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Philipp G., Jahrgang 1981, zog 2009 nach Lichtenhagen
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche") . . 30. Apr 2024

Ich bin zum Studium nach Rostock gekommen und dann erstmal „durch die Stadtteile marodiert“: Meine erste Wohnung war in Schmarl, dann ging es in die KTV. Danach folgte das Bahnhofsviertel und 2009 die erste Wohnung in Lichtenhagen, in der Güstrower Straße. Das war denn eine 5-Raum-Wohnung, oder, wie man auch sagte, eine 3-2/2-Wohnung. 2012 sind wir in eins der Würfelhäuser in der Sternberger Straße gezogen. Dort gab es eine schöne Hausgemeinschaft – in der haben wir insgesamt sechs Jahre gelebt. Und dann stand wieder ein Umzug an, weil wir Familienzuwachs bekamen und eine größere Wohnung brauchten.


Die Entscheidung, in Lichtenhagen zu bleiben, haben wir ganz bewusst getroffen. Hier gab es alles, was wir brauchten. Als unsere Tochter noch klein war, war die Hausärztin gleich hier drüben im Sonnenblumenhaus, das war ein Gang über die Straße. Zum Einkaufen war es auch nicht weiter. Die Nachbarschaft war gut, wir kamen mit den Leuten immer sehr gut zurecht. Die ehemaligen Nachbarn aus der Sternberger Straße treffen wir bis heute, das ist immer noch schön. Ich mag den Lichtenhäger Brink, das ist ein Highlight im Frühling, wenn die Kirschblüte losgeht. Wir nutzen auch viel und seit langem den „in Natura“-Kinderbauernhof vom ASB und auch den Lichtenhäger Bürgerpark. Insgesamt finde ich, dass Lichtenhagen unterbewertet ist. Wenn wir mit Freunden reden, die in der Innenstadt wohnen, wird immer klar, wie gut wir es hier haben: Die direkte Nähe zum IGA-Park, zum Wasser, entweder der Warnow oder Warnemünde - schnell hoch mit dem Fahrrad, Sportplätze, Spielplätze an jeder Ecke.


Dass es hier so gute Nachbarschaften gibt, liegt sicher auch daran, dass man miteinander redet, sich höflich begegnet oder auch mal hilft. Wenn bei uns jemand klingelt und nach Hilfe fragt, ist das in Ordnung. Die Leute haben mitgekriegt, dass ich Elektroingenieur bin und wenn jetzt ein Herd oder so anzuschließen ist, dann fragen sie natürlich schon mal nach. Aber bisher war das in jedem Haus so, das Miteinander gestaltet sich ja, und da ist man auch Teil davon. Mit kleinen Kindern ist das natürlich besonders intensiv – die sind einfach sozialer Klebstoff, vor allem zu Nachbarn, die auch Kinder haben.


Von draußen gucken die Leute auf den Stadtteil und sagen „Plattenbau“ – das wird automatisch mit anderen Menschen verbunden, mit den weniger Betuchten, die einfacher gestrickt sind. Das ist natürlich Quatsch. Zumal Lichtenhagen ja auch vielseitig ist: Es gibt die Eigenheimsiedlungen, Kalverrad und Ostseewelle, die Grabower Straße als von hohen Häusern umgebene Dorfstraße. Und es ist ein preiswerter Wohnort: Wir zahlen für unsere 90-Quadratmeter-Wohnung 780 Euro warm, bei Freunden in der Innenstadt sind für eine ähnlich große Wohnung einfach mal 1600 Euro weg. Von dem Geld, das wir hier sparen, können wir Urlaub machen, Hobbies nachgehen, Essen gehen. Ich nehme das Geld lieber und genieße es, als es in eine Wohnung zu stecken. Ich kann ja auch im Bahnhofsviertel an stieselige Nachbarn geraten, die die Kinder stören usw.


Meine Familie hat früher in Warnemünde gewohnt. Zu DDR-Zeiten waren Lichtenhagen und Groß Klein noch extrem attraktiv, alle wollten dahin. Nach der Wende hat sich das gedreht. Da war ich aber schon weggezogen, ich bin ja erst zum Studium zurückgekommen. Damals als Student wohnte man hier zwei Monate mietfrei, wenn man von außerhalb zuzog. In Groß Klein wurden bei einigen Häusern zwei Stockwerke abgenommen, weil es so viel Leerstand gab. Heute liegt der überall im Nordwesten unter zwei Prozent.


Nachdem der alte Konsum weggerissen wurde, kommen ja jetzt die Neubauten und dort ist ja auch eine Gastronomiefläche eingeplant, das wäre auch eine gute Lage. Man hätte da ja zur Zeit nur noch diesen Bau in der Mitte auf dem Boulevard, aber da kann man auch nicht wirklich einkehren. Die einzige Option ist der Asiate. Und es gibt immer noch einen Krug, an der Ecke, gleich beim Friseur. Ich habe mich immer gefragt, wie der sich hält, aber im Sommer ist da viel los, da wird gegrillt, der ist gut besucht. Daneben ist mein Stammfriseur, die Friseurinnen gehören da noch zur alten Garnitur von der Ostseewelle, teilweise haben die noch mit meiner Tante zusammen gelernt, das ist dann auch schön. Als ich dort das erste Mal war, wurde ich nach meinen Verwandtschaften gefragt.


Es gibt in unserem Stadtteil ja auch so spezielle Ecken wie das vietnamesische Kloster, das ist so ein kleines Highlight. Mittendrin in der Platte steht da dieses Gebäude mit den schönen Außenanlagen. Die vietnamesische Kultur hatte hier schon seit DDR-Zeiten einen festen Platz. Das ist ein schöner Fleck, offen für alle.


Womit Lichtenhagen auch noch mal richtig glänzen könnte, ist die riesige Fläche, wo der Wochenmarkt ist. Ich kenne das z.B. aus Cuxhaven, da kommen die Landwirte aus der Umgebung und man kann direkt frische, lokale Ware einkaufen. In Hamburg gibt es ebenfalls lokale Vereine, welche lokale Erzeugnisse auf den Märkten anbieten. Die sind so erfolgreich, dass sie sogar eine Halle kaufen können. Sowas wäre dort auch eine gute Idee. Hier drumherum gibt es ja auch viele kleine Hofläden.


Unser Auto haben wir vor ein paar Jahren abgeschafft. Wir fahren Fahrrad und nutzen öffentliche Verkehrsmittel, das sind ungefähr 400 Euro, die wir dadurch einsparen. Wir haben ja über die WIRO das Carsharing-Angebot. YourCar hat hier gleich einen Standort in der Mecklenburger Allee. Unsere Tochter hat ihr Schülerticket, wir haben Fahrräder und ansonsten gibt es um die Ecke in Lütten Klein Sixt, wenn wir uns mal für länger ein Auto ausleihen wollen. Man ist mit S-Bahn und Fahrrad schneller in der Stadt als mit dem Auto – mit dem bin ich, je nach Verkehrslage und Baustellen, auch schon anderthalb Stunden gefahren.


Als sozialen Brennpunkt würde ich Lichtenhagen nicht bezeichnen. Man merkt, dass die Leute weniger Einkommen haben, das sieht man schon. Aber das Miteinander ist immer gut. Wo man es halt merkt, sind die geplatzten Flaschen auf der Straße, gerade als Fahrradfahrer ist das blöd. Und dass die Leute ihren Müll irgendwohin feuern. Vom Beschmierungsgrad ist die KTV schlimmer, würde ich sagen. Aber ich fühle mich nicht unwohl, wenn ich vor die Tür gehe.


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