium. Bald darauf begann ich dann in Lütten Klein als Gemeindepädagogin zu arbeiten. Später wurde ich dort, nach sehr viel Hin und Her und mit großem Aufwand, Pastorin. Eigentlich haben Pastoren „Residenzpflicht“: Sie müssen in ihrer Gemeinde wohnen. Aber wir haben in Lütten Klein keine Wohnung gefunden, die groß genug für uns war. Und so konnten wir auch weiter in Lichtenhagen bleiben.


Es war nicht schwierig, hier diese Wohnung zu finden. Vor mir hatte dort eine Familie gewohnt, die mit acht Kindern eingezogen war – und mit zehn Kindern wieder aus. Die Kinder haben gehungert und gebettelt, deshalb kamen sie dann in eine Betreuung. Obwohl die Wohnung bei unserem Einzug frisch saniert war, gab es ein Jahr später eine sogenannte Strangsanierung. Das neue Bad wurde wieder rausgekloppt. Wir hatten Bad und Toilette getrennt und es wäre gut gewesen, wenn sie das nacheinander saniert hätten, aber das war nicht der Fall. Wir hatten dann also vier Wochen keine Toilette. In dieser Zeit habe ich viele Hausbesuche gemacht.


Ich habe hier immer gern gewohnt und werde hier auch wohnen bleiben, allerdings sehr bald in einer neugebauten Wohnung an der Möllner Straße. Ich finde die Verkehrsanbindung wirklich gut, die ist ja jetzt noch mal verbessert: Es gibt zwei neue Buslinien, die ich auch wirklich gerne nutze. Da ich kein Auto habe, bin ich auf Öffis angewiesen . Die S-Bahn ist sechs Minuten entfernt. Wenn ich in meiner freien Zeit in der Lütten Kleiner Gemeinde an etwas teilnehme, bin ich trotzdem immer im Dienst. Auch deshalb ist es schön, dass ich für meinen Chor und meinen Flötenkreis nach Groß Klein fahre. Das kann ich gut mit dem Fahrrad machen oder sogar zu Fuß. Ich finde das optimal. Ich kenne die Leute dort, weil ich da mein Vikariat gemacht habe, es gibt also immer Menschen, mit denen ich ein Schwätzchen halte. Aber ich bin eben nicht im Dienst. 


Als meine Kinder klein waren, fuhren ja die Straßenbahnen noch nicht, nur die Buslinie 36. Mittags habe ich immer aus dem Küchenfenster nach dem Bus geguckt und sah meinen Sohn mit seinem gelben Anorak, der kam immer angefegt. Und dann habe ich den Tisch gedeckt. 


Ich wohne in diesem Haus nach wie vor gerne. Wenn man bedenkt, dass hier dreißig Kinder wohnen, ist es bemerkenswert ruhig. Es gibt hier zehn 5-Raum-Wohnungen und eine 4-Raum-Wohnung, deshalb wohnen hier fast nur große Familien mit drei bis fünf Kindern, einige davon kommen aus dem Ausland.


Als ich hierhergezogen bin, wohnten hier vor allem Ehepaare mit größeren Kindern. Die sind inzwischen alle weggezogen, ich bin diejenige, die am längsten in diesem Haus wohnt. Mit einer Familie hier im Haus bin ich locker befreundet, wir haben gegenseitig die Wohnungsschlüssel und unterstützen uns bei Handwerkerankündigungen und ähnlichem.


Unter mir wohnt eine WG, mir gegenüber eine Familie mit fünf Kindern, alle sehr freundlich und nett. Zu Weihnachten und Ostern hängt manchmal ein kleiner süßer Gruß an meiner Tür. Ich empfinde das hier nicht als sozialen Brennpunkt. Wenn mal irgendwas wäre, wenn es mir schlecht ginge oder ich einen Rohrbruch hätte, könnte ich bei jedem im Haus klingeln und um Hilfe bitten. Das scheint außergewöhnlich zu sein. Ich könnte mich nicht mit jedem verständigen, aber ich würde bei jedem klingeln.


Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Guntram P., lebt seit 1998 in Lichtenhagen und aktuell in einem Hochhaus

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich wohne auch in Lichtenhagen, aber erst seit 1998 – ich bin also quasi ein Spätzugezogener. Erst habe ich gegenüber vom Sonnenblumenhaus in Groß Klein gewohnt und oft spaßeshalber gesagt, dass ich dem ZDF meinen Balkon zur Verfügung stelle, immer zu den Jahrestagen, damit sie das von der anderen Seite filmen können. Aber es hat keiner gefragt (lacht). Unsere Wohnung in Lichtenhagen ist toll: elfte Etage, Blick aufs Meer, drei Leuchttürme von der Wohnung aus zu sehen, besser geht es nicht, oder? Den Warnemünder Leuchtturm von hinten ohne Feuer, den Bastorfer Leuchtturm vom Balkon und den Darßer Ort bei gutem Wetter. Und die Windräder im Schelf von Lolland, den Küstenwald. Nicht nur deshalb wohne ich gerne in Lichtenhagen – von hier weg gehe ich nur mit den Füßen zuerst.


Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Rainer Fabian, hat von 1993 bis 2019 in Lichtenhagen gearbeitet

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich war seit 1993 in Lichtenhagen tätig, zuerst als Sozialpädagoge, ab 1. Januar 2004 dann als Leiter des Kolping-Begegnungszentrums. Davor war ich Ausbildungsleiter bei der Bagger, Bugsier- und Bergungsreederei, habe Matrosen der Handelsschifffahrt, Technische Flotte, ausgebildet. Der Betrieb, in dem ich tätig war, ist 1993/94 abgewickelt worden und ich wurde arbeitslos. Meine Frau, die der katholischen Kirche angehört, erzählte mir dann, dass die Kolping-Initiative einen Mitarbeiter sucht. Diese Initiative hatte sich am 15. Juli 1991 als gGmbH gegründet, auf Initiative von Kolpingwerken mehrerer Diözesen, um etwas für arbeitslose Rostocker Jugendliche zu tun. Am 6. Dezember 1993 traf ich mich mit dem damaligen Geschäftsführer, Peter Neumann, zu einem Vorstellungsgespräch. Wir saßen uns gegenüber, sprachen wenige Worte miteinander – und waren uns sehr schnell einig, für mich fast ein „kam, sah und siegte“. Unsere Vorstellungen über meine Beschäftigung stimmten überein. Er konnte mich zwar nicht gleich einstellen, aber ich war von dem Tag an ehrenamtlich bei Kolping tätig, bis ich dann am 1. Juni1994 in einem Bundesprojekt der Jugendsozialarbeit angestellt wurde. Gemeinsam mit anderen katholischen Trägern waren wir beauftragt, Jugendsozialarbeit aufzubauen, unter anderen eben in Rostock. Die Stadt stellte der Kolping-Initiative für ihre Arbeit eine halb leergezogene Kita (damals gab es dort noch die Krippe, die aber bald darauf auch auszog) in der Eutiner Straße 20 in Lichtenhagen zur Verfügung. In der wurde erstmal nur ein Büro eingerichtet. Nach und nach benötigten wir die gesamte Fläche der ehemaligen Kita, um unseren Aufgaben und den verschiedensten Projekten der Jugendhilfe gerecht zu werden. In der Anfangszeit haben wir dort ABM für Jugendliche mit dem Ziel durchgeführt, diese in das Arbeitsleben zurück zu führen. 1992 war die Jugendarbeitslosigkeit in Rostock wohl am höchsten, da waren bis zu 30% der Jugendlichen arbeitslos. Da waren solche Maßnahmen sehr sinnvoll. Unser Ziel war damals schon, nicht nur Angebote für junge Menschen unter einem Dach zu etablieren, aber dazu später mehr.


1992 gab es die Krawalle mit den verheerenden Ausschreitungen vor dem Sonnenblumenhaus in Lichtenhagen, an denen eine beträchtliche Anzahl von jungen Menschen beteiligt waren. In Auswertung der Ereignisse wurde die Kolping-Initiative angesprochen, einen Jugendclub in Lichtenhagen aufzumachen. Der damalige Geschäftsführer entschied, dass wir uns für diese Aufgabe einen Kooperationspartner ins Boot holen sollten. Er fand ihn im Verein Jugendwohnen Hansestadt Rostock e.V. Wir haben bis Dezember 2003 gut mit diesem Verein zusammengearbeitet und konnten so in großen Teilen die offene Kinder- und Jugendarbeit in Lichtenhagen abdecken.


Es gab übrigens zu DDR-Zeiten in fast jedem Stadtteil einen Jugendclub, der von einem der großen Betriebe der Stadt unterstützt wurde. Diese Strukturen sind aber nach der Wende zusammengebrochen. Lichtenhagen 1992 hat die Stadt zum Anlass genommen, offene Kinder- und Jugendarbeit in größerem Stil zu fördern. So sind wieder Jugendtreffs entstanden, auch stadteigene. Außerdem entstanden kurze Zeit später mehrere Projekte der Jugendsozialarbeit unter anderem das Projekt „Spartakuß“. In diesen wurden arbeitslose Jugendliche aufgenommen, die über unterschiedlichste Maßnahmen in das Berufsleben integriert werden sollten. „Spartakuß“ war ein solches Projekt. In drei Modulen arbeiteten drei Bildungsträger und bis zu dreizehn Vereine der Jugendhilfe, unter anderem eben die Kolping-Initiative und Jugendwohnen Hansestadt Rostock aus Lichtenhagen, sehr eng zusammen, um diese Aufgabe zu erfüllen.


Mein aktiver Einstand an meinem neuen Arbeitsplatz war übrigens ein Zusammentreffen mit Kindern, die am 1. Mai 1994 in unser Haus eingebrochen sind und dort „wilde Sau“ gespielt hatten. Schnell wussten wir, wer diese Personen waren. Mit ihnen und ihren Eltern einigten wir uns, dass sie den entstandenen Schaden gemeinsam beseitigen sollten. Die Kinder hatten die Gelegenheit, über mehrere Monate einen Teil ihres Taschengeldes dafür einzusetzen. Wer das nicht konnte, bekam die Gelegenheit, uns in seiner Freizeit zu unterstützen.


Leider wurde in unserem Haus oft eingebrochen, so dass wir uns später dann eine Alarmanlage einbauen ließen. Das hat dazu geführt, dass ich manchmal zweimal in der Woche nachts von Schmarl herübergekommen bin, weil die Alarmanlage losging. Mal war es Unwissenheit, immer wieder aber auch versuchte Einbrüche. Das war nicht so schön. Einmal bekam ich einen Anruf, dass bei Kolping eingebrochen worden sei. Ich fuhr schnell hin, die Polizei war schon alarmiert. Als ich kam, sah ich zwei Kolleginnen, die sich vor dem Büro unterhielten. Und während sie dort draußen standen, ist unser Büro ausgeräumt worden. Da hatte einer der Projektteilnehmer von „Spartakuß“ die kurze Zeit unserer Unachtsamkeit genutzt, die Fenster zu präparieren, als er für zwei Minuten in diesem Raum allein war. Er brauchte sie später bloß aufdrücken. Aber er wurde dabei beobachtet, ein Zeuge ist denen mit dem Auto gefolgt, um zu sehen, wo die mit dem Diebesgut hinfahren. Das kam dann alles wieder zurück. Danach haben wir immer geschaut, ob alles ordentlich verriegelt ist. Der „Einbrecher“ wurde übrigens einen Tag vor seiner Tat bei einem Besuch des damaligen Justizministers als gutes Beispiel für Wiedereingliederung in das gesellschaftliche Leben vorgestellt.


1997 endete das Modellprojekt, über welches ich in der Kolping-Initiative beschäftigt war. Peter Neumann, mein damaliger Geschäftsführer sagte zu mir: „Das waren gute drei Jahre, in denen Du jetzt hier warst. Tut mir leid, ich kann dich nicht weiter beschäftigen.“ Kurze Zeit darauf erhielt ich vom Amt für Jugend und Soziales, Bereich Förderung, eine Einladung von Elke Schmidt. Der folgte dann eine Festanstellung: Ab 1998 war ich dann unter anderem mit für den Aufbau von Schulsozialarbeit in Rostock zuständig. Damit konnte unser (mein) Ziel weiterverfolgen, die verschiedensten Angebote der Jugendhilfe, aber auch der Erwachsenen- und Seniorenarbeit, unter einem Dach zusammenzuführen. Da gab es auch weiterhin ABM-Maßnahmen, im Bereich Kochen und Nähen, zur Wiedereingliederung vor allem junger, aber auch älterer Menschen in den Arbeitsmarkt. Zusammen mit Bildungsträgern initiierten wir berufliche Förderprojekte mit entsprechenden Abschlusszertifikaten. Es gab Projekte, für ältere Menschen, um sie in ihrer Häuslichkeit oder auch bei Kolping zu betreuen. Spielenachmittage, pädagogischer Mittagstisch, der Kinder- und Jugendtreff und bundesweite und auch internationale Projekte im Rahmen der Schulsozialarbeit, im Übergang von der Schule in den Beruf – und dergleichen mehr. Eben alles unter einem Dach. Das erfüllte mein Arbeitsleben kolossal. Kooperationen mit Schulen, Kindergärten, Sportvereinen, anderen sozialen Vereinen halfen uns, diese Arbeit zu erfüllen. Gleichzeitig betreuten wir über Hilfen zur Erziehung bis zu dreizehn junge Menschen in unserem Haus.


2002 kam Georg Horcher nach Rostock und wurde Jugendamtsleiter. Er begann, die Jugendhilfelandschaft in Rostock umzukrempeln. Er suchte nach Standorten für Stadtteil- und Begegnungszentren – auch für Lichtenhagen. 2003 kam er zu uns ins Haus. Er sah die Vielfalt der Angebote und wusste (er kam aus den alten Bundesländern), dass hinter Kolping ein großer sozialer Verband steckt. Anfangs bezeichnete er unser Haus als „Gemischtwareladen“. Später erhielten wir die Zusage, als Stadtteil- und Begegnungszentrum arbeiten zu dürfen. Und so begann am 1. Januar 2004 für Kolping eine neue Ära in der Jugend- und Sozialarbeit, zeitgleich mit dem SBZ in Toitenwinkel. Das waren die ersten beiden Einrichtungen dieser Art in Rostock. Am 1. Juli 2004 kam Dierkow dazu. Die offene Kinder- und Jugendarbeit lag ab sofort auch in Kolpings Händen. Der Verein JuWO HRO übernahm für diese ein Objekt in Evershagen. Noch sehr lange blieb unsere kooperative Zusammenarbeit mit diesem Verein beispielhaft. Wir waren im Prinzip gut aufgestellt, eben auch durch unsere „alles unter einem Dach“-Strategie und die entsprechend breit gefächerten sozialen Angebote. Später folgten weitere SBZs, mit denen wir dann auch zusammenarbeiteten. Eigentlich hätten wir uns damals mehr Erfahrungsaustausch gewünscht, aber aufgrund unseres „Vorsprungs“ waren wir immer die Gebenden.


Die Kooperation zwischen Jugendhilfeträgern und anderen Organisationen, wie ich sie im Projekt „Spartakuß“ erlebt hatte, war wohl ein in dieser Intensität, Vielfältigkeit und Größenordnung einzigartiges, nicht wiederholbares Ereignis. Als katholischer Träger wurden wir von anderen Trägern mit Argusaugen betrachtet, aber innerhalb von Lichtenhagen spielte „das Katholischd“ für die Menschen keine große Rolle. Wir haben in den Stadtteil hineingearbeitet, nicht das große Kreuz hingehängt oder gesagt: „Ihr müsst erst mal christlich denken, bevor ihr in diese Räume reinkommt.“ Das haben wir tunlichst vermieden. Trotzdem dauerte es mehrere Jahre und brauchte viele, viele Veranstaltungen, bis das von uns organisierte soziokulturelle Leben im Stadtteil wirklich wahrgenommen wurde. Wir organisierten nicht nur Sportgruppen, sondern auch den Gesundheitstag und den Seniorentag. Oder auch den Tag für das Gemeinwesen, immer im Januar, erst an einem Sonntag, dann an einem Wochentag. Da hatten wir manchmal bis zu 120 Leuten oben in unserem hundert Quadratmeter großen „Saal“, das war total voll. So konnten wir den Menschen zeigen, dass wir hier sind, dass es uns gibt.


Wir arbeiteten vom ersten Tag an sehr eng mit vielen sozialen Trägern, Schulen, Kindergärten, Vereinen und anderen Institutionen zusammen, auch mit der evangelischen Gemeinde St. Thomas Lichtenhagen. Damals war noch Herr Brüggemann der Pastor, dann Frau Borowski und jetzt ist es Frau Banek. Mangels eigener Räume durften sie sehr oft unsere nutzen. Durch unser Stadtteilfrühstück haben wir bis zu 100 Leute erreicht, auch durch das Männerfrühstück und viele, viele andere Veranstaltungen. Beim Kinderfest kamen bis zu 1.200 Leute zu uns. Das Martinsfest haben wir 2004 zum ersten Mal begangen, damals noch allein, aber schon mit dem heiligen Martin auf seinem Pferd. Danach fand es immer zusammen mit der St. Thomas Gemeinde statt. Es begann mit einer kleinen Andacht in der Kirche. Die ersten Jahre saßen in der Kirche zwanzig und draußen standen hundert Menschen. Die hatten Angst da reinzugehen, es war ihnen fremd. Das hat sich inzwischen aber verändert. In der letzten Zeit war es dann so, dass drinnen alle Plätze besetzt waren und die, die draußen standen, nicht mehr reinkamen. Nach der Andacht sind wir dann immer rüber zu Kolping, zu meiner Zeit ritt immer der heilige Martin auf seinem Pferd voran. Und bei Kolping wurden Hörnchen so verteilt, dass nur jeder zweite eins bekam. Man sollte sie ja teilen. Erst dann haben wir den Rest ausgegeben. Und es gab Bratwurst und in der Anfangszeit auch Glühwein. Die letzten Jahre konnten die meisten Kinder mit der Martinsgeschichte etwas anfangen.


In jedem Stadtteil in seinen Anfangsjahren viele Kunstwerke aufgestellt. In unserem alten Haus gab es zwei im Innenbereich, das dritte war draußen an der Fassade. Jede Kita hatte in ihrer Fassade ein Bild von einer Figur, damit die Kinder erkennen konnten, wo sie hingehen müssen. Einen Teil dieser Kunstwerke gibt es nicht mehr, so auch die aus unserem alten Haus. Sie wurden mit dessen Abriss und dem Neubau vernichtet. Das tut mir heute noch weh, weil wir das nicht verhindern konnten. Zur 800-Jahr-Feier der Stadt Rostock sind wir darauf gekommen, die noch bestehenden, aber auch verlorengegangenen Kunstwerke zusammenzutragen und bei der zentralen Veranstaltung am Kröpeliner Tor auszustellen. Franz Stepanek und Heide Pevestorf, beide Bewohner von Lichtenhagen, unterstützten uns dabei sehr.


Im „Nordlicht“ ist wohl das größte Kunstwerk Lichtenhagens entstanden. Viele große Künstler der Stadt Rostock haben dort sich verewigt. Sie leben fast alle schon nicht mehr, aber ihre Werke existieren dort noch. Von Christoph Weinhold, leider auch schon verstorben, weiß ich, dass zu DDR-Zeiten in jeden neu gebauten Stadtteil ein bestimmter Teil des Etats in Kunst fließen sollte. Das wurde in Lichtenhagen mit am besten umgesetzt. Hier entstanden viele kleine Sachen, z.B. auch die Figuren auf dem Boulevard. Einige davon waren zwischendurch verschwunden, tauchten dann aber wieder auf und wurden in den öffentlichen Raum integriert.

Die Einwohnerzahl im Stadtteil ist nach der Wende stark gesunken: 1992 lebten hier 22.000 Menschen, 2019 waren es noch 14.000. Das Kuriose ist, dass in Lichtenhagen nichts zurückgebaut wurde. Die insgesamt verfügbare Wohnfläche hat sich sogar noch vergrößert, u.a. durch Ostseewelle, den Kalverrad und demnächst die Möllner Straße. Aber es wohnen eben jetzt weniger Menschen auf mehr Quadratmetern. So gab es beispielsweise in der Eutiner Str. 19 5-Raum-Wohnungen, in denen früher bis zu 7Leute wohnten, vorwiegend sozial schwache Familien. Diese Wohnungen wurden zu 3- Raum-Wohnungen mit Aufzug, Parkett usw. umgebaut und sind dadurch wesentlich teurer geworden. Die, die da bis dahin wohnten, wurden in andere Straßen oder Stadtteile verdrängt.

Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Manfred B., Jahrgang 1951, wohnt seit 1993 in Lichtenhagen und war dort von 1990 bis 2015 als Sozialarbeiter tätig

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Vor der Wende habe ich in Groß Klein gearbeitet. Ich war dort Leiter der Gaststätte „Zur Kombüse“. Am 31.12.90 habe ich mich kündigen lassen. Ich ging zum Arbeitsamt und teilte meiner Sachbearbeiterin mit, dass ich zukünftig als Sozialarbeiter arbeiten möchte. Ich hatte ja bereits eine Ausbildung als Erzieher und hatte Erfahrung in der Aids-Hilfe. Es dauerte dann nur wenige Wochen bis ich tatsächlich eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) als Familienhelfer begann, für drei Jahre, angegliedert an das Rostocker Jugendamt. Ich war für den Stadtteil Lichtenhagen zuständig und sehr froh über diese neue Aufgabe. Unterstellt war ich der für Lichtenhagen zuständigen Sozialarbeiterin, mit der ich mich auf Anhieb gut verstand. Sie kündigte mir gleich an, dass ich viel zu tun haben würde – und so war es dann auch. Es gab damals ungefähr 30.000 Einwohner im Stadtteil, davon ungefähr ein Drittel Kinder, denn viele Familien waren wirklich kinderreich, vier bis sechs Kinder waren keine Seltenheit. Diese Familien habe ich dann zu Hause besucht. Die haben sich gefreut, dass ich das gemacht habe. Meine unmittelbare Vorgesetzte, die war nicht ganz so beliebt, die war so streng, was vermutlich noch an ihrer beruflichen Prägung durch die DDR lag. Da gab es ja ganz andere Methoden. Sie ging beispielsweise in die Wohnungen, machte die Kühlschränke auf ohne zu fragen und sagte dann Dinge wie: „Was ist das? Hier ist ja gar nichts zu essen drin!“ Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. So machte ich das nicht.


Ungefähr ein Jahr später, das muss 1992 gewesen sein, begann ich dann eine Ausbildung zum Familienhelfer, die ein Jahr dauerte. Diese wurde von der Stadt Rostock organisiert und war wirklich hervorragend. Damals war die Stadt auf der Suche nach freien Trägern im Bereich soziale Arbeit und so gründete sich 1992 der Träger Hütte e.V., dessen erster Sozialarbeiter ich dann wurde. Wir galten als besonders geeignet für die „besonderen“, schwierigen Fällen – und so bekam ich die dann auch immer wieder. Das war teilweise wirklich heftig. Ich erinnere mich beispielsweise an eine Familie, in der die Mutter stark alkoholabhängig war. Sie bekam trotz der Betreuung die Kurve nicht und so mussten wir ihre Tochter schließlich aus der Familie nehmen. An den Tag, an dem ich das Mädchen ins Kinderheim begleitete, das damals noch in der Schleswiger Straße stand, dem heutigen Standort der Berufsschule Alexander Schmorell, kann ich mich bis heute erinnern. Die Mutter brach in der Wohnung zusammen, kam ins Krankenhaus und dann in ein Pflegeheim. Und wir mussten erstmal die Wohnung wieder in Ordnung bringen, die total heruntergekommen war. Und das war kein Einzelfall – es gab viele Kinder, viele Familien, die damals Betreuung brauchten, bis weit in die 1990er Jahre hinein.


Ich zog dann in die Wohnung dieser Familie. Ich sagte der Wohnungsgenossenschaft gleich, dass ich sie nehmen würde – aber dafür müsste man sie eben erstmal wieder instand setzen. Es wurde alles rausgerissen, tatsächlich alles, bis auf den Beton, gemalert, neu tapeziert. Aber es roch immer noch komisch. Trotzdem zog ich dann mit meinem Sohn zusammen ein – und wohne dort bis heute. Dort will ich alt werden, solange bleiben, wie ich die Treppen noch hochkomme. Als wir damals einzogen, wohnten mehr als fünfzehn, vielleicht sogar zwanzig Kinder in diesem Haus. In den Kellern standen überall Kinderfahrräder und Kinderwagen, das war normal. In den letzten Jahren wohnte hier kein einziges Kind mehr, über fast drei Jahre hinweg. Und auch die Eltern der Kinder von damals sind inzwischen fast alle weggezogen. Nachdem die Ukraine überfallen wurde, kamen ja viele Ukrainer nach Rostock, die waren dann die ersten, die wieder mit Kindern hier einzogen. Und ein junges deutsches Paar wohnt nun auch bei uns im Haus, die haben dieses Jahr ein Baby bekommen. Das war das erste Kind seit vielleicht 30 Jahren, das da geboren wurde.


Damals, als hier noch viele Kinder lebten, war hier immer was los. Ich bin nicht so der Handwerker und erinnere mich noch genau, dass einer der Jungs zu mir kam und sagte: „Herr B., ich mache Ihnen das Fahrrad.“ Prima. Und dann hat der mir immer mein Fahrrad repariert, für eine Mark oder so. Das waren die 1990er Jahre, so lief das hier. Wir haben uns gut verstanden. Aber in den Familien veränderte sich viel in dieser Zeit. Anfang der 1990er Jahren haben wir wirklich Existenzrettung machen müssen, als viele Eltern arbeitslos waren und vorher sowieso schon Minijobs oder Hilfsjobs gehabt hatten. Und viel Alkohol tranken. In der DDR wurde ja viel getrunken, das Schnapsregal war das längste in den Kaufhallen. Schnaps und Wein gab es immer. In den ersten Jahren habe ich mit meinen Klienten sehr viel Zeit auf den Arbeitsämtern verbracht, bei der Antragsstellung geholfen – das ging bestimmt zehn bis fünfzehn Jahre so. Ich konnte sehen, wie die Antragstellung immer komplizierter wurde, auch für mich. Das war der Teil meiner Arbeit, den ich gehasst habe. Aber es gehörte eben auch dazu.


Damals gab es viel Armut, eine andere Armut als heute. Einerseits gluckten die Familien noch viel zusammen, die haben sich gegenseitig geholfen. Die saßen auf der Platte, so hieß das: Wenn da eine Tischtennisplatte war oder so, dann haben die sich da getroffen. Mit der Zeit wurde das immer weniger, die Familien isolierten sich immer mehr. In der DDR gab es einen anderen Zusammenhalt, in den Hausgemeinschaften waren oft alle per Du. Dieses Gemeinschaftsgefühl verschwand ab Anfang der 1990er zunehmend. Früher haben hier in den Wohnhäusern alle gewohnt, vom Professor über den Polizeioffizier bis zum Oberlehrer. Das ist jetzt nicht mehr so. Die sind nach und nach alle ausgezogen. Ein großer Teil meiner Kollegen wohnte hier in diesen Neubaugebieten. Alles, was Platte war, nannten und nennen wir Neubau. Genauso wie der Supermarkt immer noch Kaufhalle ist. Vor zehn oder fünfzehn Jahren war ich dann der Einzige, der hier noch wohnte – alle anderen waren inzwischen weggezogen. Die Leute, denen es sozial gut ging, die sich sicher fühlten, bauten im Speckgürtel von Rostock oder zogen in die KTV.

Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Ngọc Mai Nguyễn wurde 1992 in Lichtenhagen geboren und lebt heute wieder dort

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Mein Vater kam Ende 1988 als Vertragsarbeiter nach Deutschland und wohnte ab dieser Zeit im Sonnenblumenhaus. Meine Mutter und mein älterer Bruder lebten zunächst noch in Vietnam, denn ein Familiennachzug war in der DDR eigentlich nicht vorgesehen. Etwa im April 1992 haben meine Mutter und mein Bruder meinen Vater hier in Deutschland besucht, meine Mama war damals gerade schwanger mit mir. Wegen der Schwangerschaft konnte sie nicht zurückfliegen und so kam ich dann im Oktober 1992 in Deutschland zur Welt. Im Sonnenblumenhaus blieb meine Familie bis kurz vor meiner Einschulung wohnen, danach zogen wir in eine andere Wohnung um, blieben aber in Lichtenhagen.


Wenn ich mich mit anderen Deutschen über die Ereignisse vom August 1992 unterhalte, höre ich oft „Oh, Du kommst aus Lichtenhagen, wie schlimm! Und auch zu der Zeit. Und eine Schwangerschaft ist eine besonders sensible Zeit.“ Aber wenn ich mit meinen Eltern darüber rede, dann wird da oft deutlich, dass Vietnames*innen das nicht als so schlimm empfinden wie vielleicht Deutsche. Bei uns wird das eigentlich gar nicht thematisiert, wenn nicht gerade von außen Leute damit an uns herantreten. Zwar habe ich mal direkt gefragt, warum wir nicht weggezogen sind, wenn es doch so schlimm war. Das ist auch immer eine Frage der Perspektive, abhängig davon, wo man herkommt. Für meine Eltern waren der Vietnam-Krieg und die Folgejahre viel schlimmer. Sie haben in Hải Phòng in bitterer Armut gelebt. Mitunter waren die Erfahrungen der Pogrome aber auch präsent. Wenn meine Eltern abends spät von der Arbeit heimkehrten, hatte ich immer Angst, dass sie verletzt sind oder dass sie gar nicht mehr kommen.


Für mich ist das Sonnenblumenhaus eher die Zeit meiner Kindheit. Damals lebten viele vietnamesische Familien in dem Haus und aufgrund der Ereignisse ist die Community dort sehr zusammengewachsen. Der Verein „Diên Hông – gemeinsam unter einem Dach“ ist dort entstanden. Ich erinnere mich, dass der Verein im Erdgeschoss Räumlichkeiten hatte. Am Wochenende trafen wir uns dort regelmäßig, das war wie ein Kinder- und Jugendclub. Und weil viele Familien auf unserem Aufgang gewohnt haben, haben wir im Treppenhaus Verstecken und Fangen gespielt, das war schon sehr familiär.


Der Verein Diên Hông war viel auf Stadtfesten und Veranstaltungen, um den Menschen hier unsere Kultur näherzubringen. Da waren wir häufig. Wir sind aufgetreten, haben gesungen, getanzt oder Modenschauen mit traditioneller vietnamesischer Kleidung gemacht. Das war cool, auch weil da Kinder verschiedener Altersgruppen dabei waren. Natürlich waren wir auch draußen auf den Spielplätzen, auf den Wiesen haben wir Blumen gepflückt.


Ich erinnere mich, dass es auf dem Parkplatz bei uns gegenüber diesen Wochenmarkt gab, viel größer als der heutige. Das war jede Woche ein Highlight für mich. Ich ging immer Samstag vormittags mit meiner Mama und meinem Bruder dort hin. Ich mochte es sehr, dort die Stände anzuschauen – am tollsten war für mich der Süßigkeitenstand, für meinen Bruder waren es die Konsolen und die Nintendo-Spiele.


Meine Kindergartenzeit verbrachte ich in der Kita „Biene Maja“, mein Bruder war da auch. Ich glaube, meine anderen vietnamesischen Freunde waren in einem anderen Kindergarten. Aber an diese Zeit habe ich wenige Erinnerungen. In der Grundschule waren auf jeden Fall zwei vietnamesische Freunde in meiner Klasse, das hat vieles einfacher gemacht und mir ein Gefühl von Sicherheit gegeben.


Aber insgesamt hatte ich viele Freunde, auch viele Nicht-Vietnames*innen. Einmal beschwerte sich meine Mutter darüber, dass ich auf so viele Kindergeburtstage eingeladen werde. Außerdem war ich damals Klassenbeste. Ich besuchte die Grundschule Süd, die war relativ weit entfernt von unserer neuen Wohnung, in der Sternberger Straße. Eigentlich gab es dort eine Schule fast gegenüber, aber ich wollte auf die Grundschule Süd, weil meine Freunde und mein Bruder dort waren. Meine Grundschullehrerin meinte mal, dass es komisch ist, dass auf unserer Schule so viele Vietnamesen sind und auf der anderen keine. Die Community ist irgendwie zusammengeblieben, sie haben sich so sicherer gefühlt. Unsere Eltern hatten ja auch nicht so viel Erfahrung mit dem hiesigen Schulsystem.


Unser Hort befand sich auch in der Kita „Biene Maja“. Nach der Schule gingen wir über den Boulevard zum Hort. Neben dem Hanse-Menü-Gebäude war früher eine alte Kaufhalle. Im Asia-Imbiss haben wir auf die Süßigkeiten Rabatt bekommen, denn wir waren ja Landsleute. Ich erinnere mich auch, dass wir an Sommertagen im Brunnen auf dem Boulevard gebadet oder mehr so geplanscht haben. Wir haben unsere Schuhe ausgezogen und sind durchs Wasser gelaufen.


Sprachbarrieren waren natürlich vorhanden. Meine Eltern sind Arbeiterklasse vom Feinsten, sie arbeiten jeden Tag von früh bis spät. Also haben unsere Eltern und wir Kinder uns gar nicht so häufig gesehen. Wir Kinder untereinander haben deutsch gesprochen, wir kannten das so aus dem Kindergarten. Wir haben natürlich schon wahrgenommen, manchmal eher unterschwellig, dass wir mitunter auf der Straße mit „Fidschi“ angesprochen wurden. Oder dass niemand unsere Namen aussprechen kann. Aber an fremdenfeindliche oder rassistische Anfeindungen kann ich mich nicht erinnern. Das ist aber auch schwierig, weil sich die Erinnerungen mit anderen Einflüssen überlagern. Man nimmt Aussagen anderer für sich an und hält sie für eigene. Viele jüngere sagen oft, dass ihnen ihre Eltern mitgegeben haben: „Fall nicht auf. Du fällst wegen deines Aussehens genug auf. Mach dich unsichtbar.“ - Diese Aussage fällt häufig. Ich selbst habe das nicht so erlebt. Ich glaube, bei mir war es sogar eher das Gegenteil. Meine Mama hat immer gesagt, ich soll gut sein, ich soll mir Mühe geben, dass ein gutes Bild von uns entsteht. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich unsichtbar war. Meine Eltern haben beispielsweise im Kindergarten meinen Erzieher*innen zu Weihnachten immer Geschenke gemacht, immer kurz vor den Feiertagen eine Tüte voll mit Gaben. Ich erinnere mich auch nicht an Probleme mit deutschen Kindern. Klar kamen mal Bemerkungen, aber das macht jedes Kind durch. Ich durfte als Kind nach der Schule aber nie auf den Spielplatz. Das hängt auch damit zusammen, dass Bildung so wichtig ist. Ich musste immer super viel lernen. Unter der Woche durfte ich nicht zum Spielen raus.


Auf dem Brink waren wir manchmal. Vor allem mein Bruder traf sich dort mit anderen – und er musste mich ja immer mitnehmen, deswegen weiß ich das. Dort gab es unter anderem in einem Imnenhof ein Trafohaus, auf dessen Dach sind wir manchmal geklettert. Manchmal waren wir beim Sportplatz oder am Brunnen, zur Dämmerung im Sommer. Da wo jetzt die Tischtennisplatten stehen, war früher gegenüber auch noch ein Schreibwarenladen. Und wo die Ruine des An- und Verkaufs steht, war eine Buchhandlung. Da habe ich mich gern aufgehalten.


Später musste ich in Lütten Klein zur Schule gehen, weil es in Lichtenhagen nach dem Abriss des Stephan-Jantzen-Gymnasiums keins mehr gab. Die aus Lichtenhagen kamen, sind gemeinsam mit der Straßenbahn zur Schule gefahren und nach der Schule haben wir uns gegenseitig immer nach Hause gebracht und vor der Tür noch lange geredet, das war sehr schön. So richtige Treffpunkte hatten wir hier nicht.


Ich finde die Tempelanlage auch superinteressant, schon architektonisch. Das wirkt ein bisschen wie ein Ufo, das mitten in einer Plattenbausiedlung gelandet ist. Ein asiatisches Gebäude mit geschwungenen Dächern und einem Garten wie ein Paradies. In Lichtenhagen ist das wirklich gut aufgenommen worden. Die vietnamesische Community ist etwas zurückhaltender. Mein Vater war wohl die ganze Zeit noch nie da. Meine Mutter geht schon manchmal hin, um Freund*innen zu treffen oder vegetarisches Essen für mich zu kaufen.


Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

A.M., Jahrgang 1965, wohnte von 1981 bis 1987 und von 1996 bis 2009 in Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Meine Eltern sind 1981 nach Lichtenhagen gezogen. Durch einen Ringtausch bekamen sie dort eine 5-Raum-Wohnung, weil sie drei Töchter hatten. In der neuen Wohnung hatten zuvor sogar zwei Familien gewohnt. Die eine ist nach Rügen gezogen, die andere hat unsere alte Wohnung in Lütten Klein übernommen. Meine Mutter war damals Schulleiterin, mein Vater hat im Überseehafen gearbeitet. Meine Eltern haben bis vor zwei Jahren in dieser Wohnung gewohnt, dann wurde sie ihnen zu groß und sie wünschten sich einen Fahrstuhl.


1984 habe ich in der Lichtenhäger Kita „Biene Maja“ Arbeit als Erziehungshelferin gefunden hatte. Schon bald darauf wurde ich schwanger, noch sehr jung, mit Anfang 20. Ich habe meine Tochter von Geburt an allein großgezogen. Ich bezog mit meiner Tochter zwei Zimmer in der Wohnung meiner Eltern, weil meine Schwestern damals schon ausgezogen waren. Dort lebte ich nach der Geburt meiner Tochter im Jahr 1986 über mein ganzes Erziehungsjahr hinweg. Der Kinderwagen meiner Tochter stand immer unten auf der Wiese. Dann hat mich die Kita gefragt, ob ich nicht früher wieder arbeiten möchte, ich bekäme dann auch einen Krippenplatz in der Einrichtung. Also fing ich wieder an zu arbeiten und nahm meine Tochter morgens mit zur Arbeit. Das war auch cool. 1987 bin ich dann nach Dierkow gezogen, in eine eigene Wohnung.


In Lichtenhagen gab es in den 1980er Jahren eine total coole Eisdiele, die war schräg gegenüber von unserem Hausaufgang. Dort gab es das leckerste Softeis schlechthin. Draußen war immer eine ganz lange Schlange, drinnen konnte man Eisbecher essen. Einfach lecker. Dieses Kaffeetrinken im Café kannten wir damals nicht. Wir waren zwar mal in der Warnemünder Broilerbar und in der Eisdiele, aber direkt vor Ort sind wir nicht ausgegangen. In der Grabower Straße gab es auch noch einen privaten Fahrradladen namens Sandau. Der Inhaber hatte Töchter in meinem Alter, die eine arbeitet heute noch in einem anderen Fahrradladen.


In deinem Viertel, in deiner Straße hast du immer jemanden getroffen. Deine Freundinnen wohnten da. Und es gab die Jugendclubs, die waren der Knaller. In Lichtenhagen war der Hans-Beimler-Jugendclub, benannt nach einem Widerstandskämpfer. Da ging man mal hin, da war auch Diskothek. Da trafst du immer jemanden. Du musstest nicht weit fahren, um Freunde zu besuchen. In der Regel gingen ja auch von der ersten bis zur neunten Klasse alle in dieselbe Schule. Danach wechselten dann zwei oder drei zur Oberschule und haben Abitur gemacht, der Rest blieb bis Ende der zehnten Klasse.


1996 bin ich dann wieder nach Lichtenhagen gezogen, als ich einen Job im Jugendamt bekam, in eine Wohnung direkt am Boulevard. 1999 wurde mein Sohn geboren. Das war eine aufregende Zeit, ein Hauptgewinn. Ich habe in einer Schwangeren- und Krabbelgruppe viele coole Frauen kennengelernt, die ich alle aus sozialen Berufen kamen. Wir sind ständig zusammen durch die Gegend gezogen. Als mein Sohn dann auf der Welt und groß genug war, besuchte er ebenfalls den Kindergarten „Biene Maja“. Wir hatten mit vielen Leuten aus dem Haus Kontakt. Man traf sich auf dem Spielplatz, das passte alles gut zusammen. Dann war Janny‘s Eisbar ein Treffpunkt und es gab am Boulevard auch einen sehr coolen Buchladen, schon zu DDR-Zeiten. Schallplatten hatten die auch, da musstest du Schlange stehen. Es gab noch einen Schuhladen und einen Haushaltswarenladen. Dann gab es noch eine Eckkneipe, der Lichtenhäger Krug, das war aber nicht so unsers. Der Boulevard war genial, mit den vielen kleinen Läden. Dann waren da noch die Brunnen, in denen die Kinder ein bisschen gebadet haben.


Lichtenhagen war schon cool, auch durch die Nähe zur Ostsee und die gute Verkehrsanbindung. Wenn wir frei hatten, bin ich mit meinem Sohn schon morgens um sieben am Strand gewesen, mit Kaffee und Tee und Frühstücksbroten. Das war ein Highlight. Da brauchten wir gar nicht weit wegfahren. Meine Freundinnen hatten alle Kinder im gleichen Alter, der Kontakt besteht bis heute. Wir trafen uns immer, auf dem Spielplatz, bei irgendwem zu Hause oder in Warnemünde am Strand.


Lichtenhagen war damals aber auch selbst ein Treffpunkt. Da waren immer viele Kinder, man spielte zusammen und wusste genau, irgendwer hängt immer draußen rum. Sogar noch als mein Sohn in dem Alter war: Du konntest ihn immer auf den Spielplatz schicken, immer war jemand zum Spielen, zum Quatschmachen da.


Nach der Wende ging der Hausbau-Boom los und einer nach dem anderen ist weggezogen. Die, die noch jünger waren und gute Jobs hatten, haben die Chance genutzt und irgendwo ein Haus gebaut. Bei meinen Eltern im Haus gab es ja viele große Wohnungen. Da zogen nach und nach wieder Familien mit vielen Kindern ein, das war erst auch noch entspannt. Mit vielen Kindern hast du ja gern eine große Wohnung und die Wohnungen hier waren bezahlbar.


Ich habe dann aber meinen Sohn 2006 nicht in Lichtenhagen einschulen lassen. Er ging in Warnemünde in die Schule. Für mich war klar, da ziehe ich mal irgendwann hin. Damals begann hier die Zeit des Wohnungsleerstands, keiner wollte mehr nach Lichtenhagen ziehen. Ich weiß nicht, ob Lichtenhagen von den Stadtplanern einfach so vergessen wurde. Die Straßen sind völlig kaputt, Schlagloch um Schlagloch, fürchterlich. Auch sonst ist Lichtenhagen ab Ende der 1990er Jahre zunehmend verlottert. Es sind immer die Leute, die ein Viertel verlottern lassen. Es entstehen irgendwelche Müllecken, dann wird noch mehr Müll dazu geschmissen. Da muss man sagen: Leute, das ist euer Umfeld, lasst es nicht so vergammeln! Irgendwie fehlte das Verantwortungsgefühl für das Viertel. Das verschwand nach der Wende bei vielen. Das waren vielleicht noch die Älteren, die Generation meiner Eltern, die sich gekümmert haben. Die Nachgezogenen waren oft arbeitslos. Ich finde das so schade. Du hast ja nach wie vor die schönen Wohnungen, gerade in den Hochhäusern. Du hast den Blick zur Ostsee, auf der anderen Seite zur Stadt, du kannst das Ostseestadion sehen. Ein Traum. Große, bezahlbare Wohnungen.


Ich war nachher im Jugendamt im Fallmanagement für Lichtenhagen zuständig und habe da auch viele andere Seiten kennengelernt. Darauf hast du irgendwann keine Lust mehr. Es ist sehr schwer, sich da abzugrenzen. Hinterher war ich noch in der Jugendgerichtshilfe, auch dort war ich für Lichtenhagen zuständig. Da gab es Geschichten.… Das hat sich langsam nach der Wende so entwickelt, vor allem in den frühen 2000er Jahren. Dieses „ich kümmere mich nicht um meine Kinder“ war das eine, es gab auch viel Kriminalität, das war irgendwann nicht mehr zu ertragen. Das brachte mich an einen Punkt, wo ich dann aus Lichtenhagen wegwollte. Das ist so schade, ich habe echt gern im Neubauviertel gewohnt. Das hat mich schon geprägt.


Ich bin mal mit der S-Bahn von der Innenstadt aus nach Warnemünde gefahren, da wohnte ich noch in Lichtenhagen. Im Zug saß ein älteres westdeutsches Ehepaar. „Oh Gott“ haben die aufgestöhnt, als sie die Neubauviertel sahen. Die haben so über dieses Viertel abgelästert, wie man da wohnen kann. „Wissen Sie was, ich habe zwei Berufe, ich bin ein normaler Mensch und ich bin hier auch groß geworden“, sagte ich zu ihnen.

Die meisten verbinden ja Lichtenhagen mit den Randalen und das wird Lichtenhagen auch nicht wirklich los. Wenn man erzählt, dass man aus Rostock kommt und dann noch sagt „aus Lichtenhagen“. Dann heißt es: Aha! Echt peinlich. Ich kann mich noch gut an 1992 erinnern, meine Eltern wohnten da in der Nähe. Das war schlimm, zu sehen, wie die Menschen vor der ZAST hausen mussten - die konnten ja nichts für ihre Situation. Die Politik hat das nicht ernst genommen, und dann ist das eskaliert. Das war vorauszusehen. Das ist aber nicht Lichtenhagen. Lichtenhagen war mal das Vorzeigeviertel von Rostock, mit seinen vielen Grünanlagen. Wir hatten ja vor dem Haus eine riesengroße Wiese, da spielten die Kinder immer Fußball. Da steppte der Bär, da war immer Bewegung. Hinten auf dem Innenhof war ein großer Kinderspielplatz. Und das schöne war: Die Kinder spielten alle zusammen. Da wurde keiner gemobbt, weil er das Kind von einer Putzfrau war. Das spielte gar keine Rolle.

Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Anonym, wohnt seit 1987 und bis heute in Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

1985 durften wir uns hier in Lichtenhagen ein Haus bauen, am Rande, kurz vor der Gartenanlage. Ich kannte den Stadtteil damals schon, weil wir in den 1970ern mit der Abteilung Energiekombinat Fernwärme ab und zu mal mit rausgefahren sind, wenn hier Leute gebraucht wurden. Damals war hier noch alles im Bau. Die Kollegen schwärmten damals von der Arbeiterversorgung für den Wohnungsbau, das waren so flache Baracken, da war ein Trubel drin. Da waren wir öfter mal frühstücken oder so, da war ja schon immer Betrieb.


1987 sind wir dann in unser Haus in der Warener Straße, damals Joseph-Schares-Straße, eingezogen, obwohl alles noch nicht ganz fertig war. Es musst schnell gehen, damit unser Sohn nicht noch in der Stadt eingeschult werden musste. Er kam dann in die Hundertwasser-Schule im Stadtteil, auch unsere Tochter ging dann hier in die Schule. Hier im Stadtteil gab es auch eine ganze Reihe von Kindergärten: einen in der Petschow-Straße, hinten auf dem Hof, einen im jetzigen SBZ und einen da, wo jetzt die Pagode steht. Damals gab es hier aber auch deutlich mehr Kinder als heute. Vorher hatten wir eine Wohnung am Doberaner Platz, die war nicht gut, im Haus wohnten auch Alkoholiker, das war belastend und einer der Gründe für unseren Umzug.


Lichtenhagen gefiel uns gut. Es war auch großzügiger geplant als die später gebauten Stadtteile, die Häuser stehen nicht so eng zusammen. Ich erinnere mich noch gut an die Kaufhalle hinter dem Nordlicht, die sie jetzt weggerissen haben. Das ganze Leben spielte sich ja mehr oder weniger auf dem Brink ab, die Kaufhalle zog die Leute an. Vorne war die Sparkasse, wo jetzt der Pflegedienst drin ist. Gegenüber waren eine Apotheke und ein Heimwerkerladen, daneben war der Malerladen, an der Ecke ein Buchladen - das waren ja ein Haufen Geschäfte. In Lütten Klein war damals das Magnet-Kaufhaus, da gab es auch alles. Wenn man Kleidung kaufen wollte, musste man nach Lütten Klein. Dort gab es auch die Poliklinik.


Dass Lichtenhagen verkehrstechnisch etwas abgeschnitten war, hat uns nicht so gestört - wir kannten es ja nicht anders. Wir sind mit dem Auto oder der Bahn zur Arbeit gefahren, das war natürlich immer ein ganz schönes Stück: Zwölf Minuten bis zu S-Bahn und dann weiter. Meine Frau musste bis nach Kassebohm, das war schon ein bisschen umständlich, aber es ging.

1992 konnten wir dann das Grundstück kaufen, auf dem unser Haus stand. Auf einmal gab es für alle in der Straße die Möglichkeit. Da sind wir dann alle sechs Mann aus der Reihe geschlossen beim Notar vorn rein, haben unterschrieben und sind unten hinten über die Kasse wieder raus, da war das erledigt. Zu DDR-Zeiten war das Erbpacht, das Haus ist dein Eigentum, aber steht nicht auf deinem eigenen Grundstück. Da kann es immer Schwierigkeiten geben, deshalb war das mit dem Kauf eine gute Lösung.

Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Daniel Allzeit, Jahrgang 1978, lebt seit 1986 in Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich bin in Warnemünde geboren und habe dort auch die ersten sieben Jahre meines Lebens gewohnt. Die Wohnungen in den Neubaugebieten hatten einen ganz anderen Standard, und es war schön, dass meine Eltern eine bekommen haben. Die Wohnung wurde ausgelost, die Keller ebenfalls. Manche Keller konnte man ein bisschen vergrößern, indem man ein Stück des Gangs mit einbaute, wenn da weiter keiner lang musste. Zu DDR-Zeiten hat man ja aus Mist Bonbon gemacht. Ich war acht, als wir hier eingezogen sind - und seitdem wohne ich hier, immer noch in der gleichen Wohnung. Meine Eltern sind nachher wieder ausgezogen, weil ich keine Anstalten dazu machte. Ich habe das dann immer so verkauft, dass meine Eltern mich verlassen haben. Sie sind zurück nach Warnemünde gezogen und ich habe die Wohnung behalten. Dann kam ich mit meiner jetzigen Frau zusammen, inzwischen leben wir hier mit unseren Kindern. Ich habe auch nicht vor, hier auszuziehen – die Wohnung ist sogar altersgerecht und Du weißt ja: Einen alten Baum verpflanzt man nicht.


In Lichtenhagen aufzuwachsen fand ich am Anfang schwer. Meine Schule und meine Freunde waren ja bis dahin in Warnemünde. Und jetzt wohnte ich im Neubaugebiet, ohne Kontakte und in einem der Häuser, an denen es noch nicht mal Wege und Parkplätze gab. Überall war Modder, man ging über Paletten und zurückgebliebenen Bauschutt. Wenn es regnete, versank man mit den Schuhen im Modder, wenn man auch nur zur Mülltonne wollte – die allerdings auch drei Häuser entfernt stand.


Trotz des schweren Starts gab es irgendwann einen Zeitpunkt, an dem ich in Lichtenhagen richtig angekommen war. Da hatte ich dann meine Klassenkameraden und meine Freunde hier. Damals war das ja auch alles noch ein bisschen anders: Die Kinder trafen sich draußen, meist die aus einem Wohnblock: Die Kinder aus den Würfelhäusern haben zusammen gespielt, die aus den anderen Blocks haben dort zusammengegluckt. Wir haben Fußball gespielt, immer nur Fußball. Da drüben war noch ein Steinplatz mit Sand. Wenn es geregnet hat, standen da die Pfützen und du hast gehofft, dass die weggehen. Oder der Sportplatz der heutigen Hundertwasser-Schule: das war damals noch ein Rasenplatz und das Wasser lief dort auch nicht ab. Hier zwischen den Häusern haben wir auch Fußball gespielt, zwischen den alten Wäschestangen dort. Aber wir hatten ja auch nichts. Keine Handys. Fernsehen? DDR 1 und 2? Da warst du halt draußen. Von klein auf an. Egal ob hier oder auf dem Boulevard. Da waren ja auch Tischtennisplatten aus Stein, da hast du dich mit welchen aus deiner Klasse getroffen. Das Gute war: Da gab es eine große digitale Uhr. Da hattest du immer die Uhrzeit im Blick. Du wusstest, wie schnell du laufen kannst – und dementsprechend bist du dann losgelaufen: zwei Minuten, bevor du zu Hause sein musstest. Damals war das noch so. Wenn du um halb zu Hause sein solltest, dann musstest du um halb zu Hause sein. Nicht so wie heute. Das war eine interessante Zeit.


Bis zur Wende ging ich in Lichtenhagen zur Schule, danach wurde es unruhig: Du kamst von einer Schule auf die andere, keiner wusste, was gehauen und gestochen ist. Letztlich habe ich dann in Lichtenhagen drei Schulen besucht. Die 62. POS, die später abgerissen wurde, dann die 61. POS und später auf die Gesamtschule, die jetzige Hundertwasser-Schule. Die war zu DDR-Zeiten eine POS. Die Nordlicht-Schule war eine Realschule.


In den 1990er Jahren veränderte sich dann alles. Die HO-Kaufhallen wurden zu Sparmärkten. Als Jugendlicher kriegtest du dann ja auch große Augen, was es da alles so gibt. Sachen wurden abgerissen oder entfernt, bei manchen dachtest Du: Warum? Viele Läden wurden ja auch geschlossen, so sieht der Boulevard ja jetzt auch aus. Die Treuhand hat alles verscheuert.


Wenn wir abends weggingen, in den 1990er Jahre, ging es ins Fun nach Lütten Klein. Oder ins Shanty, aber das war auch nicht so mein Ding. In Lichtenhagen war nichts, wo man hingehen konnte. Damals hat man sich manchmal noch bei der Kaufhalle getroffen, wo jetzt die Pagode ist. Das war überdacht, da konntest du draußen stehen. War trotzdem schön. Wenn du anspruchslos warst und nur Fußball gespielt hast, da hast du immer eine Ecke gefunden.


Heute ist Lichtenhagen ein sozial schwacher Stadtteil, aber als Brennpunkt empfinde ich ihn nicht. Es gibt aber sehr wenige Angebote – und es werden mit der Zeit eher noch weniger, manchmal schwer verständlich warum. In Lichtenhagen Zentrum war ein Aldi, wo jetzt die Sparkasse ist. Da hat man sich gefragt: Wie kann das sein, dass so ein günstiger Markt dicht macht? Der Döner-Laden, die Bäcker im REWE und im LIDL – alle geschlossen, Janny’s Eis ebenso. Vermüllung hast du hier auch genug, immer an den gleichen Stellen, aber nicht so, dass die Straßen dreckig sind. Da wird eben der Sperrmüll abgestellt und irgendeiner wird schon anrufen. Du hast hier natürlich nicht die Einkaufsmöglichkeiten wie in Lütten Klein, aber du hast Verkehrsanbindungen, du kommst überall hin, nach Diedrichshagen, Elmenhorst oder nach Warnemünde zum Strand.


Die Freunde aus Kindheitstagen sind alle weggezogen, nur die Eltern treffe ich hier noch. Aber ich habe in Schmarl einen guten Job, da kam es für mich nie in Frage hier wegzuziehen. Meine Frau arbeitet in Lütten Klein, das geht auch. Unsere Kinder sind in Lütten Klein in den Kindergarten gegangen, ich habe da Zivildienst gemacht und kannte die Leute, auch die der „alten Schule“. Uns hat es hier ja an nichts gefehlt. Einkaufen kannst du hier. Ich gucke aus unserem Fenster und habe freie Sicht. Das ist hier ein schönes Wohnen. Außerdem haben wir hier zwei Gärten, bei der Kleingartenanlage Burrkhäwer, nebeneinander, hat sich so ergeben. Ich bin da auch Vorsitzender, passt alles. Allerdings gibt es in den Gartenanlagen gerade auch einen Generationswechsel. Die Alteingesessenen sind nicht mehr da, altersbedingt zum Teil, manche sterben auch weg. Wir haben keinen Leerstand, ich brauche gar nicht suchen, die gehen von einer Hand in die andere. Die Anlage hat ja auch eine gute Anbindung.


Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Heinz P., lebte von 1984 bis 2022 in Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Wir sind 1984 nach Lichtenhagen gezogen, in eine gerade fertiggewordene Wohnung in der Hermann-Matern-Straße. Um das Haus herum war damals alles noch Baustelle, aber den Kindergarten gab es schon, direkt im Hof. Lichtenhagen war ein lebenswerter Wohnbezirk, der Boulevard war wunderschön, die kleinen Geschäfte, die kleinen Gaststätten. Wir hatten damals alles hier, auch Kaufhallen und Kioske an jeder Ecke. Da wollte jeder wohnen. Hier im Nordwesten war Lütten Klein der erste Stadtteil. Aber wir hatten, wie gesagt, als einzige einen vernünftigen Boulevard. Da gab es den Schuhladen, einen Fischladen, wir hatten alles, was wir brauchten.


Dann gab es im Nordlicht den Tanzabend für einsame Herzen. Karten waren sehr begehrt. Das Nordlicht war vor der Haustür, da waren wir einmal im Monat. Das war immer voll, es war schön. Das Nordlicht gibt’s immer noch.


Und der Stadtteil hat sogar einen eigenen Rodelberg. Der wurde extra angelegt – zuerst haben wir kaputte Betonelemente aufgestapelt und dann viel Sand drüber geschüttet, bis der Berg zum Rodeln geeignet war.


Als meine Frau 2022 starb, bin ich nach Lütten Klein gezogen. Wenn ich hier eine Wohnung gefunden hätte, die mir gefallen hätte, wäre ich geblieben.


Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Werner H., wohnt seit 1980 in Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Der Brink ist sehr vernachlässigt worden. Als er damals vom Wohnungsbaukombinat und anderen beteiligten Betriebe gebaut wurde, war der tipptopp in Ordnung. Das war ein Vorzeigestadtteil hier. Als der Stadtteil gebaut wurde, habe ich Baumaterial transportiert, die Kräne bedient usw. In den Anfangsjahren gab es hier überall Eckläden, eine Post und eine Sparkasse. Die Eckbauten sind später abgerissen oder zweckentfremdet worden. Die Gaststätten wurden alle geschlossen, weil der Umsatz nicht die Kosten gedeckt hat. Dort wo jetzt das Stadtteilbüro ist, war z.B. bis in Anfang der 1990er Jahre der Lichtenhäger Krug, das war schön, man konnte draußen sitzen und so weiter. Da war richtig was los, das muss ich sagen. Auf der anderen Seite, ein Stück weiter den Boulevard entlang, gab es Kunstgewerbe und einen Heimwerkerladen, dann noch einen Malerladen und den Schuhladen, weiter vorn war der Bücherladen. Vor einigen Gebäuden stehen heute Bauzäune, das ist alles anders geworden.


Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

H.W., Jg. 1942, lebt seit 1976 in Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Wir sind 1976 nach Lichtenhagen gezogen, d.h. meine Frau, meine Tochter und ich. Vorher wohnten wir in der Doberaner Straße in einer 1 ½ Zimmer-Wohnung, die Toilette befand sich im Keller. Dann hatten wir das Glück, dass wir in eine Wohnungsgenossenschaft aufgenommen wurden. Wir mussten natürlich unseren Genossenschaftsanteil einzahlen und 250 Arbeitsstunden ableisten. Die bestanden damals nur aus Schaufelarbeit, heute würde man das mit einem kleinen Bagger erledigen. Dafür haben wir eine Wohnung bekommen. Insgesamt wurden vierzig Wohnungen verlost, davon waren fünf ohne Balkon. Ich zog als Dritter oder Vierter ein Los – und zog eine Wohnung ohne Balkon, das war natürlich eine Enttäuschung. Aber trotzdem: Nun hatten wir 2 ½ Zimmer, die Toilette in der Wohnung, Warmwasser, Heizung und Dusche, alles vorhanden. Man brauchte keine Kohlen mehr schleppen. Das war schon toll und ein Erlebnis im Vergleich zu vorher. Die Umgebung des Hauses war bei unserem Einzug noch eine Baustelle. Es gab noch keine Gehwege, nur provisorische Betonplatten, also brauchten wir bei Nässe Stiefel, um zum Haus zu gelangen. Es waren auch noch keine Bäume gepflanzt, das kam alles erst im Laufe der Zeit. Als Mitglieder einer Genossenschaft mussten wir auch nach dem Einzug Stunden leisten. Wir konnten dann also Sträucher pflanzen, legten die Platten in eigener Regie. Damit konnten wir unser Umfeld selbst gestalten – und schneller als andere Wohnblöcke. Das war schon etwas vornehmer. Bei den anderen war noch Modder. Und wir konnten damals bis Warnemünde gucken, um uns herum war ja alles noch Wiese.


Unsere Tochter, 1972 geboren, war damals vier Jahre alt. Wir hatten Glück, dass wir einen Kindergartenplatz direkt in unserer Straße bekamen. Wir mussten ja morgens um 6 Uhr mit der S-Bahn zur Arbeit und um 6 Uhr öffnete auch der Kindergarten, da standen wir dann immer schon vor der Tür.


Und wir wollten unbedingt einen Garten haben. Auch dafür gab es lange Wartezeiten, aber 1978 bekamen wir ihn dann. Also eigentlich erstmal noch keinen Garten, sondern ein Stück Wiese, auf dem Gelände der Gartensparte „Uns Fritid I“, Richtung Diedrichshagen. Aber wir haben gebuddelt, das war ja keine Entfernung. Wir brauchten nicht nach Doberan oder Satow oder wo die Leute überall so hinwollten. Auch das haben wir selbst gebaut, wie man das früher alles gemacht hat. Gut, wir waren jung. Aber man hat das neben der Arbeit ja alles machen können und auch geschafft. Das sind Erlebnisse, die man nicht vergessen sollte.


Die Jugendweihe meiner Tochter im Jahr 1986 haben wir auch im Stadtteil gefeiert. Damals gab es hier noch keine Gaststätten, die man mieten konnte, also feierten wir in den Wohnungen, wie auch die großen Geburtstage. Da wurde das Schlafzimmer dann ausgeräumt und da wurde drin gefeiert. Wir waren sechs Kinder mit ihren Familien, da war die Stube voll. Das war immer schön.


Dann kam die Wende und auf einmal, in den Jahren 1990 und 1991, war der Markt in Lichtenhagen voll. Auf einmal gab es alles: Fleisch, Klamotten und so weiter. Man kannte ja nur die Sparhalle. Mehr hatte man nicht. Das war hervorragend. Außergewöhnliche Sachen, was wir nicht kannten.


1992, da kam die Sache mit Lichtenhagen. Ich kam immer Freitag abends nach Hause, ich hatte ein fremdes Kennzeichen am Auto, RS für Remscheid. Das war die Hauptniederlassung meiner Firma, deswegen hatte ich eine Remscheider Nummer. In Kröpelin wurde ich schon kontrolliert, dann in Rostock noch mal. Fremdes Kennzeichen, im Kofferraum hatte ich nur meine großen Kataloge. Ich konnte dann immer weiterfahren. Wir wohnten ohne Balkon zur Straße raus, wir haben das nicht so direkt erlebt, aber man hat den Lärm ja gehört, Blaulicht und so. Wir sind aber selber nicht rausgegangen und haben uns da zurückgehalten.


Übers Wegziehen haben wir auch nach der Wende nie ernsthaft nachgedacht – kein Interesse. Auch selbständig bauen wollten wir nicht. Wir haben unsere Stunden geleistet, geschaufelt, wir haben die Anteile gezahlt und fühlen uns wohl in unserer Genossenschaftswohnung. Zumal am Ende sogar Balkons angebaut wurden. Nach viel Staub und Dreck war das alles fertig.


Allerdings habe ich mich vor 15 Jahren, zwei Jahre nach dem Einbau des Balkons, am Knie verletzt – ein Meniskusriss. Nun lief ich an Krücken und die dritte Etage wurde zu einer echten Quälerei. Also beschlossen wir, in eine Wohnung mit Fahrstuhl umzuziehen. Und seitdem wohnen wir in der Parchimer Straße, in einem Haus mit Fahrstuhl und Balkons. Das ist eine ehemalige 4-Raum-Wohnung, die in drei Räume umgebaut wurde: Aus zwei Kinderzimmern wurde eins gemacht und das Schlafzimmer wurde verkleinert.


Zur IGA 2003 kam noch das Thema auf, dass die Straßenbahn nicht in Lichtenhagen aufhört, sondern bis Warnemünde weitergehen sollte, bis zur Sternwarte, der heutigen Jugendherberge. Dann stellte sich aber heraus, dass das Baugeschehen insgesamt zu teuer geworden wäre, das Ganze ist Moorgelände. Die Schienen hätten alle auf Pfählen gebaut werden müssen. Jetzt sieht man ja in Tribsees, wohin das führt. Das hat sich dann aber zerschlagen. Wobei, die Straßenbahn, wie sie im Plan war, bis zur Sternwarte hin, das wäre natürlich für ganz Rostock super gewesen. Wir können froh sein in Lichtenhagen, wir haben einen Anschluss an Straßenbahn, Bus und S-Bahn. Wir haben Kaufhallen, wir haben Ärzte, wir sind eigentlich vom Wohnen her super bedient.


Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Ingrid D., wohnt seit 1977 in Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Wir sind 1977 nach Lichtenhagen gezogen, zunächst in eine 2-Raum-Wohnung, weil wir ja noch keine Kinder hatten. Wir bekamen die Wohnung nach zwei oder drei Jahren Wartezeit und zahlten dann 64 Euro Miete pro Monat. Als unser Sohn geboren wurde, lebten wir noch zwölf Jahre in der Wohnung, eine größere bekamen wir nicht. Erst 1996 konnten wir schließlich in eine 4-Raum-Wohnung umziehen, durch einen Wohnungstausch. Und 2006 zogen wir dann in eine Doppelhaushälfte in der Grabower Straße. Alles in Lichtenhagen. Lichtenhagen finde ich persönlich sehr gut. Wir kannten das früher ein bisschen anders, schön wäre es, wenn es mal wieder eine Gaststätte oder ein Café geben würde.

Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten

Rudi A., wohnt seit 1975 in Lichtenhagen

0
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich bin 1975 aus Lütten Klein hergezogen. Damals standen hier nur ein paar Blocks, sie hatten gerade angefangen, den Springbrunnen zu bauen. Ich konnte zusehen, wie der Stadtteil allmählich wächst. Um die Wohnung zu bekommen, musste ich in die AWG eintreten und 600 AWG-Stunden leisten, ab 1973 habe ich hier im Stadtteil dabei geholfen, die Gräben für die Versorgungsleitungen auszuheben. Zwei Jahre später bekamen wir dann die Wohnung in der Wolgaster Straße 4. Man erfuhr, in welches Haus man ziehen wird und musste dann zum Losen. Es war Glücksache, ob man unten oder oben wohnte und auf welcher Seite die Wohnung lag. In manchen Wohnungen war beispielsweise das Kinderzimmer größer. Ich hatte ein bisschen Pech, war aber trotzdem zufrieden, stolz und glücklich. Bis dahin hatten wir ja im Wohnheim gewohnt, in Lütten Klein, ein Ehepaar mit Kind in einem kleinen Zimmer, da war das eine riesige Verbesserung.


Und Lichtenhagen war ja auch ein Vorzeigegebiet, als es fertig war. Man konnte ihm regelrecht bei der Entstehung zugucken. Erst sah man nur die Kräne und eine Woche später stand schon der halbe Block, das ging ruckzuck. Und auch wir als Wohngemeinschaft haben viel selbst gemacht. Wir haben Bäumchen angepflanzt und gegossen, das würde ja heute gar nicht mehr passieren. Es gab Versammlungen, die hatten wir dann im Keller unten, im Wäschetrockenraum. Da wurden Stühle mit nach unten genommen, alles bequackelt und ein bisschen Kaffeeklatsch gemacht. War schon alles in Ordnung, damals in den DDR-Zeiten. Und alle Arbeiten wurden in dem grünen Hausbuch aufgelistet, das der Hausobmann führte. Da konnte jeder sehen, was wer gemacht hat. Das ist ja heute gar nicht mehr möglich. Da stand jeder mit Namen, Adresse und Beruf drin. Jedes Jahr musste ein anderer Hausobmann sein, das wechselte sich ab. Da war jeder mal dran. Die Leute im Haus standen sich nahe und das ist bis heute so geblieben. Mit einigen haben wir ja 45 Jahre lang zusammengewohnt, das ist dann ein herzliches Verhältnis. Ich meine, du hast immer einen dazwischen, der ein bisschen aus der Reihe fällt, das ist immer so, in jedem Haus. Aber der Zusammenhalt war da. Es hat auch einer auf den anderen aufgepasst, zum Beispiel: Der kommt schon wieder besoffen von der Arbeit.


Meine Tochter war sechs Jahre alt, als wir nach Lichtenhagen zogen. Zuerst bekam sie einen Kindergartenplatz, direkt gegenüber. Hier ist ja alles karréemäßig gebaut und in jedem Karrée war ein Kindergarten. Man konnte aus dem Fenster gucken und konnte der Tochter winken. Dann kam sie gleich in die Schule hier im Stadtteil, die war dann auch schon fertig. Ich war zufrieden.


Auch für unser Wohngebiet gab es natürlich einen ABV* – Wolf hieß der. Der hat die Kinder noch vom Rad geholt, hier auf dem Boulevard. Oder sie sind schon freiwillig abgestiegen, wenn sie ihn kommen sahen. Mich hat er mal angehalten, unten mit dem Fahrrad. Er sagt: „Sie wissen doch, dass Sie hier nicht fahren dürfen.“ – „Ich kann nicht laufen,“ habe ich gesagt: „Ich hab einen ganz dicken Fuß. Ich muss fahren, das geht nicht anders.“ – „Na ja, dann fahren Sie aber schön langsam“, war die Antwort. Dabei hatte ich gar keinen dicken Fuß, ich hatte es einfach eilig.



--

* Abschnittsbevollmächtigter: Angehöriger der Volkspolizei, der für ein bestimmtes Gebiet zuständig war.




Beitrag öffnen/kommentieren
30. Apr 2024
Lichtenhagen > Geschichten
Logo DSEE