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Die Besuche von Sigmund Jähn in Schmarl in den Jahren 2013 und 2019

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Katja Eisele

2013 war Sigmund Jähn das erste Mal in Schmarl. Er kam zusammen mit einem Freund, mit dem wir im Vorfeld schon viel vorbereitet hatten. Mit ihm haben wir das Programm und die Öffentlichkeitsarbeit geplant, die Leute haben uns ja die Hütte eingerannt. Wir haben damals hier die Eintrittskarten herausgegeben: insgesamt 150, für das Atrium in der Schule. Und dann stand er plötzlich vor mir, der Mann, den ich als Kind im Geschichtsbuch gesehen hatte - Sigmund Jähn. Und er war so wunderbar normal. Er war eigentlich eine öffentliche Person, aber er war wie du und ich. Ehe sein Auftritt begann, war ich kurz mit ihm allein – und hatte dann doch so ein mulmiges Gefühl, fragte mich, wie es werden würde. Aber er war dann einfach irre menschlich, einfach nur freundlich und aufgeschlossen. Beim Vortrag gab es natürlich auch einige kritische Fragen, die sich auf die politische Situation zu DDR-Zeiten, seine Mitgliedschaft bei der NVA und dergleichen bezogen. Auch damit ist er sehr souverän umgegangen.


Helga Stastny

2019 war Sigmund Jähn hier in Schmarl zu Besuch. Wir, die Freunde der Luft- und Raumfahrt, hatten ihn eingeladen. Übernachtet hat er damals aber in Sievershagen. Er hat hier damals eine Rede gehalten, das hat er gut gemacht, er war noch relativ fit. Es waren viele Leute da, Kinder und Erwachsene. Nach seiner Rede wurde er zum Essen in das Hallenhaus eingeladen. Zum Kaffeetrinken waren wir dann auf dem Traditionsschiff: Wir hatten dort schön eingedeckt. Jeder konnte mit ihm erzählen, wir haben davon auch schöne Bilder. Alle waren angetan, Hartmut Lindners Sohn hat ihn dann zurück nach Berlin gefahren, wo er wohnte. Eine Woche später ist er verstorben. Kurz darauf verstarb auch seine Frau.


Eberhard Trost

Als Sigmund Jähn damals in Schmarl zu Besuch war, hat mir eine Sache besonders gefallen: Er hat sich nicht als oberster Offizier und Raumfahrer dargestellt, sondern er ist absolut Mensch geblieben. Abends hat er mit uns ein Bierchen getrunken, wir haben Witze erzählt. Das war so ganz normal und ganz nett. Er erzählte auch davon, dass ihm Dinge wie Reden halten oder sich vor der Kamera präsentieren schwerer gefallen sind, als die Raumfahrt und seine Reise ins Weltall selbst. Reden sei eigentlich überhaupt noch nie sein Ding gewesen - aber er hat es gemacht und nett rübergebracht.


Christel Tröger

Was mir beim Besuch von Sigmund Jähn besonders positiv auffiel: Er kam ja mit dem Zug hierher. Wir waren so geschockt. Wir waren auf dem Bahnhof, haben ihn abgeholt, als er da ankam, mit seinem Köfferchen. Ein ganz normaler Mensch auf dem Bahnhof, das war ein Gänsehaut-Moment. Er war dann ein ganzes langes Wochenende hier und wir haben sehr viel Zeit mit ihm verbracht. Am letzten Tag haben wir auch gemerkt, dass der Besuch anstrengend für ihn war: kein Wunder, wir hatten ein riesiges Programm für ihn aufgestellt: alles zeigen was geht, keine Zeit zum Luftholen. Davon können wir immer wieder erzählen und schwärmen – so etwas Tolles haben wir hier erlebt!


Hartmut Lindner

Als Sigmund Jähn 2013 nach Schmarl kam, hatten wir sehr viel tolle Unterstützung durch die Krusensternschule. Wir hatten das ja langfristig vorbereitet, haben sogar kurz vorher noch Plakate aufhängt, die den Besuch angekündigt haben. Damals war gerade auch der Zirkus in der Stadt, da habe ich extra angerufen – und sie haben zugestimmt, dass wir die Plakate über die Zirkusplakate hängen. Ich bin damals durch ganz Schmarl gefahren und als ich kurz vor 17 Uhr das letzte Plakat am Gittertor der Schule anbrachte, fuhr er schon mit dem Auto vor. Er ist selber gefahren. Das erste was er gesagt hat, noch aus dem Fenster raus: „Hartmut, wir sind Vogtländer, wir reden per Du.“

Wir hatten damals zwar ein bisschen finanzielle Unterstützung für die Veranstaltung, aber kein Honorar für ihn – und er hat auch keins verlangt, wo andere für so einen Auftritt große Summen verlangt hätten. Unsere Eintrittskarten waren innerhalb von zehn Minuten weg. Ich wurde damals dafür kritisiert, dass wir die Veranstaltung nicht im Barocksaal oder an der Uni durchführten. Aber unser Prinzip ist eben: So eine Person muss zu uns „normalen Bürgern“. Nach seinem Vortrag haben die Leute Schlange gestanden, um ein Autogramm zu bekommen – und er hat allen eins gegeben, obwohl wir gar nicht viel Zeit hatten. Es war ja schon Kaffee im Clubraum vorbereitet - man lässt sich ja was einfallen, wenn so eine Person kommt. Wir haben einen Aal organisiert, den haben wir ihm überreicht. Er hat noch viele weitere liebevoll gestaltete Geschenke bekommen, darunter auch ein Gedicht über ihn. Von der Schule kam ein schönes Bild. Er sagte daraufhin, dass sich sein Besuch hier in Rostock wie ein Geburtstag anfühle: Er habe hier gute Freunde getroffen. Wir hatten auch drei Minuten Sendezeit im NDR, das gab es noch nie.

Nach diesem ersten Besuch wurde ich immer wieder gefragt: Wann kommt Sigmund denn mal wieder nach Schmarl? 2018 zeichnete sich ab, dass wieder ein Besuch möglich sein würde – und den haben wir dann alle gemeinsam, zusammen mit dem „Haus 12“, ein ganzes Jahr lang vorbereitet. Und auch dieses Mal war uns wichtig, dass er hier zu uns in den Stadtteil kommt. Als er kam, war das wie eine Begegnung von guten Freunden, wir begrüßten uns mit einer herzlichen Umarmung. Wir hatten hier eine kleine Ausstellung organisiert und er war ganz erstaunt darüber, wie wir so viel Material zusammengetragen haben. Als er dann hier seinen Vortrag hielt, sprach er über eine Stunde, im Stehen. Danach waren wir zum Essen im Hallenhaus und anschließend im Traditionsschiff zum Kaffee.

Nach dem Wochenende hier wollte er mit dem Zug zurückfahren, aber mein Sohn hat ihn mit dem Auto zurück nach Berlin gebracht. Er hat sich sehr bedankt. Das war am Sonnabend, dem 14. September 2019. Am 21. September um 20 Uhr habe ich einen Anruf bekommen: Sigmund Jähn ist gestorben. Dann ging das los: Alle möglichen Zeitungen riefen bei uns an – sie wollten alle das letzte Bild von ihm haben. Wir haben Sigmund Jähn als bescheidenen Vogtländer kennengelernt und behalten ihn so in guter Erinnerung.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Oksana K., Jahrgang 1988, wohnt seit 2023 in Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Als Geflüchtete aus der Ukraine bin ich vor etwas mehr als einem Jahr nach Rostock gekommen. Zunächst habe ich in der Industriestraße in der Unterkunft für Geflüchtete gewohnt, dann auf einem Wohnschiff in Marienehe, ebenfalls eine Unterkunft für Geflüchtete. Als ich dort feststellte, dass ich schwanger bin, kam mein Mann ebenfalls nach Deutschland und wir haben zusammen in einem Zimmer auf dem Schiff gelebt. Aber ich habe gleich sehr aktiv nach einer Wohnung gesucht, weil das Kind bald kommen sollte und unser Zimmer auf dem Schiff für drei Personen viel zu eng war – es hatte nicht mehr als zehn Quadratmeter. Wir haben noch mal die Unterkunft gewechselt, aber ich habe immer weitergesucht, weil ich nach der Geburt unseres Kindes unbedingt in eine eigene Wohnung ziehen wollte. Das war stressig, weil ich Tag und Nacht im Internet recherchiert habe. Mein Mann machte sich große Sorgen, weil ich deswegen wenig geschlafen habe.

Die Wohnungsbesichtigungen waren am Anfang erfolglos. Wir bekamen dann über eine gemeinsame Bekannte Kontakt zu einer Rostockerin, die uns geholfen hat. Sie war auch als Dolmetscherin bei einer Wohnungsbesichtigung in der Adam-Krusenstern-Straße dabei und dort hat es dann mit dem Mietvertrag geklappt. Es wurde da schon knapp, es war Dezember und der Aufenthaltstitel war nur bis März gültig. Das hatte auf einen Vermieter schon einen großen Einfluss und machte es zusätzlich schwierig. Am Ende bekamen wir die Wohnung wohl auch deshalb, weil unsere Helferin die Bürgschaft für unsere Miete übernahm.

Als ich noch in der Industriestraße gewohnt habe, führte mein Weg zu Lidl genau an dem Haus vorbei, in das wir dann später gezogen sind. Schon damals dachte ich immer wieder daran, wie schön es wäre, hier eine Wohnung zu bekommen. Aber da wusste ich noch nicht, dass ich schwanger bin. Die Unterkunft war erstmal in Ordnung und ich fand es am wichtigsten, die Sprache zu lernen. Als ich dann festgestellt habe, dass ich schwanger bin und wir diese Wohnung beziehen konnten, ist mein Traum in Erfüllung gegangen. Träume können also wahr werden. Ich hatte schon viele Träume und viele sind wahr geworden, einer davon sitzt hier (zeigt auf ihren kleinen Sohn).

Wenn ich jetzt im Kinderwagen mit unserem Sohn durch Schmarl fahre, werde ich oft angesprochen: Oh, was für ein süßes Baby! So haben wir auch ein paar Leute aus dem Haus kennengelernt. Eine russischsprachige Familie und ein Paar, in dem sie Deutsche und er Ukrainer ist. Außerdem gibt es eine nette ältere Dame, die immer mein Baby begrüßt und mit der ich jetzt etwas Deutsch übe. Wir reden auf Deutsch, das ist sehr gut. Hinter unserem Haus gibt es eine Tischtennisplatte, dort spielen mein Mann und ich sehr gern Tischtennis.

Schmarl gefällt mir sehr gut, weil ich gern Ruhe habe und es ein ruhiger Stadtteil ist. Als mein Sohn gerade geboren war, bin ich mit ihm im Kinderwagen stundenlang hier spazieren gegangen. Jetzt ist er schon mehr als ein Jahr alt und braucht auch mal andere Kinder um sich herum. Deshalb gehen wir jetzt zu den Spielplätzen und in den IGA-Park, das mag er sehr gern und wir machen gern Spaziergänge zum Museumsschiff. Außerdem gibt es hier im Stadtteil alles, was man braucht: beispielsweise einen Kaufland, ein türkischer Gemüsehändler und einen Lidl. Das gefällt uns gut, das ist praktisch.

Bald geht mein Sohn in die Krippe – jetzt steht erstmal die Eingewöhnungszeit an. Wenn er dann regelmäßig in der Krippe ist, will ich unbedingt die Sprache weiter richtig lernen, denn ohne Sprache ist es sehr kompliziert. B1 habe ich schon, aber man muss das immer wieder üben. Mein Mann Alexander ist auch sehr zufrieden hier: Schmarl gefällt ihm sehr. Er hat vor kurzem die B1-Prüfung bestanden und arbeitet jetzt als Quereinsteiger in einer dualen Ausbildung bei der RSAG als Busfahrer.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Friederike, Jahrgang 1991, wohnt seit 2019 in Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich wohne hier total gerne, weil es hier so viel Grün gibt – nicht nur im IGA-Park. Außerdem gibt es hier so viele Freizeitangebote, die sind immer sehr gut organisiert: den Adventsmarkt, die Sommerfeste und viele Angebote für die Kinder. Wir sind wegen der Wohnung hergezogen, die ist super für uns als Familie mit zwei Kindern. Meine Kinder gehen hier auch zu Schule. Ein Problem ist, dass es in Schmarl nur sehr begrenzte Hortplätze gibt. Aber im nächsten Jahr soll hier ein Hort gebaut werden. Ich arbeite in Lichtenhagen, da ist auch mal ein Stadtteilfest, aber das ist nie so wie in Schmarl. Schmarl betreibt da mehr Aufwand und kümmert sich besser. Es ist schon so, dass man hier mehr zusammenkommt als in anderen Stadtteilen. Schmarl ist wirklich gut organisiert.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

A.V., Jahrgang 1996, wohnt seit 2014 in Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich bin in Evershagen aufgewachsen. Kurz nach meinem 18. Geburtstag zog ich zu meinem Freund nach Schmarl. Wir bauen schon seit 2021 ein eigenes Haus außerhalb von Rostock, das aber aufgrund von Mängeln, Pfusch und Ärger mit der Baufirma nicht fertig wird. Inzwischen haben wir eine zehn Monate alte Tochter, die kam eher unverhofft.

Hier in Schmarl sind es durchaus nicht immer die Migranten, die Ärger machen. Am Einkaufszentrum rottet sich regelmäßig eine Gruppe von zwanzig bis dreißig jungen Männern zusammen, die pöbeln rum, die zünden Böller und Raketen. Einmal, als sie wieder sehr laut Musik anhatten, ist mein Partner runtergegangen und hat gefragt, ob sie das leiser machen können, damit das Kind schlafen kann. Die Typen waren von White Power, die wollten die Hunde auf ihn hetzen.

Außerdem laufen immer wieder Jugendliche durchs Viertel, die an den Häusern oder in den Unterführungen Böller abwerfen. Dadurch ist es hier oft so laut, dass unsere Tochter nur noch auf der zur Straße gerichteten Seite schläft, anders geht es gar nicht mehr. Ich traue mich nach 20 Uhr nicht mehr raus, das hat sich seit der Corona-Zeiten nochmal deutlich verschlechtert. Mein Freund will mich eigentlich spätnachmittags nicht mehr in die Stadt zum Training lassen, weil er weiß, ich komme im Dunkeln wieder zurück. Er sieht jeden Tag vom Balkon, wie die Leute sich da versammeln, Alkohol trinken, Böller und Raketen zünden und keiner weiß, wohin die nachher verschwinden. Die Ecke ist schlecht beleuchtet. Die Polizei löst sie nur auf und dann kommen sie wieder. Dass da ein Grundstück mit einem schönen Haus und netten Nachbarn auf uns wartet, ist gerade ein wichtiger Hoffnungsschimmer. Hier in unserer 3-Zimmer-Wohnung haben wir viel zu wenig Platz, vor allem, weil wir beide im Homeoffice arbeiten. Mein Partner arbeitet neben dem Laufgitter unserer Tochter – Das ist eine Enge, die hältst du auf Dauer nicht aus.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Leonie, Jahrgang 2012, ist als Kleinkind nach Schmarl gezogen

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Als wir hier in Schmarl eine tolle Wohnung gefunden haben, ist meine Familie hierhergezogen. Als ich das erste Mal hier in der Grundschule Schmarl war, war das für mich total komisch: eine neue Schule, eben neuer Ort. Aber dann habe ich direkt meine Freundin kennengelernt. Sie hat mir ein bisschen was von Schmarl gezeigt – und inzwischen kenne ich mich hier gut aus und fühle mich total wohl. Als ich das erste Mal in der „Schiene“ war, war das erst total komisch, weil dort so viele unbekannte Kinder waren. Ich musste mich erstmal zurechtfinden. Aber seitdem bin ich öfter dort, habe hier viele Freunde gefunden. Wir hängen hier viel zusammen ab.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Thomas Frederiksson, Jahrgang 1958, wohnt seit 2012 in Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich bin gewordener Schmarler. 2012 sind wir hierhergezogen. Eigentlich stamme ich aus Hamburg, dort habe ich meine Frau kennengelernt. Wir haben zusammen fünf Jahre in Schweden gelebt. Als wir von dort zurück nach Deutschland kamen, fragte mich meine Frau: „Wo möchtest Du hin? Nach Hamburg, wo wir uns kennengelernt haben oder nach Rostock, wo ich herkomme?“ Und da habe ich natürlich gesagt: „Nach Rostock.“ Ich wollte nicht mehr nach Hamburg und wir zogen dann gleich nach Schmarl. Die Wohnung suchten wir übers Internet, da standen mehrere zur Auswahl. Die Entscheidung fiel dann auf Schmarl, weil die Wohnungen hier günstig sind.

Es gibt nur wenig, was mir hier nicht gefällt. Die abgefahrenen Zebrastreifen an der Schule müssten mal neu gemacht, kein großer Aufwand. Das habe ich schon oft gesagt, bis heute ist nichts passiert. Die Migration gefällt mir auch nicht. Einige der Geflüchteten benehmen sich einfach nicht gut. Die Einkaufsmöglichkeiten sind super hier, abgesehen von der fehlenden Post und Drogerie. Die Verkehrsmöglichkeiten sind auch gut, du kommst überall hin. Mit den Ärzten hier ist es auch gut. Ich fühle mich gut betreut, ich habe da nie Probleme. Veranstaltungen gibt es hier allerdings kaum, aber dafür bin ich auch nicht der Typ. Kurz vor der Rente habe ich ein Jahr lang im Haus 12 mitgearbeitet. Davor war ich im Schifffahrtsmuseum in der August-Bebel-Straße. Als es da nicht mehr weiterging, hat das mit Haus 12 super gepasst. Jetzt bin ich in Rente und ab Januar mache ich im Haus 12 drei Tage in der Woche ehrenamtlich weiter und betreue zusätzlich noch eine Tanzveranstaltung pro Monat. Und wenn man mich braucht, bin ich auch da. Ich mache so Hausmeister-Sachen, alles, was so anfällt. Hier im Haus habe ich viel gemalert – und auch in der „Schiene“: Die ganzen bunten Farben stammen von mir. Im Moment mache ich drei Monate Pause. Langsam wird es langweilig, jetzt muss ich sehen, dass ich rauskomme. Ich habe ein 29 €-Ticket, mit dem fahre ich viel weg – z.B. mindestens einmal im Monat zusammen mit einem Kollegen. Ich habe einen Hund, mit dem gehe ich auch viel raus. Im IGA-Park bin ich nicht so oft, höchstens einmal im Jahr, vor allem, wenn Besuch von außerhalb kommt. Aber nach Warnemünde fahre ich viel. Allerdings nicht im Sommer zum Baden, nur wenn meine Tochter zu Besuch kommt und an den Strand möchte. Zum Fähranleger und zur Likedeeler sind es auch schöne Spaziergänge und man kann da unten jetzt auch schön essen, Hamburger und so. Ich will hier nicht weg, die tragen mich hier raus. Ich möchte auch in keinen anderen Stadtteil. Weder Groß Klein noch Lütten Klein reizen mich. Mir ist das hier ans Herz gewachsen, weil ich hier auch die meisten Leute kennengelernt habe.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Ursula Krenz, Jahrgang 1958, wohnt seit 2007 in Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Meine Tochter und ich sind 2007 nach dem Tod meines Mannes von Güstrow nach Schmarl gezogen. Sie war gerade 18 Jahre alt, und wir wollten einen Neuanfang. Sie war hier in der Ausbildung und zog in eine eigene Wohnung. Also habe ich mir hier auch eine gesucht. Eine Kollegin von mir wohnte in der Vitus-Bering-Straße. Sie sagte zu mir: „Zieh mal hier bei mir in die Nähe. Die WG Schifffahrt-Hafen ist gut.“ Und so bin ich dann in ihre Nachbarschaft gezogen. Bei uns im Haus wohnen fast nur ältere Menschen, viele von Anfang an. Es ist ein ruhiges Haus. Die Nachbarn über mir kenne ich auch näher, wir gehen fast jeden Tag spazieren. Ich habe guten Kontakt zu den Leuten im Haus. Ich bin noch so erzogen, dass man sich als Neue bei den Nachbarn vorstellt.

Ich hatte mich auch zum Sport hier im „Haus 12“ angemeldet. Ich sprach mit einer Frau aus meinem Haus darüber – und nun kommt sie mit zum Kurs. Also, man unterhält sich. Ein anderes Mal habe ich ein Ehepaar in ihrem Garten besucht und wir haben zusammen gegrillt. Wir sind eine gute Hausgemeinschaft, aber es gibt auch viele andere, wo das nicht so ist.

Ich habe es nicht bereut, dass ich nach Rostock gezogen bin. In Güstrow gibt es viel weniger Angebote für mich. In den ersten Jahren habe ich ja noch viel gearbeitet. Und als ich in Rente ging, war erstmal viel im Haus zu tun: Man macht dann ja erstmal alles, was man schon immer machen wollte – kümmert sich um die Fotoalben und dergleichen. Aber irgendwann ist all das fertig und man fragt sich, was man nun eigentlich tun soll. Man geht spazieren, hat einige Termine, aber das reicht alles nicht. Also habe ich hier mal im „Haus 12“ angerufen und hatte gleich Frau Eisele am Telefon. Wir haben einen Termin ausgemacht, sie war mir von Anfang an sympathisch. Also begann ich, im „Haus 12“ ehrenamtlich zu unterstützen – ich mache hier das Café, backe Kuchen, bin bei den Festen dabei usw. Dadurch bekomme ich erstmal mit, was es so alles an Veranstaltungen gibt – und kann das auch weitertragen. Das hier ist wie eine große Familie, das ist schon toll.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Stefanie, Jahrgang 1980, wohnt seit 2007 in Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Nachdem wir nach Schmarl gezogen sind, haben wir hier relativ schnell sozialen Anschluss gefunden. Inzwischen haben wir hier sehr viele Freunde, mit denen wir uns ganz oft treffen, gerade mit den Kindern. Es ist sehr familiär, man kennt viele, vielleicht, weil der Stadtteil nicht sehr groß ist. Viele der Kontakte sind über die Kinder entstanden – beispielsweise auf dem Spielplatz. Allerdings muss ich auch sagen: Früher war es hier angenehmer. In den letzten Jahren hat hier die Kriminalität zugenommen, das ist deutlich zu spüren. Früher war es einfacher, auf die Straße zu gehen, auch für die Kinder. Jetzt fühlt es sich unsicherer an. Schmarl ist damit auch mehr in den Medien. Das war früher nicht so, da war Schmarl ein Stadtteil, der noch relativ vernünftig war. Ich würde deswegen aber nicht hier wegziehen. Ich denke, die Kriminalität hat allgemein zugenommen. Ich fühle mich hier wohl und wir wollen hier auch nicht weg.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Dieter Schmidt, Jahrgang 1937, wohnt seit 2003 in Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Es muss im Jahr 1958 gewesen sein, ich war damals Student an der Uni. Damals wurden wir aufgerufen, den Volkspark aufzuforsten, dort, wo heute der Schmarler Landgang ist. Wir haben hier damals viele Bäume gepflanzt. Heute stehen noch ein paar Eichen aus dieser Zeit, eventuell auch Linden. Vorher war das hier eine Wüstenei. Es gab nur eine Straße, die es heute nicht mehr gibt. An dieser Straße standen das Gebäude des heutigen Haus 12 und noch fünf weitere Neu-Bauernhäuser. Dort wurden wir damals im Herbst abgeladen und kriegten erstmal alle Gummistiefel. Dann haben wir alle Pflanzen zugeteilt bekommen, für ein großes Areal, von dem dann nur kleine Stücke übriggeblieben sind, als man nachher beschloss, Schmarl zu bauen. Wir haben hier damals großen Spaß gehabt, Studenten haben ja immer irgendwelche Ideen. Es gab auch eine Gulaschkanone von der Volksarmee, mit Erbsensuppe für alle. Jeder bekam eine bestimmte Menge Pflanzschösslinge und sollte die nun einpflanzen. Das war aber gar nicht so einfach, denn es gab nicht für jeden einen Spaten. Also musste man warten, bis man an der Reihe war – ohne ein Loch ging es ja nicht. Insgesamt haben wir wirklich ein großes Gebiet bepflanzt – wo heute die Gärten sind, waren damals überall Bäume. Das war nicht an einem Tag gemacht, da haben wir den ganzen Herbst gearbeitet.

Viel später, 2003, zog ich dann hierher nach Schmarl. Vorher haben meine Frau und ich 33 Jahre lang in Lütten Klein gelebt, oben in einer 4. Etage. Irgendwann war klar, dass wir eine altersgerechte Wohnung brauchten, also suchten wir erstmal vier Monate lang in allen Stadtteilen. Viele Wohnungen gefielen uns gar nicht, aber hier im Hochhaus in der Vitus-Bering-Straße waren wir sofort begeistert. Dann haben wir erst überlegt, ob wir uns das leisten sollen. Die Miete war doch höher. Aber wir haben uns dafür entschieden. Inzwischen bekommen wir alle fünf Jahre ein Dankeschreiben von der WIRO, dass wir schon so lange hier wohnen.

Ich hatte einen Kollegen im Stephan-Jantzen-Ring, der sagte immer: „Ich gehe in meine Elefantenbox.“ Das waren Erdgeschosswohnungen mit kleinen Hausgärten umrahmt von einer Betonwand. Diese Wohnungen hatten eine Balkontür, durch die man in den Garten gehen konnte.

Nach der Wende zogen viele Leute, die es sich leisten konnte, ganz schnell woanders hin, zum Beispiel in eigene Häuser. Viele zogen auch in den Westen, das war für uns keine Option mehr. Aber unser Sohn ist damals gleich in den Westen gegangen, wie viele der jungen Leute, weil es dort bessere Verdienstmöglichkeiten gab. Der fühlt sich gar nicht mehr als Mecklenburger.

Durch die vielen Wegzüge ist bei uns im Hochhaus eine eigenartige Trennung entstanden. Jedes Hochhaus hat zwei Eingänge mit eigenem Treppenhaus. In dem Aufgang, zu dem meine Wohnung gehört, wohnen die Leute schon jahrzehntelang. In dem anderen wechseln die Mieter ständig. Bei uns kennt man sich so lange und versteht sich besser. Man kann miteinander reden.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Ingeborg Grau, Jahrgang 1932, zog 2003 nach Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche") .

Ich mag an Schmarl, dass wir hier keine quadratischen Straßen haben, sondern alles ein wenig verschoben ist. Außerdem haben wir einen schönen Baumbestand und sind von Natur umgeben. In den 1970er und 1980er Jahren wohnten viele Künstler in Schmarl. Die haben damals viele Durchgänge sehr schön bemalt. Davon war vieles künstlerisch einwandfrei und toll gemacht. Das ist leider weg.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Heidi, Jahrgang 1987, hat in den 2000er Jahren in Schmarl gearbeitet

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich habe früher im Schmarler CITTI-Markt gearbeitet – und war zum Feiern oft in der „Schiene“. Die haben wir immer privat gemietet. Das kostete nicht viel und es gab dort einen Raum, wo man tanzen konnte und einen Raum, wo eine richtige Bar drin war. Ziemlich cool. Es musste gar keinen wirklichen Anlass geben. Das waren So-jung-kommen-wir-nicht-wieder-zusammen-Partys. Wir nannten sie immer die Schiene-Partys. Damals, das muss zwischen 2005 und 2007 gewesen sein, haben wir alle noch in WGs gewohnt, da war wenig Platz. Und es kamen echt Leute aus allen Ecken in die „Schiene“, auch aus anderen Stadtteilen. Da sind wir dann auch nachts durch den Stadtteil gegangen und hatten keine Angst. Damals gab es den Tunnel noch nicht, daher mussten wir immer mit Öffis fahren, um die Bahntrasse und die Stadtautobahn herum.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Liane Mirs, Jahrgang 1967, wohnt seit 1999 in Schmarl und leitet den AWO-Seniorentreff

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Wir sind vor 25 Jahren aus Warnemünde hergezogen, weil wir mit unseren Kindern eine größere Wohnung brauchten. Schmarl hat uns gefallen, weil hier so viel Grün war. Die Wohnung hatte 4 Räume (2 2/2 Zimmer nennt man das), eine große quadratische Küche und lag im ersten Stock – wunderbar. Wir wohnen dort immer noch und ziehen da auch nicht aus. Unsere Hausgemeinschaft hat schon immer zusammengehalten. Wir wissen, wer wo wohnt, wir kennen alle und reden miteinander. Bis auf die Bewohner der 1-Raum-Wohnungen, dort ziehen die Leute irgendwie ständig ein und aus. Wenn wir in den Urlaub fahren, geben wir den Schlüssel oben ab. Bei uns funktioniert das noch, das ist wunderbar. Wir sind auch ein kleines Haus, wir haben nur einen Aufgang. Hauspartys feiern wir allerdings nicht mehr, aus dem Alter sind wir raus.

Als wir hierhergezogen sind, habe ich mich selbständig gemacht. Schon bald darauf traf ich Katja Eisele, die Leiterin des Stadtteil- und Begegnungszentrums „Haus 12“. Mit ihr arbeite ich seit zwanzig Jahren zusammen. Seit fünfzehn Jahren kümmere ich mich um die Schmarler Stadtteilzeitung. Ich arbeite hier und ich kenne die Leute hier. Warum soll ich hier wegziehen? Ich will nichts anderes. Wir fühlen uns wirklich wohl. Wir haben die Kontakte zu Haus 12 und hier zum AWO-Seniorentreff, der ist nicht nur in den Räumen der AWO, sondern wir sehen uns auch auf der Straße oder bei Veranstaltungen. Wenn ich mal kurz einkaufen will – kurz wird sowieso nichts – dann treffe ich immer irgendwen. Wir bleiben dann stehen und quatschen. Viele kennen mich auch durch die Zeitung: beispielsweise Dr. Tomann, der Apotheker. Mit ihm zusammen habe ich den Nord-West-Kurier gemacht, aus dem wurde dann, nach dem Zusammenschluss mit Groß Klein, die heutige Stadtteilzeitung WIR2. Das ist jetzt eine schöne Zeitung, die einmal im Vierteljahr herauskommt. Und wir waren beide im Bürger- und Gewerbeverein Schmarl, der wurde dann aufgelöst.

Unsere Kinder sind alle ausgezogen. Im ganzen Haus wohnen inzwischen nur noch drei oder vier Kinder, das sind so Nachkömmlinge. Einer unserer Söhne ist aus Rostock weggezogen, aber einer wohnt noch in Schmarl schräg gegenüber von uns, das ist ganz schön. Er würde nie woanders hinziehen wollen. Er kennt Schmarl, weiß, wo er einkaufen und hingehen kann, das reicht ihm.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

J.M., Jahrgang 1991, zog Mitte der 1990er nach Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich bin in Evershagen geboren und zog mit meinen Eltern hierher, als ich drei oder vier Jahre alt war. In Evershagen hatten wir nur eine Zwei-Zimmer-Wohnung: Meine Eltern schliefen im Wohnzimmer, meine ältere Schwester und ich im Kinderzimmer. Trotzdem hatten wir damals nicht aktiv nach einer neuen Wohnung gesucht – es gab die Gelegenheit zu einem Wohnungstausch, was auch bedeutete: Wir übernahmen die Wohnung in Schmarl, so wie sie war, und mussten sie erstmal renovieren. Als meine Mutter vor einigen Jahren einen neuen Teppich kaufte, fanden wir unter dem alten nicht nur einen noch älteren, sondern auch noch Linoleum, das man auf dem Boden angeklebt hatte.

Ich bin in die Grundschule gegangen, die später abgerissen wurde. Dort befindet sich jetzt der Sportplatz. Die Grund- und Gesamtschule sind jetzt in einem Gebäude. Wir hatten damals sogar einen Schulgarten, dort wo jetzt Wildwuchs ist.

Nachmittags gingen wir immer zur Arche, zum Basteln, zum Stricken oder zum Kräutersammeln. Die Arche war eine Freizeiteinrichtung für Kinder, so ähnlich wie ein Hort. Wir trafen uns immer an der „Schiene“, die sich damals noch im kleinen blauen Haus neben dem Netto befand und zogen von dort los. Im Jugendclub „Schiene“ war ich immer mit meiner sieben Jahre älteren Schwester. Sie tanzte dort in einer Tanzgruppe, den „Kellermäusen“, und weil sie auf mich aufpassen musste, wurde ich immer mitgeschleppt. Ich habe da auch meine Hausaufgaben gemacht. Irgendwann wurde die Arche dann aufgelöst, weil sie zu wenig genutzt wurde. Manchmal war ich dort mit meiner besten Freundin alleine, aber ich hatte dort eine schöne Kindheit mit Lagerfeuer und Stockbrot. Damals war es noch so, dass du einfach rausgegangen bist. Du wurdest als Kind rausgeschickt und dir wurde gesagt, wann du zurück sein sollst. Dann hat man sich nachmittags mit der ganzen Grundschulklasse getroffen. Wir haben Fahrradtouren gemacht, durch ganz Schmarl, Fahrradrennen, Inliner-Rennen. Höhlen haben wir gebaut.

Später besuchte ich das Ostsee-Gymnasium in Evershagen. Da musste ich morgens immer mit dem Bus Linie 38 hinfahren und nachmittags wieder zurück. Morgens wurde man immer aus dem Bus geschubst, weil es viel zu voll war. Trotzdem schickten sie immer nur den kurzen Bus, auch dann, wenn alle zur Arbeit oder zur Schule mussten. Die großen Erwachsenen haben die Kinder mit den Ranzen rausgeschubst, weil die zu viel Platz wegnahmen. Dann musste ich zu Fuß über die Brücke nach Evershagen, dann kam man halt ein bisschen zu spät. Aber hier gab es eben nur eine Gesamtschule, und auf die wollte ich nicht, nachdem ich an einem Grundschultag dort zur Besichtigung gewesen war. Dort waren die Flure schwarz gestrichen, mit Graffiti dran, alles war sehr dunkel. Die großen Schüler haben uns bei der Besichtigung geschubst und gegen die Wände gedrückt. Ich habe zu meinen Eltern gesagt: Schickt mich woanders hin, ich möchte hier nicht zur Schule gehen. Dann bin ich halt aufs Ostseegymnasium gekommen und hatte dort eine Freundin aus Evershagen-Süd. Durch das Schülerticket sind wir nachmittags in ganz Rostock umhergefahren. Da hat man sich als Teenie schon frei gefühlt. Man konnte alles machen und war in der Stadt unterwegs.

Nach der Schule war ich zur Ausbildung in Schwerin und bin gependelt, aber danach habe ich in Rostock eine Wohnung gesucht. Ich habe in allen Stadtteilen geguckt, aber die Wohnung in Schmarl hat mir am besten gefallen. Also zog ich hierher. Inzwischen gibt es, außer meinen Eltern, eigentlich nichts mehr, was mich hier hält. Eigentlich möchte ich weg. Ich arbeite im ambulanten Pflegedienst und unsere WG für an Demenz erkrankte Menschen ist hier in Schmarl. Meine Oma hat damals auch in dieser WG gelebt. Ich habe sie dort gepflegt, das hat mich noch hier gehalten. Corona hat dann viel verändert: Alle sind jetzt nur noch für sich. Wenn ich mit meinem Hund durch den Stadtteil gehe, erlebe ich viel öfter Anfeindungen. Es gibt keine vernünftigen Gespräche mit den Leuten, das war vorher nicht so.

Es ist schön, dass wir hier den IGA-Park haben. Dort kann ich mit meinem Hund spazieren gehen. Und wenn Hanse-Sail ist, kann man hingehen und Schiffe angucken ohne den ganzen Andrang, der im Stadthafen ist. Die Konzerte im IGA-Park stören mich nicht – es sind ja geplante Veranstaltungen. Man kann auch mal hingehen und von außen zuhören. Man muss nicht immer gleich ein Ticket kaufen. Inzwischen ist das Gelände großräumiger abgesperrt, aber in den Sommern davor gab es nur eine Absperrung vor der Bühne. Da konnte man sich auf der Wiese eine Decke hinlegen und das Konzert hören. Das war sehr schön.

Und es gibt in Schmarl Ärzte und Einkaufsmöglichkeiten. Wir kaufen eigentlich gar nicht woanders ein, außer vielleicht mal im EDEKA in Lütten Klein. Aber ich fand den CITTI früher schöner als Kaufland. Da ist man durchgelaufen, hat eingekauft und wenn man wieder rauskam, war man auch noch satt, weil man von einem Kostprobenstand zum nächsten ging.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

N.N., lebt seit 1995 nach Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Wir sind im November 1995 aus Kasachstan nach Deutschland gekommen. Wir kamen in Hannover an und verbrachten dann zwei Wochen im Erstaufnahmelager Schönberg. Danach kamen wir in eine Unterkunft in der Nähe von Schwerin. Dort blieben wir bis meine Oma starb, die schon seit 1992 in Rostock lebte, zusammen mit meinen Eltern. Meine Oma ist 101 Jahre und 5 Monate alt geworden. Mein Vater lud uns zur Beerdigung ein und wir machten uns zu sechst auf den Weg: Mein Mann und ich, unsere drei Töchter und ein Enkelkind. In Rostock bekamen wir dann die Möglichkeit, zu sechst eine 2-Raum-Wohnung in der Parkstraße zu beziehen. Wir waren damit zufrieden – in der Unterkunft hatten wir nur ein Zimmer mit Doppelstockbetten gehabt. Doch schon kurz darauf, zum Januar 1996, bot man uns eine 4-Zimmer-Wohnung in Schmarl an, mit 76 Quadratmetern. Das war natürlich sehr gut. Unsere Möbel haben wir uns damals vom Sperrmüll geholt - zuerst zwei Couchen. Auf einer haben mein Mann und ich mit unserer jüngsten, damals zehnjährigen Tochter geschlafen. Wir hatten einen sehr guten Nachbarn, der früher bei der WIRO gearbeitet hatte und nun Rentner war. Er schenkte uns ein Klappbett, auf dem unsere älteste Tochter mit ihrem Baby schlafen konnte. In den nächsten Jahren unterstützte er uns sehr, wir hatten ein sehr gutes Verhältnis. Mein Mann hat ihm einige Jahre lang im Garten geholfen. So blieb es, bis der Nachbar sehr krank wurde und nach Groß Klein umzog. Danach ging der Kontakt leider verloren.

Als wir nach Deutschland kamen, konnten meine Töchter noch kein Deutsch. Ich dagegen schon, auch deshalb, weil meine Oma Deutsche war. Sie wurde 1894 an der Wolga geboren und sprach ihr Leben lang nur deutsch, kein Russisch. 1941 wurde sie nach Kasachstan verschleppt. Dort wohnte sie bis 1957, dann zog sie nach Russland zu ihrem jüngsten Sohn, um seine Familie zu unterstützen. Wenn uns Freunde besuchten und merkten, dass meine Oma nur deutsch sprach, fragten sie häufig: „Seid ihr Faschisten?“ Das war für uns schlimm, deshalb sagten wir dann immer: „Sei bitte ruhig, Oma, sprich nicht deutsch!“

Meine Mutter ist in der Ukraine geboren, mein Vater an der Wolga – und auch die Eltern meines Mannes stammen aus der Ukraine. Aber sie sind alle Deutsche. In der Ukraine gab es damals sogenannte „deutsche Straßen“. Und die Deutschen waren oft wohlhabend – sie hatten Häuser, Pferde, eine Kuh. Wohl auch deshalb mussten sie 1938 weg, nach Kasachstan. Das war eine lange Fahrt im Schnee, bei der viele Verwandte erfroren. 1992 sind meine Eltern und zwei meiner Brüder nach Deutschland übergesiedelt. Es war für die Deutschen in Kasachstan keine Frage, ob man fährt, sondern nur wann.

1999, meine beiden älteren Töchter waren schon ausgezogen, verheiratet und hatten eigene Wohnungen, zog meine Schwiegermutter zu uns in die Wohnung. Einige Zeit nach ihrem Einzug hatte sie einen Herzinfarkt und konnte die Treppe zu uns in den vierten Stock nicht mehr laufen. Also stellten wir bei der WIRO einen Antrag, dass wir in die gleiche Wohnung im Erdgeschoss umziehen konnten. Wir wollten unbedingt in Schmarl bleiben, weil es uns hier sehr gefällt. Erst sah es nicht so aus, als ob das klappen würde, aber nach einer Woche kam dann die gute Nachricht und wir zogen in eine Wohnung im ersten Stock um, hier in Schmarl. Meine Schwiegermutter war zufrieden, dass sie die Treppen nicht mehr gehen musste.

Mein Mann und ich haben hier sehr viel gearbeitet. Unsere älteren Töchter sind später aus Rostock weggezogen wegen der Arbeit – und unsere jüngste Tochter erfüllte sich den Wunsch, nach Berlin zu ziehen: Sie ging zum Studium an die Humboldt-Universität. Inzwischen wohnt sie in den Bergen, aber das ist nichts für uns: mein Mann und ich haben Asthma. Hier in Schmarl haben wir alles, was wir brauchen: Das Einkaufszentrum ist hier - und alle Ärzte sind hier oder in Lütten Klein. Der Bus hält vor dem Haus, wir können zum Friedhof nach Toitenwinkel. Und wir haben einen Garten. Wir gehen alle zwei Wochen zum Kegeln mit Freunden, ich singe im Chor. Alles ist da, uns gefällt es hier.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Diethelm M., Jahrgang 1964, wohnt seit 1995 in Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich bin von Beruf Bauingenieur, arbeite aber nicht in meinem Beruf. Ich habe mir Schmarl ganz bewusst als Wohnort gewählt, auch aus baulicher Sicht. Der Stadtteil wirkt in sich geschlossen und bietet auch heute noch alle Voraussetzungen für einfaches Wohnen ohne große Ansprüche. Das erste neue Einkaufszentrum, das in Schmarl nach der politischen Wende entstand, bot damals ein breites Angebot an Einkaufsmöglichkeiten – und auch Ärzte waren in dem Gebäude ansässig. Leider hat sich das alles sehr zum Negativen verändert. Seit Jahren beobachte ich eine zunehmende Verslumung, aber das ist in anderen Stadtteilen nicht anders. Öffentliche Gebäude stehen seit Jahren leer mit allen daraus resultierenden negativen Folgen. Ich bedauere sehr, dass es keine Bücherei und keine Bibliothek mehr im Stadtteil gibt.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Yvett K., Jahrgang 1968, wohnte in den 1990er Jahren in Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich bin Anfang der 1990er Jahre aus Lichtenhagen in eines der Schmarler Hochhäuser gezogen, nach meiner Trennung. Nachdem meine Kinder aus dem Haus waren, habe ich mir einen Hund zugelegt. Mit dem Hund bin ich oft an die Warnow gegangen. Man kann dort sehr schön spazieren gehen. Meine Wohnung lag sehr günstig hinter dem neuen Einkaufszentrum „Kolumbuspassage“. Dort gab es alles, was ich täglich brauchte. Sogar Ärzte verschiedener Fachrichtungen gab es in diesem Haus. Da ich gesundheitliche Probleme bekam und nicht mehr arbeiten konnte, wurde mir die Wohnung zu teuer und ich beschloss, mir eine kleinere zu suchen. In Schmarl wurde ich nicht fündig. Ich fand ein günstiges Angebot in Brandenburg, wo auch schon meine Kinder wohnten und verließ Rostock schweren Herzens.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Andreas Schneid, seit Anfang der 1990er Jahre Betreiber des Wossidlo-Clubs

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Der Stadtteil Schmarl ist der kleinste Stadtteil im Nordwesten von Rostock. Seine Besonderheit besteht auch vor allem darin, dass Schmarl in Vorbereitung einer internationalen Tagung der UNESCO über urbanes Bauen 1978 in Rostock als beispielgebend für damaliges industrielles Bauen unter den Bedingungen der DDR-Wirtschaft ausgewählt wurde. Dieser Umstand zog eine bevorzugte Projektierung nach sich. Daraus resultiert die im Vergleich zu anderen Stadtteilen besondere Infrastruktur: Es gab zentral gelegene Schulen, Kaufeinrichtungen, eine Sparkasse, ein Kino, ein großes Restaurant, ein Café, zwei Kneipen, zwei Jugendclubs und sogar eine Nachtbar. Erwähnenswert sind auch die besonderen Wohnformen: behindertengerechte Wohnungen zu ebener Erde mit einem kleinen Vorgarten und Maisonette-Wohnungen, die es in dieser Form in keinem anderen Stadtteil bisher gab. Kunst am Bau fand in Schmarl in der Fassadengestaltung und auch im öffentlichen Raum einen besonderen Ausdruck. Die prononcierte geographische Lage des Stadtteils, seine „festungsartige“ Anlage (Schmarl ist nur über 2 Straßenzugänge zu erreichen), die Nähe zur Warnow und zur Ostsee, die große Anzahl von Kleingärten und die gute Verkehrsanbindung machten Schmarl in den 1970er und 1980er Jahren zu einem sehr beliebten Wohnort, mit dem sich die Schmarler von Beginn an sehr stark identifizierten. Die Bewohner waren überwiegend Seeleute, Werft- und Hafenarbeiter und Angehörige der bewaffneten Organe. Auch die Namensgebung der Straßen soll die Nähe zur Seefahrt demonstrieren.

In einem kürzlich geführten Gespräch mit mehreren Menschen aus Schmarl wurde deutlich: Nach der Wende ist das meiste weggefallen, was den Leuten in Erinnerung ist. Bestimmte Infrastruktur, wie das große Speiserestaurant oder die Nachtbar – einmalig in einem Neubaugebiet –, gab es damals nur hier in Schmarl. Es gab ein Kino, auch das war ungewöhnlich. Und zwei Kaufhallen, in einem relativ kleinen Stadtteil mit relativ wenigen Bewohnern. Lütten Klein und Evershagen beispielsweise waren ja deutlich größer. Andererseits: Wir hatten hier zur Wende 13.000 Einwohner, vor 1989 waren es 16.800, das war schon eine Kleinstadt und so war Schmarl da eben auch ausgestattet. Das einzige Manko, was auch gleich nach der Wende moniert wurde, ist die Tatsache, dass es hier keine Anbindung an den Nahverkehr gab. Jetzt fährt der Bus hier durch. Ich bin ja 1991 zum Vorsitzenden des Schmarler Ortsbeirates gewählt worden, das war ich bis 1994 – dann ging das nicht mehr, weil ich zwar im Stadtteil arbeitete, aber nicht hier wohnte. Dabei war ich mehr vor Ort als bei mir zu Hause.

Auch ich selbst habe unmittelbar nach der Wende erlebt, dass für viele hier Lebensqualität verloren gegangen ist. Der Wossidlo-Club war vor 1989 ein Haus des Kulturbundes – so eine Kultureinrichtung gab es nicht in jedem Stadtteil. Der Club hatte nicht nur hauptamtliche Mitarbeiter, sondern auch richtig viel Budget. Hier haben sich ehemalige Schriftsteller der DDR die Klinke in die Hand gegeben, hier gab es Lesungen usw. Damals sah er natürlich auch noch anders aus: vor allem die Bestuhlung war anders. Hier gab es 25 schwere Clubsessel mit einem kleinen Tisch dazu und einer Stehlampe, es hatte ein bisschen Wohnzimmer-Charakter. Zu DDR-Zeiten hab es hier 400 eingetragene Club-Mitglieder, nicht einmal sie kamen regelmäßig zu Veranstaltungen hier rein. Damals waren es dann immer die gleichen, die herkamen, weil sie die besten Verbindungen zur Klubleitung hatten. Die Schriftsteller haben ja für ihre Lesungen auch Geld bekommen, das Honorar konnte frei ausgehandelt werden. Grundsätzlich war es relativ hoch, auch mit Übernachtung und so weiter. Wer hier oben Urlaub machte, hat das oft mit einer Lesung verbunden. Ich selbst war früher beim Bezirkskombinat für Kulturarbeit und dort für staatlich geleitete Clubs und Kulturhäuser zuständig. Mit dem Kulturbund hatte ich relativ wenig zu tun, aber ich kannte natürlich die Leute, die dort arbeiteten. In Rostock hatte der Kulturbund zwei Häuser, das andere in der Herrmannstraße. Das ging in den 1990er Jahren an eine Erbengemeinschaft aus Hamburg zurück. Ich habe das Haus hier 1991 übernommen. Wossidlo war ein Rostocker Universitätsprofessor, der zur niederdeutschen Sprache geforscht hat, aber schon 1935 gestorben ist. Das Wossidlo-Archiv in Rostock gibt es seit DDR-Zeiten und bis heute. Der Kulturbund hatte es sich ursprünglich zur Aufgabe gemacht – deshalb heißt das Ding auch Wossidlo-Club – sich vorrangig mit niederdeutscher Sprache zu beschäftigen. Das hat dann so nicht stattgefunden, das Programm hier war relativ bunt. Geld für Kultur gab es damals genug und alles, was interessant war, konnte man sich „einkaufen“. Es musste ja kein Geld verdient werden – Kultur war und ist ein Bereich, der subventioniert werden muss.

Nach der Wende entstand hier in Schmarl mit der sogenannten Kolumbuspassage das erste Einkaufszentrum westlicher Bauart im gesamten Neubaugebiet. Und auch die erste Tankstelle westlicher Bauart – AGIP – eröffnete hier in Schmarl. Die Kolumbuspassage und den Springbrunnen haben damals die Gebrüder Sindram gebaut. In die Passage zogen unter anderem ein Allgemeinmediziner, eine Fußpflege, eine Apotheke und ein Friseur. In der oberen Etage gab es ein chinesisches Restaurant und ein Sportstudio. Damals war das Gebäude relativ gut ausgelastet, jetzt ist alles weg.

Wenn ich an meine Tätigkeit im Ortsbeirat zurückdenken: Eigentlich hatten wir da gar nichts zu sagen, sondern lediglich das, was man „Zustimmungsrecht“ nannte. Das fand ich idiotisch. Aber man bekommt dort eben auch Informationen, die man über die Presse publik machen kann, das mögen dann die Ämter nicht. So erfuhren die Schmarler vom geplanten Bau der Passage – und haben dagegen protestiert. Die Gründungsarbeiten liefen schon, auf der ehemals freien Fläche. Und nun wehrten sie sich, unter dem Motto: „Seid nicht so fiese, nehmt uns nicht unsere Hundewiese!“ Die sind da ja damals mit den Hunden spazieren gegangen und keiner von den Schmarlern sagte damals: Wir brauchen hier jetzt ein Einkaufszentrum. Der Antrag kam von den Westleuten, die gesagt haben, wir wollen hier was bauen, hier ist Platz. Die tauchten bei mir hier im Club auf und erzählten mit, was sie vorhatten. Ähnlich war das dort, wo jetzt Haus 12 steht. Früher, zu DDR-Zeiten, standen da Behinderten-Garagen. Dann wurde ein Einkaufszentrum dorthin gesetzt, das eigentlich gar nicht genehmigt war – Bauherren waren zwei Rechtsanwälte aus Bremen, die mit einem Strohmann eine Hochgarage hier in Schmarl bauen sollten. Dafür gab es eine Genehmigung. Dann haben sie ein Einkaufszentrum daraus gemacht. Heute ist da ein Sozialkaufhaus.

Außerdem gab es in Schmarl früher mal eine Art Seemannskneipe - den „Blauen Peter“. Den gab es auch noch nach der Wende. Er wurde von der HO [der Handelsorganisation der DDR – Anm. d. Red.] irgendwie privatisiert und dann auf westlichen Standard umgebaut. Letztlich war es aber so, dass die Angestellten vom „Blauen Peter“ nach Feierabend in den Wossidlo-Club kamen, weil hier eine andere Atmosphäre war. Dafür habe ich immer gesorgt, das war wichtig. Das soll hier das verlängerte Wohnzimmer sein. Hier wurde alles besprochen, von der Arbeitslosigkeit über Eheprobleme. Früher standen sie hier auch in zwei Reihen vor der Theke, das war wesentlich. Hier waren ja viele Werftarbeiter und viele, die im Überseehafen gearbeitet haben, die wurden arbeitslos. In vielen Fällen bekamen die eine relativ hohe Abfindung und fühlten sich erst einmal wie im Schlaraffenland. Ihnen war nicht klar, dass beispielsweise ein Betrag von 50.000 DM gar nicht lange reicht. Sie haben dann hier Saalrunden geschmissen und so was, da war das Geld relativ schnell alle. Sie hatten kein Verhältnis zu dieser Menge Geld, das ihnen mit einem Mal zur Verfügung stand. Es gab Scheidungen ohne Ende, das war auch so eine Folge der Wende. Und nach dem neuen Scheidungsrecht mussten sie dann Alimente in Größenordnungen bezahlen. Für sehr viele Menschen war die Wende ein absoluter Eingriff in ihr Leben, die kamen nicht wieder auf die Beine. Wer damals fünfzig Jahre alt war und bei der Werft rausflog, fand nie wieder einen Job. Da wurden viele nach dreißig Jahren auf der Werft von einer ABM in die andere geschoben – und haben damit dann später auch kaum Rente bekommen.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Heidi Wachtel, wohnt seit 1985 in Schmarl und blickt auf dreißig Jahre Engagement für den Stadtteil zurück

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Wenn ich auf die letzten Jahrzehnte zurückblicke, kann ich sagen, dass es ein arbeitsreicher und auch sehr schöner und intensiv erlebter Zeitraum für mich war. Vor dreißig Jahren hatte ich eine Vision, wie der Freizeitbereich der Schmarler Bevölkerung bereichert werden könnte. Aber all diese schönen Angebote, die Begegnungen und vielseitigen Erlebnisse bis hin zu den jetzigen großartigen Projekten, die sich in unserem “Haus Mandala“ befinden, konnten nur in einer großen Gemeinsamkeit mit vielen Mitstreiter*innen, Anwohner*innen und Bekannten und nicht zuletzt mit der immerwährenden Unterstützung meiner Familie entstehen und durchgeführt werden. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle gleich als erstes bei allen für diese erfüllende Zeit bedanken.

Ich zog mit meiner Familie vor rund vierzig Jahren nach Schmarl, in dieser Hinsicht sind wir „alte Schmarler“. Vor der Wende war Schmarl bekannt für sein Einkaufszentrum. Die Menschen kamen sogar von außerhalb dorthin. Es gab in Schmarl damals noch ein Kino und ein Vielen bekanntes Restaurant – das Varna. Für diese Dinge war Schmarl vor der Wende bekannt. Dann kam die Wende und alles war im Umbruch. Die Arbeitslosigkeit nahm auch in unserem Stadtteil stark zu, viele waren auf einmal ohne Arbeit zu Hause, das Kino und das Restaurant brannten ab, das Einkaufszentrum fing an zu zerbröckeln.

Gemeinsam mit anderen Frauen aus dem Umfeld beschlossen wir, etwas für den Stadtteil zu unternehmen. Wir überlegten in einer Frauenrunde, wie wir selbst für Schmarl ein Angebot schaffen könnten, bei dem alle zusammenkommen, wo man sich begegnet, Anregungen findet und auch über Nöte und Probleme sprechen kann.

Und so trafen wir uns am 25.10.1995 und gründeten einen Verein. Wir konnten dafür keinen besseren Namen als „Begegnungsstätte“ finden, denn genau das sollte es ja werden. Als nächstes suchten wir nach Räumen. Die ehemaligen Räume der Ostsee-Sparkasse im Kolumbusring gehörten zu „Spar“, die hatten auch die große Kaufhalle übernommen. Ich sprach mit dem Verantwortlichen, der unser Anliegen toll fand und uns Unterstützung versprach. Er zeigte uns einen großen Raum, mehrere Nebenräume und eine Toilette. Das reichte uns. Außerdem konnten wir gut erhaltene Sachen aus dem ehemaligen Kino und Restaurant weiter nutzen, beispielsweise Geschirr, Tische und Stühle. So entstand ein sehr schöner Raum direkt im Zentrum von Schmarl, den wir dann ab 01.01.1996 eröffneten.

Wir plakatierten an den Fenstern: „Wer hat Lust mitzumachen? Wir sind offen für alle Ideen!“ Wir wollten vor allem das Umfeld, die Schmarler*innen erreichen. Und weil wir mitten im Zentrum lagen, kamen auch wirklich viele Menschen vorbei, so dass wir schon kurz nach der Eröffnung der Räume viele Ideen und Mitstreiter*innen hatten. So konnten wir ganz schnell viele unserer Ideen umsetzen.

Dabei entstand beispielsweise der Montags-Tanznachmittag für Senioren, weil ein Nachbar sein Radio und seine CDs mitbrachte und alle Senioren der Umgebung einlud. Dienstag vormittags trafen sich tanzlustige Frauen unter der Leitung von Frau Meier und auch für die Kinder entstanden viele unterschiedliche Angebote.

Wir hatten zunächst unser privates Geld genommen, um die Miete zu bezahlen, die damals unsere einzige Ausgabe war. Alles andere übernahmen „Ehrenamtler“. Ich bin dann trotzdem zum Arbeitsamt gegangen und beantragte ABM-Stellen. Damit wurde aber der bürokratische Aufwand unglaublich umfangreich. Für jedes konkrete Projekt mussten wir Gelder neu beantragen, beim Arbeitsamt, dem Jugendamt oder beim Kulturamt bzw. bei verschiedenen Stiftungen. Das hieß eben auch: Anträge schreiben und alles richtig abrechnen und wieder dokumentieren.

Ende 1996 mussten wir dann aus den Räumen ausziehen, weil „Spar“ uns mit den Räumlichkeiten nicht mehr unterstützen konnte – da war zunächst unklar, wie es weitergehen würde. Aber, wie so oft im Leben, fand sich auch hier eine Lösung. Wie man sagt: Wenn eine Tür zugeht, geht eine andere auf. Ich bekam aus dem Ortsbeirat den Tipp, dass unser jetziges Haus im Stephan-Jantzen-Ring 32 als Kindergarten aufgegeben werden sollte. Die KOE als Vermieterin machte mit uns einen Mietvertrag und wir konnten den früheren Kinderwagen-Raum anmieten. Damit zogen wir allerdings vom Schmarler Zentrum in den südlichen Teil des Stadtteiles. Das bereitete uns zunächst Sorge. Aber alle fühlten sich in unserer Begegnungsstätte so wohl, dass wir sämtliche Angebote mit in die neuen Räume nehmen konnten. Zusätzlich ergab sich die Möglichkeit, die ehemalige Küche des Kindergartens anzumieten.

Nach der Schließung des ehemaligen Kindergartens fehlte es damals an Freizeitangeboten für die jüngeren Schulkinder unseres Umfeldes – die „Schlüsselkinder“, wie wir sie nannten. Sie kamen deshalb gerne zu uns. Wir haben angefangen, in der Küche Mahlzeiten für die Kinder zu kochen. Eine arbeitslos gewordene Köchin übernahm dies und alle sagten: „Die kocht wie bei Muttern zu Haus“. Dadurch konnten wir den Kindern anbieten, nach der Schule zum Mittagessen zu uns zu kommen. Anschließend blieben sie dann am Nachmittag bei uns, wir organisierten Beschäftigungen für sie – erst einen Mädchentreff, kurz darauf einen Jungentreff. Außerdem gab es noch viele andere Projekte, wie z.B. „die Naturranger“. Der erste „Kinderortsbeirat“ wurde gegründet. Das Schwarzlichttheater und auch die „Kinderdisco“ waren immer voll ausgebucht.

In unserem „Erzählcafe“ richteten wir für viele Anwohner deren Familienfeste aus. Dieses Angebot wurde auch sehr schnell bekannt und beliebt.

1997 haben wir einen Kindergarten eröffnet. Wir hatten vorher eine Mutter-Kind-Gruppe bei uns. Einige der Mütter konnten nach der Babypause arbeiten oder eine Weiterbildung machen und wünschten sich eine kleine Kita. Mit einer arbeitslos gewordenen Mitstreiterin, die vorher als Kindergärtnerin tätig war, erarbeiteten wir ein Projekt für eine Kleinstgruppe. So entstand nach der Genehmigung durch den Jugendhilfeausschuss diese Kleinst-Kindergarten Gruppe, die wir „Käferbude“ nannten – und die Begegnungsstätte wurde zum Träger der Kita.

In meiner „Freizeit“ war ich aktiv in den verschiedenen Schmarler Gremien und konnte so vieles für die umliegende Bevölkerung anschieben und auch durchsetzen. Durch die gute Zusammenarbeit mit den anderen Vereinen, die es zu dieser Zeit in Schmarl gab, führten wir gemeinsam Stadtteilfeste und beispielsweise auch die Martinsumzüge durch.

Im September 1999, wir hatten gerade gemeinsam ein tolles Stadtteilfest organisiert, kam von der KOE die Information, dass wir aus unseren Räumen ausziehen müssen. Offenbar wollte man das Haus abreißen, weil es sich nicht mehr „rechnete“. Wir erfuhren kurz darauf, dass alles schon fest geplant war. Man bot uns an, in den Vitus-Bering-Ring 5 umzuziehen. Dort waren damals viele Vereine. Heute steht das Gebäude jedoch nicht mehr. Wir protestierten: Das geht so nicht, wir wollen an diesem Standort bleiben. Wir hatten so eine Klientel, die hier wirklich zu Hause war, allein schon die Kinder und Senioren. Wir hatten so viel Unterstützung von Ehrenamtlichen, die hatten hier eine Aufgabe und auch Halt gefunden. Bei einer Begehung waren viele Bürger aus dem unmittelbaren Umfeld hier, um uns zu unterstützen. Der Ortsbeirat stand hinter uns, aber: Letzten Endes mussten wir wieder einmal „eben alles selbst machen.“

Wir fingen an zu überlegen und zu rechnen, wie wir das Haus auslasten könnten. Es war klar, dass wir es nicht zum Nulltarif bekommen würden und am Ende kostete es wirklich viel Geld. Unser Argument, dass die Stadt ja die Kosten für den Abriss sparen würde, half da nicht viel. Am Ende gründeten wir einen zweiten Verein, den „Mandala e.V.“. Wir nahmen einen Kredit auf, mit dem wir dann im Jahr 2000 das Haus kaufen konnten.

Da die Jugendherberge in Warnemünde umgebaut wurde, konnten wir uns von dort Betten und Schränke holen – und das taten wir auch, gemeinsam mit vielen Mitstreitern. Die ersten Mieter, die das „Haus Mandala“ nutzten, waren die „Weidendom-Bauer“. Vieles war noch nicht fertig als sie kamen, zum Beispiel die Bäder, die ja noch vom früheren Kindergarten stammten. Die Besucher amüsierten sich sehr über die kleinen Toiletten. Es war für uns alle eine schöne Zeit. Die Nächte für uns waren kürzer. Nach dem die „Weidenbauer“ mit der Arbeit fertig waren, richteten wir Übernachtungsmöglichkeiten für Klassenfahrten und für die Sportgruppen, die in Rostock ihr Turnier hatten, ein. Außerdem ist die Kita in dieser Zeit enorm gewachsen. Am Anfang hatten wir dort ja nur 24 Plätze, aber es kamen immer mehr Anfragen. Jedes Jahr erweiterten wir diese ein Stück mehr.

Durch das Erzählcafé, hatten wir Kontakte zu vielen älteren Bewohnern. Von denen sagten viele: Wir möchten nicht in ein Altenheim, brauchten aber eben altersgerechte Wohnungen. Und sie wollten nicht weg aus Schmarl. Diesen Wunsch haben wir aufgegriffen und mit der Genehmigung der Krankenkassen eine Tagespflege eröffnet, damals gab es noch nicht so sehr viele. Wieder ein neues Arbeitsfeld, in das ich mich erst einmal einarbeiten musste.

Wir dachten auch viel darüber nach, wie man die Senioren länger betreuen konnte als nur tagsüber. Wir wollten ja für die Leute da sein. Also beschloss unser Verein, das Haus nochmal umzubauen. Es war natürlich auch wieder ein kleiner Kampf, aber letztendlich sind hier nun fünfzehn sehr schöne Wohnungen für ein „betreutes Wohnen“ entstanden. Und das Schöne darin ist, dass der Ambulante Pflegedienst „Mandala“ auch im Haus sitzt und wir somit eine Betreuung und medizinische Versorgung anbieten können.

Von Anfang an haben wir uns immer an den Bedürfnissen der Menschen unseres Wohnumfeldes orientiert. Dementsprechend hat sich der Charakter dieses Hauses öfter gewandelt. Die KITA und die Bewohner des Hauses erleben heute gemeinsam viele schöne Stunden. So kommen z.B. regelmäßig die Kinder des Kindergartens zum Geburtstag der Bewohner und zeigen uns, wie schön sie singen können. Oder die Senioren besuchen die Kinder auf dem Hof, beispielsweise zum Kindertag oder wenn der Weihnachtsmann mit einer Kutsche vorbeikommt.

Im Herbst steht nun unser 30-jähriges Vereinsjubiläum der Begegnungsstätte Schmarl an. Ich hoffe, dass wir dies mit vielen Menschen, die mit mir ein Stück des Weges gemeinsam gegangen sind, begehen können. Ich erlebe jetzt eine Zeit, in der ich auf das Geschaffene zurückschauen und sehen kann, dass es immer irgendwie weiter geht.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Andreas Toman, Jahrgang 1971, kennt Schmarl seit den 1980ern und arbeitet bis heute dort

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Schmarl wurde damals als Edel-Stadtteil geplant, es gab Künstler-Ateliers und viele Leute aus der Stadtverwaltung und ranghöhere Armeeangehörige wohnten hier. Ich war leider noch nie oben in einer der Atelier-Wohnungen, aber ich weiß, dass es solche in den Wohnungen im Kolumbusring Nordlicht gibt, damit die Wirkung der Farben nicht durch die tageszeitabhängigen Lichtverhältnisse beeinflusst wird.

Meine Mutter hat früher in der Warnow-Apotheke in der Rostocker Innenstadt gearbeitet. Dann wurde sie 1988 die Leiterin der Hans-Valentin-Apotheke in Evershagen. In Schmarl befand sich zu der Zeit eine der dazugehörigen Ausgabestellen im Hochhaus im Nikolai-Kusnezow-Ring, dem heutigen Kolumbusring. Eine eigenständige Apotheke gab es hier nicht. Nach der Wende war ihr die Apotheke in Evershagen zu groß. Schmarl fand sie besser, also behielt sie den Schmarler Teil. 1990 ist sie mit der Apotheke in die Roald-Amundsen-Straße gezogen.

Der Name „Pinguin-Apotheke“ war dann recht schnell gefunden: Apotheken heißen häufig nach Tieren, meistens mystische Tiere, und oft nach Vögeln - ein spannendes Thema für die Forschung im Gebiet „Geschichte der Pharmazie“. Die Schmarler Straßen sind alle nach berühmten Seefahrern in den Polargebieten benannt, deshalb haben meine Oma und meine Mutter überlegt, welches Tier als Namensgeber in Frage kommen könnte. Der Pinguin war der Favorit: Er ist sympathisch und Pinguine haben Roald Amundsen auf seinen erfolgreichen Expeditionen begleitet, deshalb also „Pinguin“. Der Norweger Roald Amundsen war der erste Mensch am Südpol.

Meine Mutter hat sich damals sehr bewusst für Schmarl entschieden. Dieses Kleine und etwas Abgeschlossene hier, das hat fast schon etwas Dörfliches. Dazu passt auch, dass man aus vielen Wohnungen ins Grüne schauen kann. Sie war Apothekerin mit Leib und Seele. Dazu gehörte auch, dass man ständig vor Ort ist. Das klingt heute ein bisschen anachronistisch, aber ich finde das cool. Wenn ich im Fernsehen Sendungen über altes Handwerk sehe, Schuhmacher, Sattler, Schneider, dann wird mir klar, dass wir im Grunde genauso arbeiten. Und das schon seit langem: Vor 300, 400 Jahren lief das nicht sehr viel anders ab. Da gab es nicht so viele Kunden in der Apotheke, weil sich das kaum einer leisten konnte. Aber heute kann es sich jeder leisten und es ist auch schön, für die Leute da zu sein.

Ich bin in der Apotheke groß geworden, wurde dann aber erstmal Vollmatrose mit Abitur, weil ich zur See fahren wollte. Dann kam die Wende und die Seefahrt als Beruf stand plötzlich in Frage. Gleichzeitig dachte ich: Gesundheit, Pharmazie, das wird es immer geben. Heute sehe ich das etwas anders, auch dieses Feld ändert sich und wo wir da landen werden, ist auch noch eine Frage. Außerdem wünschte ich mir eine Familie und dazu passte die Seefahrerei nicht wirklich. Ob ich das so haben möchte, dass meine Kinder zu mir Onkel sagen? Also studierte ich Pharmazie und zwar im Westen, weil es damals so ungewiss war, welche Fakultäten man hier in M-V bzw. von den „fünf Neuen“ erhält und welche schließen würde. Neun Jahre habe ich in Braunschweig gelebt und meine Mutter hier nur besucht, aber auch Praktika in verschiedenen Rostocker Stadtteilen gemacht, auch in der Krankenhausapotheke. Ich war also immer mit Rostock in Kontakt. Ich war auch zum Umzug der Apotheke hier, 1995/96 von der Roald-Amundsen-Straße zurück in den Kolumbusring hier, weil das dortige Ärztehaus mehr oder weniger aufgelöst wurde. Unsere Apotheke hätte eigentlich in die Räume einziehen sollen, in denen heute der Döner ist, deswegen ist der Tresen da, wo er jetzt ist. Aber leider war die Fläche zu klein. Die deutschen Vorschriften verlangen eine Mindestfläche von Apotheken. Also zogen wir sehr kurzentschlossen in die Räume der ehemaligen Sparkasse, und darum sind hier auch noch die Gitter vor den Fenstern.

Aber auch sonst war ich an den Wochenenden oft hier und so habe ich in Schmarl zum Beispiel auch meine spätere Frau kennengelernt – an der Tankstelle am Schmarler Damm.

Als ich nach dem Studium zurückkam, wäre ich ohne Zögern in die ehemaligen Apothekenräume gezogen, aber natürlich ist das kein Wohnraum. Dieses Objekt hier in der Roald-Amundsen-Straße 24 fand und finde ich immer noch total spannend.

Insgesamt hat sich Schmarl als Stadtteil in den 1990er Jahren sehr verändert und im Grunde war es ein Niedergang. Eines der steingewordenen Symbole dafür ist die Einkaufspassage „Messeblick“. Sie lag damals, als noch gar nicht klar war, dass der Warnowtunnel kommen würde, direkt auf dem Weg nach Groß Klein, in einem hochgradig interessanten Gebiet. Damals führte ein Schleichweg aus der Stadt und durch Schmarl hindurch, dort, wo heute der Schmarler Damm langgeht am IGA-Gelände vorbei. Da war richtig Bambule auf der Ecke. Der „Messeblick“ wurde vermutlich geplant, ehe man an Warnowquerung und den IGA-Park überhaupt nur dachte. Das muss also in den 1990ern gewesen sein. Ähnlich ist es mit der Kolumbus-Passage. Sie wurde 1994/95 gebaut, weil man wohl dachte: Von den fünfzehntausend Schmarler Einwohnern gehen hier bestimmt jeden Morgen sieben- oder achttausend auf dem Weg zur S-Bahn vorbei. Und so war es in den 1990ern auch, da nutzte halb Schmarl zweimal täglich diese Hauptverbindung zum Bahnhof Lütten Klein. Dann kam der Bauboom und viele zogen weg, wer es sich leisten konnte, fuhr mit dem Auto. Übrig blieben die, die morgens nicht mehr zur Arbeit müssen und die erhofften Kundenmengen blieben aus.

Im Zentrum von Schmarl gab es früher noch das Varna, ein Restaurant mit bulgarischer Küche. Ich hatte eine Freundin im Kolumbusring (die Frauen aus Schmarl sind offensichtlich bestimmend in meinem Leben), die ging in die 63. POS. Mit der Schulklasse hatte meine Klasse aus Evershagen zusammen Tanzstunde. Deswegen war ich dann oft hier. Ich hatte hier viele Freunde und mit denen gingen wir oft hier in Schmarl ins Kino. Essen gingen wir nur manchmal, das kann man sich mit 15 oder 16 nicht leisten, aber ein Bier für 50 Pfennig, das ging schon.

Die Jugend von Schmarl ist in den 1990er Jahren immer ins Shanty gegangen. Das war eine Disco, benannt nach dem gleichnamigen Betrieb (VEB Jugendmode), den es dort in den 1980er Jahren gab. Im VEB „Shanty“ habe ich immer PA-Unterricht gehabt, Produktive Arbeit, das war in der DDR ein Unterrichtsfach. Im PA-Unterricht haben wir in der 7. Klasse nähen gelernt, das war noch im Schulgebäude in Evershagen. Ab der 8. oder 9. Klasse ging es dann rüber zum eigentlichen Hauptwerk von Shanty. Die Jungs haben im Lager Kisten gepackt und sind Hubstapler gefahren, die Mädchen mussten Jeanshosen nähen. Das war richtig harte Arbeit. 7.30 Uhr ging es los, die Arbeitszeiten orientierten sich am Schulunterricht. Shanty produzierte auch fürs Ausland, den Quelle-Versand im Westen. Da waren auch Sachen dabei, die man in der DDR gar nicht kannte, beispielsweise Thermohosen. Insofern ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass da auch Dinge geklaut wurden. Aus meinem Schuljahrgang – wir waren immer drei Klassen – sahen dann am Ausgang einige aus wie Michelin-Männchen, weil sie Sachen unter ihren Klamotten rausschmuggelten. Das gab richtig Ärger. Aber es wurden auch die typischen DDR-Klamotten genäht: Wisent-Jeans und sowas. Diese Kleidung ist immer noch ein Trauma für Alt-DDR-Bürger. Ich bin unter anderem deswegen zur See gefahren. Meinen ersten richtigen Breakdown hatte ich, als ich zum ersten Mal in Hamburg Landgang hatte und wir uns unsere Heuer hatten ausbezahlen lassen. Wir bekamen damals 1,50 DM pro Tag als Lehrling und ich hatte mir 15 oder 20 West-Mark für die Atlantiküberfahrt auszahlen lassen. Damit wollte ich mir in der Mönckebergstraße eine Levi’s-Jacke kaufen und bin dann umgefallen, als ich sah, was die kostete: 130 DM, und die Jeans auch 70 oder 80 DM. Ich habe gedacht: Alter, dafür fahre ich mein ganzes Leben.

Wenn ich mein Leben als roten Punkt auf einer Karte sehen würde, dann wäre der hier in Schmarl. Vielleicht noch ein bisschen in Lütten Klein, aber im Kern ist das hier ein großer roter Punkt. Und damit geht es mir eigentlich gut. Mir fehlt nicht viel, ich bin kein Reisemensch. Ich bin gerne unterwegs, aber ich brauche nicht dringend Palmen oder so was.

Wenn Sie mich nach Geschichten aus der Apotheke fragen: Oft sind es ja die Ärzte, die irgendwas mitkriegen. Und der Draht hier ist dann eben so kurz, dass die dann aus der Häuslichkeit anrufen und sagen: „Ich habe hier das und das. Kannst Du nicht mal was rumbringen oder kriegen wir das heute noch hin, dass…?“ Was das angeht, ist Schmarl absolut dörflich. Hier ist auch alles dicht beieinander. Wenn beispielsweise einer aus dem Hochhaus in der Roald-Amundsen-Straße anruft und ein Medikament braucht, muss ich doch keinen Kurier rufen, da geht man schnell mal hin, das dauert fünf Minuten, da liefert man das. Hier geht vieles auf dem kurzen Dienstweg, das schätze ich sehr und die Ärzte auch.

Eine Geschichte fällt mir noch ein, die hat auch was mit dem Pinguin zu tun: Eine meiner langjährigen Patientinnen kam rein, als wir mal wieder den Pinguin als Schaufensterdeko hatten. Sie fragte mich: „Weiß der Pinguin das?“ Ich hab nachgefragt, weil ich das nicht verstand, und sie antwortete: „Na ja, das mit der Nachbarin, dass ich da so geguckt hab.“ Hm, habe ich gedacht, das klingt jetzt nicht so, als wäre da alles normal. Ich habe sie gebeten, sich hinzusetzen und habe mich ein bisschen mit ihr unterhalten. Sie war mit Sicherheit in einer psychotischen Phase. Also habe ich nachgesehen und festgestellt, dass sie eine Woche zuvor neue Tabletten geholt hatte, aber eben die falschen: nur die 25er, nicht die 100er. Gott sei Dank fühlte sie sich von dem Pinguin angesprochen und wollte sich mit mir darüber unterhalten. Also habe ich dann das mit den falschen Tabletten ihrer Neurologin gesagt und wir haben die Dosis wieder hochgesetzt und so ist das dann wieder ins Lot gekommen. Wenn niemand da gewesen wäre, wäre sie eingeliefert worden. Das ist dann wieder das Dörfliche hier. Aber man sieht hier ganz viele Menschen, bei denen man denkt: Wer kümmert sich jetzt? Das ist keine schöne Geschichte, aber eine die zeigt, so ganz unwichtig kann man hier nicht sein. Und solange ich das noch leisten kann, würde ich das gerne tun.

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07. May 2025
Schmarl > Geschichten

Corinna J., Jahrgang 1962, lebt seit 2006 in Schmarl

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich bin von Beruf Facharbeiter für Gastronomie, aber seit Jahren arbeitslos. Ich habe zu DDR-Zeit gerne die Gaststätte „Rostocker Pott“ besucht. Leider ist hier in Schmarl jetzt alles bis auf den Wossidlo-Club geschlossen. Ich würde mir auch Tanzveranstaltungen wünschen, damit man mehr unter die Leute kommt. Ich habe eine schöne Kindheit in Warnemünde und Evershagen verbracht und habe mich zu DDR-Zeiten sehr viel wohler gefühlt. Als die Wende kam, zog ich nach Hamburg, Arbeit hast du da immer gekriegt. Nach meiner Rückkehr im Jahr 2006 habe ich erstmal bei meiner Schwester gewohnt, das wurde aber zu eng. 2007 habe ich dann die Wohnung hier in Schmarl bekommen, hier gab es damals eben Wohnungen. Aber ich musste mich erstmal einleben, hatte das Gefühl, dass hier schon um halb oder um neun die Bürgersteige hochgeklappt werden. Man musste erstmal suchen, wo man dann noch hingehen und etwas erleben konnte. Dabei war es damals noch besser als jetzt. Jetzt kannst Du nirgendwo mehr groß hingehen. Die Corona-Zeit hat da viel kaputt gemacht, dieses ganze Vereinzeln während der Pandemie. Die Gäste kommen einfach nicht mehr. Der Wossidlo-Club ist die einzige Gaststätte, die es hier noch gibt. Hier ist es sehr gemütlich, das ist hier noch erhalten, finde ich. Und die meisten Leute kennt man hier nicht unbedingt näher, aber zumindest vom Sehen und Sprechen. Nach Corona sind ja viele Kneipen und Gaststätten kaputtgegangen, darunter auch der Rostocker Pott, der ja auch schön gemütlich war und in dem man im Sommer schön draußen sitzen konnte. Irgendwie hat das in den Jahren alles abgenommen. Die Leute, die man so kennt, werden alle älter – und junges Gemüse, das nachrückt, ist kaum da. Cafés gibt es auch nicht, selbst der Bäcker, der mal im Schmarler Zentrum war, ist inzwischen ausgezogen. Einkaufen gehe ich überall, heute war ich z.B. im Lidl, sonst gehe ich auch zum Penny oder, wenn ich etwas dringend brauche, zum roten Netto. Da wo heute der Penny ist, war ja früher ein Springbrunnen – der musste dann weichen, als der Supermarkt gebaut wurde.

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07. May 2025
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