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Nicole, ihr fünfjähriger Sohn Maik besucht die Kita „Kleines ganz gross“ in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Wir wohnen in Lichtenhagen, aber Maik besucht seit einem Jahr die Kita in Groß Klein. Also kommen wir jeden Tag mit dem Roller über die große Brücke, denn der Weg ist für jemanden in seinem Alter doch ganz schön weit. Aber so funktioniert es ganz gut. Ich mag Groß Klein sehr, es ist grün und fast ein bisschen ländlich – mit viel weniger Verkehr als in der Innenstadt. Und ich mag es, dass wir so dicht am Wasser wohnen.


Unsere Ärzte sind auch alle in Groß Klein. Zurzeit erkunden wir die Spielplätze im Stadtteil. Mein großer Sohn hat hier Freunde, aber das wird sich sicher eher wieder nach Lichtenhagen verschieben, weil er im Herbst dort zur Schule kommt. Zurzeit wohnen wir dort noch in einem Wohnprojekt, aber im nächsten Jahr suchen wir eine 5-Raum-Wohnung, damit unsere drei Kinder auch eigene Zimmer haben. Ich hoffe, dass das dann in Lichtenhagen klappt, denn da fühlen wir uns auch sehr wohl. Das hat mich überrascht, weil ich zuerst Sorge hatte, dass Rostock zu groß für mich ist. Ich komme eigentlich aus Waren/Müritz, habe dann drei Jahre in Kröpelin gelebt und bin dann vor drei Jahren hierhergezogen. Nach Groß Klein wäre ich auch sehr gern gezogen, ich mag den Stadtteil sehr.

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28. Jun 2024
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Margret Garlipp, ist gern in Groß Klein zu Besuch

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Als Groß Klein damals gebaut wurde, war das so ein Stadtteil, von dem ich gesagt habe: Da ziehst Du nie hin. Die großen Ringe und das ganze Drum und Dran, davor hatte ich eine Scheu. Aber Groß Klein hat sich in den Jahren so verändert, ich komme gern hierher, vor allem ins Börgerhus. Es ist irgendwie richtig schön geworden und hat einen ganz anderen Ruf bekommen. Aber mich ärgert immer diese Sendung von RTL2 (Anm.: „Hartz aber herzlich“ mit Beiträgen über den Blockmacherrring in Rostock Groß Klein“). In der hört es sich immer so an, als ob nur solche Leute hier wohnen. Das ist so peinlich. Da werden Rostock und dieser Stadtteil sehr negativ dargestellt.


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28. Jun 2024
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Anne Friesecke, wohnt seit 2022 in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich stamme eigentlich aus Alt Dierkow, dort bin ich großgeworden. 2004 bin ich dann nach Lichtenhagen gezogen und jetzt, vor zwei Jahren, nach Groß Klein. Einige Ecken, darunter auch das Klenow Tor und das Börgerhus, kannte ich schon aus meiner Zeit in Lichtenhagen. Hier in Groß Klein wohnt man sehr entspannt, es fühlt sich ein bisschen wie auf dem Dorf an hier. Von meiner Wohnung aus kann ich direkt auf den Spielplatz gucken, auf dem wir viel Zeit verbringen. Aber genauso gern sind wir auf dem Spielplatz in Groß Klein Dorf. Auf dem war ich als Kind auch schon, mit meinen Großeltern, die dort wohnten. Dort fühle ich mich bis heute sehr wohl – und für meinen Sohn ist es dort auch schön. Da kann er frei herumlaufen, ohne dass man ständig auf Autos achten muss. Dort gehen wir auch gern spazieren. Die Leute in meinem Haus kenne inzwischen auch schon etwas besser: Wir unterhalten uns immer mal, das ist insgesamt sehr angenehm. Im „Börgerhus“ war ich in der Anfangszeit mal, weil ich mich dort ehrenamtlich engagieren wollte, aber als alleinerziehende Mutter habe ich jetzt nicht mehr so viel Zeit.


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28. Jun 2024
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Lamis Alobaid, wohnt 2015 in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich komme ursprünglich aus Syrien und wohne seit neun Jahren in Groß Klein, mit meinem sechsjährigen Sohn. Mir gefällt es hier sehr gut. Ich wohne am Klenow Tor und da ist man schnell an der S-Bahn-Station, die Supermärkte sind ganz in der Nähe. Auf dem Spielplatz am Klenow Tor sind wir besonders oft. Dort wäre es schön, wenn es eine öffentliche Toilette gäbe – derzeit gehen viele Menschen einfach in die angrenzenden Gebüsche, wenn sie mal müssen. Ich gehe mit meinem Sohn auch zum Sport für Kinder im Börgerhus und wir leihen Bücher in der Bibliothek aus. Aber wir suchen gerade eine Wohnung in Warnemünde, weil mein Mann dort arbeitet und die Wohnungen dort komfortabler sind. Was mir hier sehr fehlt, ist ein Drogeriemarkt. In Lichtenhagen gibt es einen, aber der ist sehr klein.


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28. Jun 2024
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Kurt Schnabel, wohnt seit 2008 in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich komme eigentlich aus Berlin. Meine Frau ist eine echte Berlinerin und mein Sohn hat Seefahrt studiert, dafür zog er an die Küste. Nachdem meine Mutter verstorben war, hat unser Sohn uns überredet, in den Norden zu ziehen. Erst zogen wir nach Graal Müritz, haben dort aber sehr schlechte Erfahrungen mit dem Vermieter gemacht. Also suchten wir erneut – und fanden 2008 unsere jetzige Wohnung, im Baggermeisterring hier in Groß Klein. Damals stand in den großen Häusern viel leer, das hat uns gewundert. Wir haben den Hausmeister darauf angesprochen, der war sehr nett. Er erzählte uns, dass nach der Wende alle Häuser bauen wollten und aus Groß Klein wegzogen. Und zeigte uns dann eine wirklich schöne Wohnung, die unseren Wünschen entsprach: in einer der untersten Etagen – man wird ja älter – und mit kurzen Versorgungswegen. Die Wohnungen waren in ordentlichem Zustand, da kann man nicht meckern. Und der Netto nur 150 Meter weit weg, das Klenow Tor mit Ärzten, Geschäften und Apotheke nicht weit entfernt. Wir haben dann noch ein bisschen rumgeschnuppert und festgestellt, dass S-Bahn und Bus vor der Tür abfuhren, Schulen gab es auch, alles da. Mit ein paar Schritten ist man im Grünen, hinten raus in den Gartenanlagen, man kann entspannen und alles. Wunderbar, hier ziehen wir her. Hier können wir alt werden. Das war die Bedingung, wir wollten das letzte Mal für uns umziehen. Leider ist meine Frau inzwischen verstorben. Aber ich habe einen Vertrag mit meiner Hausärztin, dass ich hundert Jahre alt werde. Da muss ich natürlich mitspielen, hat sie gesagt. Ich bin mit der ärztlichen Betreuung hier sehr zufrieden, was hier im Klenow Tor an Fachärzten ist, das hat so manche Großstadt nicht. Im zunehmenden Alter braucht man auch seine Ruhe und ich will nicht, dass alle zehn Minuten eine S-Bahn an mir vorbeifährt, da fand ich das hier sehr schön.


Als meine Frau gestorben war, musste ich ja zur Genossenschaft. Die haben mir gesagt – und da ziehe ich vor denen mächtig den Hut –, dass ich nicht ausziehen muss: „Wenn Sie aber möchten, unterstützen wir Sie und wir machen auch den Umzug für Sie.“ Aber ich wollte bleiben. Auch viele Leute im Haus haben mich nach dem Tod meiner Frau unterstützt. Bei uns im Aufgang kennt man sich, jeder spricht mit jedem. Und im übrigen Block kennt man zwar nicht jeden, aber schon noch ein paar Nachbarn. Ich bin ja nun Rentner und wohne Parterre, da kriege ich immer für das ganze Haus die Pakete. Das macht mir gar nichts aus, alle wissen, dass ich die Hauptpost bei uns im Haus bin, wenn die jüngeren Leute arbeiten gehen. Ich habe im Haus auch bei jemanden meinen Schlüssel hinterlegt, das weiß die Genossenschaft auch. Also wenn mal was ist, wenn ich nicht da bin, da muss nichts aufgebrochen werden. Da bin ich sehr zufrieden. Was mir auch positiv auffällt, es sagt öfter mal jemand: Mensch, ich habe dich lange nicht gesehen. Wo warst du denn? Das finde ich gut. Ich bin keiner von hier, aber ich komme gut mit den Leuten klar. Ich fühle mich richtig wohl.


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28. Jun 2024
Groß Klein > Geschichten

Rosi Dexheimer, lebt seit 2007 in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Seit meiner Kindheit ist die Ostsee das Ziel meiner Träume. Die Zeit, die ich als Kind im Ferienlager in Glowe verbringen durfte, war damals die schönste Zeit für mich. Als mein Mann 2007 starb, war ein Zeitpunkt gekommen, mein weiteres Leben zu überdenken. Warum nicht den Traum meines Lebens in Erfüllung gehen lassen? Im Internet fand ich unter den Rostocker Wohnungsangeboten der WIRO eine passende Wohnung in Groß Klein. Gesagt, getan! Eine Besichtigung erfüllte meine Erwartungen und machte mir die Entscheidung leicht. Die Bedenken meiner Familie und meiner Freunde in Bezug auf meinen Aufbruch in ein Abenteuer mit unbekanntem Ausgang beirrten mich nicht.


Ich kam mit dem 2005 eröffneten „Börgerhus“ in Kontakt, als ich Leserin der gut sortierten und durch Neuvorstellungen und Lesungen auffallenden Bibliothek wurde. Ich bot mich bei der Hausleitung an, mich in meiner Freizeit ehrenamtlich zu engagieren. Freudiges Erstaunen! So kam ich zum Arbeitskreis „Senioren“.


Ein Erfolgserlebnis war für mich, dass die von mir mitorganisierte Bürgerinitiative für einen Fuß- und Radweg Groß Klein - Warnemünde beim Bau des Nordkreuzes vom damaligen Senator Holger Matthäus umgesetzt werden konnte. Das war für mich als passionierte Radlerin eine große Freude!


Groß - klein - ein Wortspiel! Wie passt Groß und Klein zusammen? Für meine alten Freunde ein Kuriosum! Beim Suchen in der Geschichte wurde ich fündig: 1355 wurde erstmalig das von Slawen und Wenden besiedelte und von Ahornbäumen bedeckte Gebiet als „Wendischer Ahornort“ erwähnt. Ahorn bedeutet auf Slawisch „klene“. Aus „klene“ wurde „Klein“.


Ich bin angekommen, in einem liebens- und lebenswerten Stadtteil von Rostock, jener Stadt, die zu einer der beliebtesten Städte in Europa gekürt wurde. Die Ostseenähe, ein Strandkorb und ein Küstenradweg für die E-Bikerin. Was will man mehr!


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28. Jun 2024
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Anja Stegmann, wohnte in den 1980er Jahren mal ein wenig in Groß Klein und leitet seit April 2006 die Stadtteilbibliothek im Börgerhus

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich kenne Groß Klein schon aus meiner Jugend ein wenig, denn ich habe als Jugendliche einige Zeit hier gelebt. Damals zog meine Familie aus Halle nach Rostock, weil mein Vater die Leitung des Düngemittelwerkes in Peez übernahm. Ich war allerdings nicht allzu oft hier, weil ich schon kurz darauf meine duale Ausbildung zum Bibliotheksfacharbeiter begann. Also verbrachte ich immer vier Wochen am Stück in Sondershausen, in der zentralen Berufsschule. Und dazwischen jeweils vier Wochen in Groß Klein, weil ich in der damaligen Willi-Bredel-Bibliothek, der heutigen Stadtbibliothek, arbeite. Erst später schloss ich noch ein Studium zur Bibliothekarin an. Damals entstand der Stadtteil Groß Klein gerade erst. Es war überall noch matschig, weil die Plattenwege fehlten. Am S-Bahnhof Lichtenhagen konnte man am Zustand der Schuhe erkennen, ob jemand aus Lichtenhagen oder Groß Klein kam: die Groß Kleiner waren die mit den schlammigen Schuhen. Es war ja in der DDR üblich, dass erst die Wohnungen fertiggestellt werden und die Infrastruktur dann danach.


Als ich dann 2006 zurückkam, war ich positiv überrascht, wie gut sich der Stadtteil entwickelte hatte. Ich begann damals nämlich, hier in der Stadtteilbibliothek zu arbeiten, die sich seit Dezember 2005 im „Börgerhus“ befindet. Als sie eröffnete, war ich noch in Dierkow in der Stadtteilbibliothek, wo ich über viele Jahre hinweg Jugendprojekte betreute. Dann stellte sich heraus, dass die Groß Kleiner Bibliothek in dieser Anfangszeit nicht gut lief. Viele Menschen hatten noch gar nicht mitbekommen, dass die Bibliothek aus dem Klenow Tor ins „Börgerhus“ umgezogen war. Deshalb gingen die Ausleihzahlen dramatisch nach unten. Also bat mich mein damaliger Chef, mich der Situation anzunehmen und ich wechselte innerhalb einer Woche meinen Arbeitsort. Ich begann dann sofort, die ersten Veranstaltungen zu organisieren. Dabei zeigte sich schnell, dass die Behauptung meiner Vorgängerin, die Schulen hätten kein Interesse an der Bibliothek, überhaupt nicht stimmte. Ich stellte mich auf verschiedenen Elternabenden an Schulen vor – und hatte innerhalb eines Monats mehr als sechzig Neuanmeldungen von Kindern. Das Interesse war also wirklich groß.


Auch das „Börgerhus“ selbst war damals noch nicht so gut besucht. Sogar das Mittagessen, das es hier von Anfang an gab, wurde noch wenig genutzt. Durch den Besuch der Bibliothek bekamen allmählich mehr und mehr Leute mit, was hier noch so angeboten wurde. Und umgekehrt kamen Leute zum Mittag her und bemerkten dabei die Bibliothek. Und allmählich fanden im „Börgerhus“ dann auch mehr und mehr Kurse statt – Sport, Malen und dergleichen. Viele der Teilnehmer sind auch Leser bei mir. Ich fühle mich hier wirklich sehr wohl und arbeite sehr gern hier. Sonst wäre ich wohl nicht so lange geblieben.


Heute kann ich sagen, dass alle Kinder, die seit 2006 in Groß Klein in die Kita oder zur Schule gegangen sind, irgendwann einmal hier in der Bibliothek waren. Und vielen von ihnen konnte ich tatsächlich beim Großwerden zusehen. An ein Mädchen erinnere ich mich besonders: Sie kam fast jeden Tag und brachte sogar ihre Hausschuhe mit, um es sich hier so richtig gemütlich zu machen. Später bewarb sie sich dann für ein Schülerpraktikum bei uns, weil sie sich hier von klein an so wohlgefühlt hatte. Ich denke wirklich, dass diese Bibliothek für Kinder und Jugendliche ein wichtiger Ort hier in Groß Klein ist. Vor allem die Hortkinder kamen und kommen so zahlreich, dass der Hort sie nur noch „gestaffelt“ zu uns schicken konnte. Jedes Kind bekommt eine Medaille, auf der ihre oder seine Bibliotheksbesuchszeit steht. Und die meisten dieser Kinder interessieren sich nicht nur für Computerspiele, sondern leihen dann auch Bücher aus.


Mit den Schulkindern machen wir in der ersten oder zweiten Klasse immer eine Einführung in die Bibliothek und helfen ihnen auch bei der Anmeldung. Aber wir machen auch thematische Veranstaltungen. Zu bestimmten Feiertagen oder Themen, die die Schulen sich wünschen. In den Ferien kommen Hortgruppen zu uns, auch aus den umliegenden Stadtteilen. Sehr beliebt bei den Erwachsenen, mehrheitlich den älteren unter ihnen, ist auch das Lesecafé, das ich 2006 ins Leben gerufen habe. Da kommen jedes Mal 30 bis 35 Leute. Anfangs habe ich da immer allein neue Bücher vorgestellt, die ich zum Lesen empfehle – inzwischen tun das auch andere Leute, die an der Veranstaltung teilnehmen. Es hat lange gedauert, bis sich die erste traute, inzwischen sind weitere hinzugekommen. Das ist eine Bereicherung, weil ja verschiedene Menschen immer auch unterschiedliche Bücher auswählen und auf ganz eigene Art vorstellen. Inzwischen hat das Lesecafé einen festen Kreis von Teilnehmern, die sich auch untereinander gut kennen.


Donnerstags kommen vor allem die Familien, die dann Bücher und Spiele fürs Wochenende ausleihen wollen. Die kommen manchmal mit großen Tüten – und die sind dann voll, wenn sie wieder gehen. An diesem Tag erreichen wir auch mal die 30jährigen oder 40jährigen, die in der Regel keine Zeit haben, unsere Veranstaltungen zu besuchen.


2012 ist mein Vater aus seinem Dorf nach Groß Klein zurückgezogen, weil er für das Landleben nicht mehr mobil genug ist. Hier im Stadtteil kommt er mit seinem Rollator noch fast überall hin. Wenn ich hier bin, sind wir oft im IGA-Park, auch zu den Veranstaltungen im Sommer.


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28. Jun 2024
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Frühling, Sommer, Herbst und Winter in der Alten Warnemünder Chaussee in Groß Klein – Von Kerstin Schnegula

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

2002 war mein persönliches Glücksjahr. Ich hatte die Chance, in ein Mietshaus in Groß Klein zu ziehen, das für meine Familie das Zuhause für 14 Jahre sein sollte. Dieses neue Domizil hatte der größte Vermieter der Hansestadt großfamiliengerecht umgebaut. Drei Monate vor dem Umzug wussten wir, dass wir endlich den Zuschlag bekommen hatten. Damals war ich kurz vor der Niederkunft und freute mich sehr, dass sich die Lebensqualität für uns schlagartig verbessern würde. Am besten war, dass ich mich nun nicht mehr ständig dafür rechtfertigen musste, dass viele Menschen mehr Geräusche verursachen. Kinder haben einen ausgeprägten Bewegungsdrang. Sie müssen die Welt entdecken.


In dem Haus, das in den 1930er Jahren errichtet wurde, gab es auch einen kleinen Hohlraum, der früher wahrscheinlich für die Lagerung von Lebensmitteln nützlich war. Mein Sohn Wolfgang bezeichnete diesen Vorratsspeicher spaßeshalber oft als „Kammer des Schreckens“, denn dort sammelten sich etliche Spinnen. Er musste immer mit einem Glas die Mauerspinnen einfangen, damit sich seine Schwestern nicht gruselten. Allein bewohnten wir das Haus nicht. Im Dachgeschoss hatte sich ein Marder ein Quartier gesucht. Ab und zu konnten wir ihn sehen. Von einem Baum sprang er auf das Vorderdach an der Eingangstür. Im Garten des Hauses befanden sich zwei wunderschöne Tannen, die auch den Vögeln ein Domizil boten. Umgeben war das Haus von einer herrlichen Buchenhecke. Dieser Naturzaun dämpfte den Straßenlärm etwas ab. Auch die Feinstaubbelastung verringerte sich ein wenig. Vor allem aber hatten die Vögel Nistmöglichkeiten.


Die Umgebung des Hauses gefiel mir auch. Man war schnell im IGA-Park, so dass ich mit meinem Nachwuchs regelmäßige Bewegungsmöglichkeiten an der frischen Luft absolvieren konnte. Die „Troika“ mit zehn Bungalows in der Nähe bot den Gästen damals noch ein Urlaubsquartier. 2011 endete die Beherbergungsgeschichte, denn nach Überschwemmungen gab der Betreiber auf. Auch das „Getränkeland“, das sich neben unserem Haus befand, wurde inzwischen abgerissen. In den ehemaligen Supermarkt auf der anderen Straßenseite ist ein Markt für Tierfutter eingezogen.


Zeiten ändern sich. Auch unser Mietshaus hatte eine wechselvolle Geschichte. Am Anfang war es noch das Domizil für einen Bauern und seine Familie. Später befand sich sogar ein FDJ-Jugendklub dort. Unsere Vermieterin war die WIRO, die 2002 in neue Geschäftsräume umzog. Vor meinem längeren Aufenthalt in dem Haus in der Alten Warnemünder Chaussee hatte ich verschiedene Häuser in Teterow Richtenberg, Velgast und Tribsees besichtigt. Meine ältesten Söhne hatten mich dabei begleitet. Als geborene Stadtkinder hatten sie die Vorzüge von Rostock natürlich verinnerlicht und wollten nicht auf’s Land ziehen. Ohne ihre Zustimmung wollte ich aber keinen Umzug wagen, denn war nützt einem das schönste Haus, wenn der eigene Nachwuchs dort unglücklich ist? Für meinen geselligen Zweitgeborenen war der Umzug in seiner kurzen Lebenszeit ein Segen, denn er konnte dort seine Freunde empfangen.

Ich hatte bereits in acht Mietquartieren in Rostock gelebt. Die Zeit in Groß Klein war mit Abstand die schönste, denn die Lebensqualität für meine Familie hatte sich schlagartig um 180 Grad verbessert.

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28. Jun 2024
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Gabriele Zyrus, Leitung der Montagsmaler, Mitglied des Arbeitskreises Senioren und Mitorganisatorin von Veranstaltungen, wohnt seit 1997 in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich komme ursprünglich aus Meiningen. Ich bin ja gelernte Zeichnerin und habe in Meiningen meinen Abschluss als Konstrukteurin gemacht. 1969 wurde ich dann zum Architekturstudium nach Heiligendamm delegiert. Nach dem Abschluss des Studiums ging ich zunächst nach Meinigen zurück, in meinen alten Betrieb. Dieser delegierte mich schon bald darauf für ein Jahr nach Rostock, wo ich eine Zweigstelle mit aufbauen sollte. Während dieser beiden Aufenthalte im Norden ist mir Rostock sehr ans Herz gewachsen, also beschloss ich hierzubleiben. Zunächst wohnte ich direkt auf dem Gelände meines neuen Betriebs, in der Innenstadt, in einem einzelnen Zimmer. 1979 besorgte mir mein damaliger Chef dann eine kleine 1-Zimmer-Wohnung mit Alkoven und Küche in der August-Bebel-Straße. Die Toilette lag im Keller, hatte kein Licht und wurde von allen Mietern gemeinsam benutzt. Ich habe dann über meine Betriebszugehörigkeit versucht, immerhin eine ordentliche Flur- und Toilettenbeleuchtung zu organisieren. 1979 zog ich dann nach Schmarl, in eine 1-Raum-Wohnung der AWG – und erst 1997 nach Groß Klein, in den Gerüstbauerring. Allerdings lag meine Arbeitsstelle damals im Land Brandenburg. Das hieß für mich: Montag früh um fünf auf die Autobahn, Freitagabend gegen halb sechs wieder zuhause ankommen. So ging das bis 2001, dann war mein Arbeitgeber hoch verschuldet und musste 130 Angestellte entlassen. Ich bekam für ein halbes Jahr eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM).


2003 meldete ich mich im Stadtteilbüro, um zu erfahren, ob ich mich irgendwie in die Stadtteilarbeit einbringen könnte. Das Büro befand sich damals noch in dem Hochhaus, in dem jetzt „Trockendock“ untergebracht ist. Ich traf mich mit Frau Prill, der ersten Stadtteilmanagerin von Groß Klein. Sie nahm mein Angebot erfreut an. Eines Tages erzählte sie mir, dass im Dezember das „Börgerhus“ eröffnet würde. Ich ging zur Eröffnungsfeier im Dezember 2005. Dort traf ich auf den damaligen Leiter, Lars Müller, der mich sofort einlud, in der Küche zu arbeiten. Das tat ich dann mehr als sechs Jahre lang, einmal pro Woche, für drei Euro pro Stunde. Außerdem kümmerte ich mich gleich in diesen ersten Tagen des „Börgerhuses“ darum, dass es dort schön aussah: besorgte Tannengrün und gestaltete Weihnachtsgestecke. Schnell stellte sich heraus, dass es niemanden gab, der sich um den Einkauf kümmerte. Also übernahm ich das – und fuhr dafür mit meinem eigenen Auto einmal pro Woche in den Ostseepark in Sievershagen, um Lebensmittel zu besorgen. Große Mengen, einmal waren es allein 28 Kilo Fleisch.


In dieser Zeit begann im „Börgerhus“ der Zeichenzirkel von Frau Domhat. Sie lud mich dazu ein, aber er fand immer dienstags statt – und da war ich zum Einkaufen unterwegs oder mit Brötchenschmieren beschäftigt. Da gab es damals auch viel Bedarf: Wir versorgten die Bauarbeiter, die noch im Haus arbeiteten. Und auch die Schule, wenn dort Lehrer Geburtstag hatten – im Bistro, das damals noch bis 17 Uhr geöffnet war. Aber irgendwann kam ein Zeichenzirkel hinzu, der montags stattfand und von Frau Breddin angeboten wurde. Da konnte ich dann dabei sein. Am Anfang waren wir in diesem Kurs, der sich „Die Montagsmaler“ nannte, sieben Leute. Später kamen noch Leute aus Lichtenhagen und Lütten Klein hinzu. 2007 haben wir begonnen, Ende 2008 unsere erste Ausstellung im Börgerhus gemacht. Ich hatte damals ein schönes Blumenbild gemalt und wollte es Weihnachten eigentlich meiner Schwägerin schenken. Aber eines Tages, als ich gerade in der Küche arbeitete, fiel mir eine Frau mit einem großen Beutel auf, die mich so seltsam anlächelte. Erst mal dachte ich mir nicht viel dabei – aber als ich zum Feierabend alles aufräumte, war mein Blumenbild verschwunden. Und weder das Bild noch diese Dame sind je wieder aufgetaucht. Das war leider kein Einzelfall: Insgesamt vier Bilder der Montagsmaler haben offenbar so große Liebhaber gefunden, dass sie ungefragt mitgenommen wurden. Trotzdem machen wir seit 2008 jedes Jahr eine Ausstellung, mit einer richtigen Eröffnung mit Musikprogramm, zu der wir auch immer den Dienstags-Malkurs einladen, zu dem wir Kontakt halten und den wir sehr mögen. Beim letzten Mal hatten wir sogar einen Musiker vom Theater, weil wir unser 15jähriges Jubiläum feierten. Irgendwann habe ich dann mit Maren Müller von der AWO verabredet, dass wir in deren Betriebsgebäude zusätzliche Ausstellungen machen. Das tun wir bis heute, mit einer kurzen Unterbrechung. 2010 hörte Frau Breddin dann auf. Das wäre eigentlich das Ende des Zeichenzirkels gewesen, also erklärte ich mich bereit, von nun an die Organisation zu übernehmen. Seitdem treffen wir uns weiterhin wöchentlich.


2011 endete meine Arbeit in der Küche. Seitdem bin ich ehrenamtlich im Arbeitskreis Senioren aktiv. Wir organisieren dort wirklich viele Dinge – vom Bastelangebot für Senioren bis zu Adventsbasteleien für Kinder. Durch meine Arbeit als Innenarchitektin kenne ich mich mit Dekorieren aus und hatte auch noch viele dafür geeignete Dinge zuhause, die wir dort verwenden konnten. Wir organisieren regelmäßig Kulturabende und auch Informationsveranstaltungen, zu Themen wie Kontensicherheit oder Pflegedienste. In den letzten Jahren gab es hier dann auch immer wieder Kabarettveranstaltungen, da habe ich dann immer den Kartenverkauf am Abend übernommen. Wir haben auch mal Musiknachmittage im Seniorenheim organisiert.


Irgendwann kam mir dann die Idee, Beiträge für die Stadtteilzeitung zu schreiben. Inzwischen sind dort schon etliche Gedichte von mir erschienen. Hinzu kam noch meine Hilfe beim Stadtteilfrühstück – da bin ich bis heute dabei, kümmere mich um die Einkäufe, bereite das Essen mit vor und decke die Tafel mit ein.


In meiner Zeit hier konnte ich erleben, wie der Stadtteil nach und nach immer schöner wurde. Es wurden Dinge gestaltet und Häuser saniert. Als ich in den Gerüstbauerring zog, gehörte das Haus noch der WG Union, wurde aber dann schon bald an FIDES verkauft, ein bayerisches Unternehmen. 2008 zog ich dann in die Willi-Döbler-Straße, in ein Haus mit Aufzug. Da wohne ich in der obersten Etage und kann auf den Hafen und das Traditionsschiff gucken, das ist einfach toll.


Das Klenow Tor war für mich ein sehr wichtiger Ort, weil man dort nicht nur Lebensmittel kaufen konnte, sondern es auch einige Textilgeschäfte gab. Einmal haben wir da sogar eine Modenschau organisiert, an einem Nachmittag. Das war sehr schön. Die vielen Ärzte, die dort einzogen, die Apotheke, bei der ich Stammkundin bin, das fand ich alles toll. Umso enttäuschter bin ich darüber, wie es im Laufe der Jahre heruntergewirtschaftet wird. Es gibt keine Auftritte von Chören mehr, keine Oster- oder Weihnachtsdekoration. Früher sah es ordentlich und gepflegt aus, heute sind die Türen defekt, sogar der Haupteingang ist gesperrt. Der schöne Bäcker ist verschwunden und damit auch das gemütliche Café. Ich kenne sehr viele Menschen, die früher oft im Klenow Tor Kaffee getrunken haben und das jetzt sehr vermissen. Nun will auch noch die AWO ausziehen, weil das Haus immer mehr verfällt.


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28. Jun 2024
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Madlen Conrad, Jahrgang 1987, Pädagogin aus Groß Klein, wohnt seit 1993 im Stadtteil und arbeitet auch hier

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Meine Eltern sind 1993 nach Groß Klein gezogen, ich war damals sechs Jahre alt. Vorher wohnten wir in Warnemünde, bis unser Haus in Wohneigentum umgewandelt wurde. Wir wollten in der Nähe der Ostsee bleiben, da war Groß Klein ideal – einmal Ostseekind, immer Ostseekind, das galt schon damals für mich und so ist es bis heute. Die erste Zeit an unserem neuen Wohnort war sehr schön. Ich weiß noch, dass ich damals total begeistert davon war, wie lebendig sich hier alles anfühlte. Es gab viele Kitas, Schulen und viele Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche – teilweise sogar kostenlos. Ich erinnere mich an mehrere Grundschulen, Realschulen und Gesamtschulen. Sogar ein Gymnasium hatten wir damals, am Dänenberg. Dann wurde das Klenow Tor eröffnet. Auch das war damals ein Highlight – ein Ort mit vielen verschiedenen Geschäften, einer Post und vielem mehr. Ich kannte hier damals eine ganze Menge von Orten, an denen wir uns trafen und wohlfühlten. Als Kind war ich besonders gern auf einigen der Spielplätze, aber auch in Groß Klein Dorf. Als Jugendliche mochte ich dann das Fun im Lütten Klein, aber auch den Jugendclub in der Nähe vom Netto, den Bolzer und einige andere Orte. Ich erinnere mich auch noch gern an den Pavillon – dort konnten wir zusammensitzen, manchmal sogar grillen. Oder wir haben unten in unserer Waschküche gesessen. Dort haben wir ein paar Möbel reingestellt und es uns gemütlich gemacht. Das war eine tolle, freie Zeit: Freunde rausklingeln und gemeinsam losziehen. Wir konnten unbeschwert jung sein, auch weil wir erwünscht waren, nicht störten. Heute sind die Kinder und Jugendlichen ja schnell allen zu laut, sie werden überall weggescheucht.


Meine Kindheit hier im Stadtteil war eine echt tolle Zeit. Ich bin sehr froh, dass ich das alles noch erleben durfte, auch weil jetzt alles so anders geworden ist. Die Kinder sind viel mehr auf sich allein gestellt. Hier im Stadtteil gibt es kaum noch Freizeitangebote. Möchte man heute beispielsweise Fußball oder Basketball spielen, muss man in andere Stadtteile fahren – und auch das nötige Kleingeld haben. Früher waren wir hier in den Kursen alle zusammen. Und gingen ja auch alle in die gleiche Schule, zuerst in die Grundschule, danach sind wir alle gemeinsam in die Realschule gewechselt. Außer drei Mädels, die aus Schmarl kamen, wohnten alle aus meiner Klasse hier im Stadtteil, wir waren also auch am Nachmittag zusammen. Jetzt werden die Kinder auf andere Schulen geschickt, wenn die Eltern das möglich machen können. Da trennen sich die Wege – und das macht ja auch was mit den Freundschaften.


Und auch sonst hat sich die Situation im Stadtteil nicht zum Guten entwickelt. Irgendwann so um 2010 herum hat das begonnen, als hier die Kitas und Schulen abgerissen wurden, weil die Kinder fehlten. Dann kamen viel Familien aus anderen Ländern und die Zahl der Kinder stieg wieder. Inzwischen ist der Stadtteil sehr multikulturell, das finde ich wirklich schön. Was aber auch gesunken ist und immer noch geringer wird, ist das Sicherheitsgefühl, vor allem abends und nachts. Früher bin ich hier bis spät in die Nacht sorglos unterwegs gewesen, hatte das Gefühl, bei jedem klingeln zu können, wenn mal etwas ist. Das ist heute nicht mehr so, die Leute leben mehr für sich, sind weniger im Austausch miteinander, das Sozialverhalten lässt absolut nach. Früher war das hier ein Geben und Nehmen, jeder passte auf den anderen auf. Man kannte sich im Haus, die Nachbarn haben sich gegenseitig besucht - die Eltern haben was zusammen getrunken, die Kinder haben gespielt. Heute fühlt sich das Ganze mehr wie eine Ellenbogengesellschaft an, in der andere Menschen eher stören. Wenn man sich nicht mehr so gut kennt, ist der andere eben schneller ein Ärgernis.


Trotzdem wollte ich nicht weg hier, auch als Erwachsene war klar, dass ich hier wohnen bleiben möchte. Ich habe hier immer hier gearbeitet, meine Kinder sind hier zur Schule gegangen. Zwischendurch war ich mal ein Jahr in Brandenburg, aber das fühlte sich einfach nicht richtig an – zuhause ist zuhause und das ist für mich Groß Klein. Viele Menschen, mit denen ich großgeworden bin, wohnen bis heute hier.


Als Familie sind wir jetzt viel im IGA-Park, auf den Spielplätzen weniger, weil die einfach nicht so schön sind. Auf den Bolzplatz gehen eher die Jugendlichen, da trauen sich die Kleinen dann nicht hin. Für die Jugendlichen gibt es einen Jugendclub, das 224, aber der spricht eben nicht die Masse an – da trifft sich nur ein kleiner Teil. Und auch für Erwachsene fehlt es an Orten, wo man mal gemütlich sitzen und schnattern kann.


Früher war ja auch das Klenow Tor eine wichtige Anlaufstelle für den ganzen Stadtteil. Mit richtig vielen Einkaufsmöglichkeiten und Ärzten, einer Eisdiele. Ein echter Wohlfühlort. – da waren wir sogar Ostern dort, zum Feiern. Heute ist es dort trostlos und schäbig. Ich gehe nur noch hin, wenn wir mal einen Döner essen wollen, etwas zum Basteln brauchen oder einen Kinderarzttermin haben. Die meisten Menschen gehen nur noch durch. Ich würde mir wünschen, dass sich das wieder ändert. Aber am meisten wünsche ich mir, dass endlich mal was für die Kinder getan wird. Wenn man es anders kennt, fällt einem das besonders auf. Die Kinder und Jugendlichen in Groß Klein sind sich selbst überlassen. Und was macht man, wenn man nichts mit sich anzufangen weiß? - Unsinn. Und dann ist das Geschrei groß. Wir haben nicht so viel Mist gebaut, als ich in dem Alter war, weil wir andere Möglichkeiten hatten. Ich wünsche mir so, dass endlich wieder mehr Lebensfreude hierher kommt. Als Erwachsene findet man sich ab, sucht sich Alternativen. Aber welche Alternative haben denn die Kinder? Wo können sie hin, wo werden sie akzeptiert, wo lernen sie Neues kennen und erleben ein positives Miteinander? Jetzt zünden sie die Autos an, randalieren – weil sie keine Perspektive haben. Selbst die Spielplätze sind nur für Kinder im Grundschulalter. Wohin gehen die Kleineren und Größeren? Wo können die sich entfalten, ihre Motorik stärken? Wo die Mütter Kaffee trinken, wenn sie mit den Kindern draußen sind? Dass sich das wieder ändert, ist wirklich mein größter Wunsch…


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28. Jun 2024
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A. Engelmann, wohnt seit 1984 in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ehe wir nach Groß Klein zogen, haben wir von unserer Lichtenhäger Wohnung aus beobachtet, wie hier gebaut wurde. Hier war ja alles Moor, ganz schlechter Baugrund. Deshalb mussten sie Kies einsprengen. Bei der allerersten Sprengung haben sie die Menge falsch berechnet - die Schallwelle ging bis nach Lichtenhagen rüber. Ich war da zufällig zu Hause. Da sind die Leute mit Kinderwagen raus gerannt und haben gedacht, jetzt fängt wieder der Weltkrieg an. Alles hat gewackelt und vibriert, bei uns gab es sogar einen Rohrbruch. Am nächsten Tag meldete dann die „Ferienwelle“, der DDR-Radiosender hier im Norden, dass es in Rostock Sprengungen gäbe und mahnte alle zur Vorsicht. Die nächsten Sprengungen haben sie dann sehr vorsichtig gemacht, das ging noch tagelang.


Eigentlich sollte das Haus, in das wir einzogen, schon im Februar fertig sein. Das wurde nichts, denn die Abnahme wurde abgelehnt. Aber es gab ja Druck, durch die Planziele der DDR, also haben sie irgendwann dieses Haus mit Gewalt mit Note 3 bewertet und dann konnten wir rein. Zu DDR-Zeiten wurden die Häuser ja benotet. Wenn sie Note 4 oder 5 bekamen, durften sie nicht bezogen werden ehe nicht alles nachgebessert war. Erst ab Note 3 konnten die Leute einziehen. Damals war es ja auch so, dass die Leute noch viel selbst machten. Sie wollten ja, dass alles schnell fertig wird und sie einziehen konnten. Gezwungen wurde man dazu nicht, aber man durfte. Unsere Hausgemeinschaft hat auch viel selbst gemacht, beispielsweise die Schächte gesäubert. Das schweißte uns zu einer echten Gemeinschaft zusammen.


Damals gab es ja noch die Nationale Front[1] mit ihren Wohngebietsausschüssen. Ich war damals Mitglied. Hier im Haus war ich als Vertrauensmann von der Gewerkschaft eingesetzt. Ich bin dann als Lehrer quasi gezwungen worden – ich war gar nicht dabei, als ich gewählt worden bin – hier die Arbeit zu organisieren. Also legte ich fest, was wo zu machen ist: da muss gebohrt werden, da ist sauber zu machen usw. Und ich kriegte von der Wohnungsgenossenschaft alles, was wir an Material brauchten – und war dann auch die Ausgabestelle für Ersatzteile, neue Glühbirnen auf dem Flur und ähnliches. Das hat gut funktioniert. Das ist aber in vielen Häusern so gewesen. So eine Hausgemeinschaft hat gelebt. Wir haben zusammen gefeiert, mit den Kindern Herbst- und Frühjahrsputz gemacht. Da wurden alle Kinder rangeholt, die mussten ihren Müll wegmachen und bekamen dann hinterher einen Eisbecher zur Belohnung. Es gab in unserem Haus einen extra Raum, da konnte man auch mal so gemütlich eine Feier machen. Da sind wir zu Sitzungen zusammengekommen. Das war ein Fahrradraum, der wurde dafür ausgestaltet. Unsere Hausordnung mussten wir uns selber geben. Wir haben auch selber Winterdienst gemacht. Es gab damals einen Schneemann aus Holz, der wurde an den jeweils nächsten weitergereicht, wenn eine Familie mit dem Dienst fertig war. Wir bekamen pro Person und Jahr im Haus immer 10 Mark, das war in unserem Fall immer 500 Mark, da konnte ich schön was mit machen, etwas für die Kinder oder eines unserer Hausfeste. So lief das alles bis 1990.


Auch in unserer Wohnung haben wir Arbeitseinsätze gemacht. Einmal haben wir z.B. Brötchen gebacken, zum Verkauf bei einer der Solidaritätsaktionen in den Schulen. Das war für die Schüler sehr lehrreich. Wir haben eingekauft, im Prinzip war das ja nur Mehl, Hefe und Salz. Morgens um vier haben wir dann einen Hefeteig angesetzt, halb sechs kamen die Schüler dann hierher. Dann haben wir Brötchen gebacken, die wir dann ab halb acht verkaufen konnten. Ein Brötchen kostete 5 Pfennig. Dann haben wir festgestellt: Auch wenn wir alle verkaufen, kriegen wir nicht mal das Geld rein, was wir für die Zutaten ausgeben haben. Da ist mir das erste Mal richtig wirklich bewusst geworden, wie billig die Brötchen zu DDR-Zeiten waren. 20 Mark habe ich dann noch spendiert, damit wir doch noch was spenden konnten. Das haben wir dann auch ausgewertet und öffentlich gemacht.


Und ich habe hier unten bei uns im Haus Sero[2] gemacht: In dem kleinen Vorbau unseres Hauses gab es einen Raum – in dem habe ich zweimal in der Woche abends von 18 bis 20 Uhr Flaschen angenommen. Da kamen vor allem Kinder. Die haben sich das aufgeteilt, was sie mitbrachten, damit sie mehrmals kommen konnten. Des es gab bei mir nicht nur Geld für die Flaschen, sondern auch jedes Mal Bonbons.


Die Brücke über die S-Bahn wurde damals als Notbrücke gebaut. Eigentlich sollte nach der Fertigstellung des Neubaugebietes eine riesengroße „richtige“ Brücke folgen und die Freifläche im Areal Taklerring/Werftallee sollte eine Zufahrt von der Warnowwerft werden: Für Autos als Anbindung an die Stadtautobahn, für Fußgänger als Zugang zur S-Bahn und in den anderen Stadtteilen. Das wurde nie umgesetzt. Die Freifläche gibt es immer noch. Der Ortsbeirat hat beantragt, dass da Wohnungen hinkommen. Aber das ist ein langer Prozess.


Der Verkehrsplan war ja so gedacht, dass die Busse der Zubringer für die S-Bahn sind. Das war schon in der DDR so, das ist nichts Neues. Alle Verkehrssachen, die in Rostock gebaut werden, haben ihren Planungshintergrund in DDR-Zeiten. Das wurde damals immer sehr gut gemacht. In der DDR lief das erst so: Walter Ulbricht kam zu Besuch, dann haben sie ihn an Stellen geführt, die total hässlich waren. Dann hat er sich beschwert, wie das sein kann usw. Dann haben sie die Pläne herausgeholt und gesagt: „Wenn du uns Geld gibst, machen wir das sofort.“ So lief das damals. Auf diese Art und Weise sind viele Sachen in Rostock entstanden.


Unsere Tochter hätte zur Schule gehen können, ohne die Straße überqueren zu müssen. Hat sie nicht gemacht, weil sie immer ihre Freundin abgeholt hat. Die Spielplätze lagen im Innenhof, das war wirklich gut gemacht. Dadurch hat man nach der Wende auch wieder viele Leute mit Kindern für den Zuzug gewonnen, weil es hier ja überall Spielplätze gibt. Und die sind alle anders, die sehen nie gleich aus.


Den Namen unseres Stadttteilzentrums – „Börgerhus“ – habe haben meine Frau und ich uns ausgedacht. Das ist eine lange Geschichte. Wir haben den Namen damals als anonymen Vorschlag eingereicht. Nun war ich auch noch im Aufsichtsrat der RGS[3], die KOE gab es so noch nicht. Ich hatte vorher schon zu meiner Frau gesagt: Schreib deinen Namen auf Deinen Vorschlag. Aber sie wollte nicht. Und jetzt kam doch irgendwie raus, dass mein Vorschlag gewonnen hatte. Als Mitglied im Aufsichtsrat! Da musste man den Leuten ja irgendwie erklären, dass das nicht geschoben war. Aber die, die das ausgewählt hatten, wussten gar nicht, von wem der Vorschlag kam.


Wo jetzt das Börgerhus ist, das war meine Schule – ich war dort Lehrer, bis sie aufgelöst wurde. Zu DDR-Zeiten war das eine POS. Nach der Wende haben wir dann beschlossen, an dieser Stelle ein Stadtteil- und Begegnungszentrum (SBZ) zu bauen. Da gab es dann erstmal Streit in der Bürgerschaft – und die Rückmeldung: Wir bauen ein SBZ, wenn ein Konzept steht. Ich war damals beim Jugendclub 224 für die Finanzen zuständig und habe dann mit dem Jugendamtsleiter vereinbart, dass wir trotzdem schon anfangen. Und so stand das SBZ dann schon, als schließlich die Fördermittel kamen. Das war gut, sonst hätten wir nie eins gekriegt. In Zusammenhang mit dem Bau des SBZ ist der Jugendclub 224 dann von der AWO übernommen worden. Vorher war er noch ein „Erbe“ aus DDR-Zeiten gewesen. Jugendclubs wurden zu DDR-Zeiten viele gebaut. Nach der Wende wurde das ein Verein und da wurde ich gefragt, ob ich nicht richtig einsteigen will. Und das habe ich dann auch gemacht. In diesen Jugendclub kamen damals sehr viele Gestrauchelte, also Schulschwänzer usw. Und wir wussten ganz genau: Wenn die in der zweiten Stunde schwänzen, sind sie meistens dort zu finden. Sie saßen dann bei uns – und wir haben sie dort gelassen. Hauptsache, sie waren aufbewahrt.


Wir haben ja auch zu DDR-Zeiten immer Stadtteilfeste gemacht – die waren hier etwas ganz Besonderes, ein bisschen so wie die Ostseewoche. Zum Beispiel bekamen wir von Betrieben in Thüringen immer Weihnachtskugeln. Die Feste waren im Juli und wir hatten einen Stand mit Weihnachtsbaumkugeln. Das war Goldstaub. Die kosteten ja nicht viel, aber es gab sie eben auch nicht immer. Das Fest fand auf der Wiese beim Altersheim statt, dort wo jetzt der Kindergarten ist – oder wir haben es auch auf der Freifläche am Jugendclub gemacht.


Zur Wende, im Jahr 1990, war ich verantwortlich für den Wohnbezirksausschuss und für unser Haus als Hausvertrauensmann. Ich habe mir gesagt: Das muss weiter gehen. Wir können nicht einfach alles liegen lassen, was doch eigentlich immer gut war. Wir sind auch an die Kirche herangetreten und an die Leute, die auf die Straße gegangen sind. Einige kannte man ja hinterher. Gemeinsam gründeten wir dann einen Bürgerrat, mit ungefähr 15 Personen, darunter ehemalige Genossen, aber auch viele aus der CDU und SPD. Der Rat war offen für alle, die mitmachen wollten. Das besondere dieses Bürgerrates war, dass Firmen zu uns kamen und bei uns ihre Pläne vorstellten, ohne dass sie jemand dazu gezwungen hätte. Später entstanden in Rostock weitere Bürgerräte, da waren wir hier Vorreiter. Aus der Zeit kenne ich auch Pastor Schnauer. Der hat mir auch bei Aktionen für das Groß Kleiner Dorf geholfen. Die Leute dort wollten die erst nicht. Da hat er von der Kanzel gepredigt und zwei Wochen später haben alle unterschrieben. Insofern war ich wohl eine wichtige Person hier in Groß Klein, obwohl ich kein Amt innehatte – ich war nicht Vorsitzender des Bürgerrates. Ich wollte uns als Genossen nicht in den Vordergrund stellen. Das war ja eine Zeit, wo jeder wollte. Das war so richtig demokratisch. Später bin ich dann in die Bürgerschaft gewählt worden – die ersten vier Jahre waren besonders spannend und echt etwas Neues. Aus den Bürgerräten sind dann die Ortsbeiräte entstanden. Eigentlich sollten sie Bürgerräte heißen, aber damit konnten wir uns nicht durchsetzen. Gut, dann eben Ortsbeirat.


Seit 1985 haben wir versucht, einen Sportplatz zu bekommen. Zunächst hieß es: Nein, der kommt nach Toitenwinkel, da sind mehr Kinder. Das haben wir auch eingesehen. Später haben wir versucht, das über den Ortsbeirat zu organisieren, das hat geklappt, auch wenn es mehr als zehn Jahre gedauert hat. Eigentlich sollte der Sportplatz dort sein, wo jetzt das Biotop ist. Das ging dann nach der Wende natürlich nicht mehr, also planten wir ihn auf dem Grundstück daneben. Das Grundstück gehörte der Stadt und zum Teil einer Erbengemeinschaft, der wir das abkaufen wollten. Die haben aber gebockt. Deswegen ist der etwas zu klein geworden. Aber ich bin froh, dass der da ist.


Als das dann in Lichtenhagen 1992 die Pogrome stattfanden – das war ja schlimm. Da habe ich hier im Jugendclub ein Erlebnis gehabt: Da kam das ZDF und wollte Jugendliche animieren, Hitlergrüße zu machen. 50 Mark sollte jeder dafür bekommen. Da habe ich gestaunt, dass das keiner gemacht hat. Wir haben das ZDF dann rausschmeißen müssen. Das fand ich wirklich gut von den Kindern.


Einer der Jugendclubs hier im Stadtteil, der lag da wo jetzt der Netto steht, war damals total rechts unterwandert. Der wurde eingestampft, das hätten wir anders nicht in den Griff zu bekommen. Wir haben versucht, genug Anlaufstellen für Jugendliche in Groß Klein zu schaffen, aber hier gab es keine Alternative. Damit wären wir nicht klargekommen.


Früher war da, wo jetzt die IGA ist, ein wilder Park. Dort hat man den ganzen Bauschrott von Schmarl und zum Teil auch von Groß Klein einfach reingeschüttet und verwildern lassen. Dann hat man da hinten das Traditions-Schiff hingestellt und drumherum wucherten Bäume, Büsche, das wuchs wirklich gut. Der Zustand des Geländes war der Grund für die Entscheidung, dass dort die IGA hinkam. Das Traditionsschiff war zu DDR-Zeiten immer voll, im Winter war da z.B. eine Sporthalle drin. Das ging, ohne dass dort ein Bus hinfuhr.



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[1] Die Nationale Front der Deutschen Demokratischen Republik (bis 1973 Nationale Front des demokratischen Deutschlands) war ein Zusammenschluss der Parteien und Massenorganisationen in der DDR. Durch die Nationale Front sollten dem offiziellen Anspruch nach alle gesellschaftlichen Gruppen Einfluss auf gesellschaftspolitische Prozesse nehmen können. (Quelle: Wikipedia)


[2] Sero: Abkürzung für Sekundärrohstoff. Hier: Annahmestelle für (Alt-)-Glas


[3] Rostocker Gesellschaft für Stadtentwicklung, Bauherrin und zunächst Eigentümerin.




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28. Jun 2024
Groß Klein > Geschichten

M. Engelmann, zog 1984 nach Groß Klein und lebt bis heute hier

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Als wir zwei Kinder hatten im Schulalter hatten und eine größere Wohnung brauchten, war uns schon klar, dass wir dafür nach Groß Klein umziehen würden. Unser Sohn war damals schon in der sechsten Klasse, unsere Tochter in der zweiten, da brauchten sie eigene Zimmer. Wir waren schon ins Wohnzimmer umgezogen, um ihnen die beiden anderen Zimmer zu geben, aber das war natürlich keine Dauerlösung. Und 1984 zogen wir dann auch tatsächlich hierher. Vorher konnten wir von unserem Küchenfenster in Lichtenhagen verfolgen, wie hier alles aufgebaut wurde, Etage für Etage. Die Sprengungen, mit denen sie das Baugelände vorbereitet haben, könnte man sogar noch in Lütten Klein spüren, wo ich damals arbeitete.


Wir hatten hier in Groß Klein ganz viele Spielplätze. Gleich hier unten rechts vor dem Haus war ein kleiner Spielplatz, den gibt es inzwischen nicht mehr. Den haben wir vom Haus aus immer in Ordnung gehalten, die Männer haben alles gestrichen, die Kinder haben mitgemacht und geholfen, danach haben wir ein bisschen gefeiert, die Kinder kriegten auch was ab. Wir haben diese Aufräumaktionen immer mit was Schönem verbunden. Unsere Kinder hatten hier eine schöne Kindheit.


Wir haben ja im Dorf Groß Klein vieles auf Plattdeutsch, z.B. die Straßennamen „Nigen Enn“ und „Groten Enn“. Insofern passt der Name des Stadtteilzentrums, „Börgerhus“ - das Haus steht ja ganz dicht bei dem Dorf. Und viele Ältere reden ja auch noch plattdeutsch. Und „Bürgerhaus“ klingt irgendwie zu hart und abweisend. „Börgerhus“ klingt angenehm, freundlich, da fühlt man sich willkommen. Deshalb haben wir ihn damals vorgeschlagen. Zur Eröffnung waren wir eingeladen, der Name war noch verhüllt, und dann stand er oben groß dran. Das war schön. Es soll ja auch das Haus für die Bürger sein, die fühlen sich da ja wohl. Es wird viel, viel gemacht, viele Leute kommen, es gibt viele verschiedene Veranstaltungen. Das lohnt sich. Die Leute, die da arbeiten, geben sich ganz viel Mühe.


Aus Groß Klein wegzuziehen, war eigentlich nie eine Option. Wir hatten uns hier eingelebt. Am Anfang zahlten eine Warmmiete von 150 DDR-Mark. Besser konnte man ja gar nicht wohnen. Dann wurden viele Blöcke privatisiert, die Mieten stiegen – das war ein Hauptgrund, weswegen viele wegzogen. Viele haben auch die Chance genutzt, eine eigene Wohnung zu kriegen. Das war eine Fluktuation, die gar nicht so sehr eine Flucht aus Groß Klein war, weil man hier nicht leben konnte. Man fand anderswo eine eigene Wohnung oder musste „auswandern“, weil man woanders Arbeit bekam. Das kam alles zusammen. Auch dass die Verkehrsanbindung schlechter wurde, spielte sicher eine Rolle: Früher fuhr hier unten vor dem Haus ein Bus, der die Leute morgens zur Arbeit nach Poppendorf in das Düngemittelwerk und nachmittags wieder zurückbrachte. Das war nach der Wende vorbei, also haben sich viele dort in der Umgebung ein Häuschen gesucht. In unserem Haus sind einige weggestorben, einige weggezogen, aber die kannten wir nicht ganz so gut. Wir treffen uns auch unter Nachbarn, helfen uns gegenseitig, das hat sich schon erhalten. Sonst ist das in solchen Hochhäusern ja oft anonym, aber wir kennen uns, da kann man auch vieles gemeinsam regeln.


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28. Jun 2024
Groß Klein > Geschichten

Andrea Köster, Jahrgang 1984, wohnte von 1987 bis 2004 in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")


Wir sind nach Groß Klein gezogen als ich drei Jahre alt war. Mein Vater war Polizist und wurde damals von Grimmen nach Rostock versetzt. Offenbar wohnten in unserem Block damals viele Polizisten, deshalb nannte mein Vater das unter uns immer den „Bullenblock“. Wir mussten nicht lange auf die Wohnung warten, das war damals total unüblich, deshalb nehme ich an, dass wir privilegiert waren. Und wir bekamen dann diese moderne Wohnung, meine Eltern waren damit sehr zufrieden. Ich habe erst später verstanden, dass Groß Klein zu dieser Zeit ein richtig begehrtes Viertel war.


Wir wohnten damals im Schiffbauerring und ich ging in die Kita im Gerüstbauerring 40. Später ging ich in die Grundschule am Taklerring, danach dann auf das Heinrich-von-Thünen-Gymnasium, das es heute nicht mehr gibt.


Meine Erinnerungen an die ersten Jahre hier bestehen eher aus einzelnen Bildern: das von meiner Erzieherin mit ihrer Minipli-Frisur, das vom Spielen auf dem Hof hinter unserem Haus. Dort stand damals so ein alter Baum, der in der Mitte aufgespalten war. An dem habe ich immer Zahnärztin gespielt, der Baum bekam dann Füllungen aus Sandmatsch. Außerdem erinnere ich mich an aufgeschürfte Knie und kleine Streits. Und wie riesig mir der Hof vorkam, mit all den Büschen. Als ich als Erwachsene wieder dort war, fand ich es erschreckend, wie klein er sich jetzt anfühlt. Als Kind spielte ich den ganzen Tag auf dem Hinterhof, bis meine Mutter vom Balkon zum Mittagessen rief – das hat sich wunderbar beschützt angefühlt und zählt definitiv zu meinen schönen Kindheitserinnerungen.


Vor unserem Wohnblock gab es damals eine große Wiese, auf der wir ganze Nachmittage saßen und spielten, mit den Nachbarskinder, die immer mal auch ihr Kaninchen mitbrachten. Diese Wiese wurde dann irgendwann ein großer Parkplatz. Und auch da, wo jetzt das Klenow Tor steht, gab es damals eine große Wiese. Der Spatenstich für den Bau des Gebäudes war damals für viele ein Fest, für mich aber ein trauriger Tag, weil damit der Ort verschwand, an dem wir immer Drachen steigen lassen konnten.


Wenn man links aus meinem Kinderzimmerfenster schaute, sah man nur ungefähr hundert Meter entfernt einen dieser typischen Plattenbauwürfelblöcke. Es hat dort immer wieder gebrannt, was als Kind natürlich total spannend war, wenn man der Feuerwehr bei den Löscharbeiten zuschauen konnte. Mein Papa meinte dann mal, dass dort in dem Würfelblock Leute Wohnungen bekämen, die im Gefängnis gesessen hatten und es deshalb dort ständig Ärger gibt. Ich konnte das als Kind nur schwer einordnen, dass in unserer Gegend einerseits so viele Polizisten lebten, aber gleichzeitig auch Leute aus dem Knast - und dass die so nah beieinander wohnen. Ich weiß nicht ob es stimmt, dass diese Wohnungen speziell für ehemalige Gefängnisinsassen waren oder ob das eher eine zu starke Pauschalisierung war. Aber bis heute denke ich beim Anblick solcher Würfelbauten immer noch ungewollt automatisch: "Ob da wohl Ex-Knastis drin wohnen?"


In meiner Grundschulzeit, in den 1990er Jahren, veränderte sich die Atmosphäre im Stadtteil. Es wurde irgendwie beklemmender. Wir bekamen es immer mal wieder mit Jugendlichen zu tun, die unser Taschengeld abziehen wollten oder uns auf andere Weise schikanierten. Mein Bruder und ich waren damals sehr eng miteinander. Ich habe ihn ab und an beschützt, weil er damals viel gemobbt wurde – das hat mich geprägt und dadurch fühlt sich diese Zeit in der Erinnerung stressig an. Durch diese Erfahrungen zerplatzte schon in meiner Grundschulzeit irgendwie die Kindheitsblase, in der man sich sicher und beschützt fühlt. In der Grundschule selbst habe ich mich aber wohlgefühlt, es war eher der offene Raum im Stadtteil, der deutlich unbehaglicher wurde.


Als die Pogrome in Lichtenhagen passierten war ich sieben Jahre alt. Ich kann mich an diese Nächte erinnern, auch wenn ich damals noch nicht wirklich verstand, was passiert war. Mein Vater hatte damals schon seine frühere hohe Position als Oberstleutnant eingebüßt, war aber noch bei der Polizei. Mit Lichtenhagen hatte er beruflich nichts zu tun, aber meine Eltern sprachen viel über das, was da im Stadtteil nebenan passierte. Ich habe mitbekommen, dass Schulkameraden meiner Schwester dabei waren, aber insgesamt blieb es eher ein diffuses Gefühl, dass da etwas geschah, das nicht in Ordnung war.


Mein Vater hat dann aufgehört, bei der Polizei zu arbeiten, im Kapitalismus fühle sich das nicht mehr richtig an, sagte er damals. Er machte eine Wachschutzfirma auf. Das Ganze wurde dann eine typische Wendeverlierergeschichte, denn es war tatsächlich jemand aus dem Westen, der ihn übers Ohr gehauen hat und mit der Kohle abgehauen ist. Dieser Bruch und die langen Zeiten der Arbeitslosigkeit und sinnlosen Jobs prägen ihn bis heute. Man könnte schon sagen, dass er sich davon nie wirklich erholt hat.


Wichtig blieb mir Groß Klein eigentlich nur bis zur Frühpubertät. Damals sind wir hier sehr viel rumgeströbert, mit meinen Freunden, die verteilt über den ganzen Stadtteil wohnten. Ich erinnere mich an die Orte, wo es Eis gab, an das Herumliegen auf warmen Gehwegplatten, an viel Unterwegssein und den Abenteuerspielplatz in der Nähe der Warnowallee. Wir haben rumgehangen und sind viel rumgeklettert.


Mit 13 oder 14 habe ich mich mehr aus dem Stadtteil zurückgezogen – war viel zuhause oder traf mich mit Freunden eher in der Innenstadt. Damals begann meine harte Punkzeit, was man dann eben auch sah. Damit fühlte ich mich in Groß Klein nicht mehr so sicher. Ich hatte Glück, mir ist eigentlich nie was passiert, aber es war klar, dass ich hier vorsichtig sein muss. Damit begann meine Distanzierung vom Stadtteil. Wenn ich abends von irgendwelchen Treffen mit Freunden nach Groß Klein zurückkam, war das für mich eher immer eine angespannte Situation, eine Stimmung, die ich bis heute ab und an wachrufen kann.


Das Klenow Tor sehe ich seit Jahren einmal im Jahr, zum jährlichen Zahnarzttermin – eine gute Möglichkeit, die schrittweise Veränderung des Stadtteils wahrzunehmen. Als damals beispielsweise Blöcke zurückgebaut wurden, machte mich das ein wenig traurig, weil da Wohnungen verschwanden, in denen Freunde von mir gewohnt hatten. Ich beobachtete auch den Bau des REWE als überregionales Vorzeigeprojekt für ökologisches Bauen. Im Klenow Tor fiel mir irgendwann auf, dass die Geschäfte immer häufiger wechselten. Und irgendwann, so ab 2015 oder 2016 kam dann der erste der Leerstand, die 1-Euro-Läden nahmen zu. Aber ich bin nur noch Beobachterin, ich kenne hier inzwischen niemanden mehr. Die Leute, die in meine Schulklasse gegangen sind, sind inzwischen alle weggezogen. Und wenn man nun an einem verregneten Oktobertag zur Zahnärztin läuft, kommt einem vieles hier vielleicht trister vor, als es tatsächlich ist.


Inzwischen ist meine Zahnärztin in Rente gegangen, aber ich habe mir vorgenommen, trotzdem ab und an mal hier vorbeizuschauen. Vielleicht auch zusammen mit meiner besten Freundin, die das alles gar nicht kennt, weil sie im Saarland aufgewachsen ist. Weil trotzdem diese Sehnsucht da ist, ab und an in diese Erinnerungen einzutauchen.

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28. Jun 2024
Groß Klein > Geschichten

A.M., Jahrgang 1965, arbeitete in den 1980er Jahren in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich kam 1984, nach dem Abitur, aus dem Internat zurück nach Hause - ohne Plan, was ich machen wollte. Also bestimmte meine Mutter: „Du gehst erstmal in den Kindergarten.“ Obwohl ich nie was mit Kindern am Hut gehabt hatte. Dann war ich in Groß Klein in der „Kombination 3“ als Erziehungshelferin. Das war total witzig. Das war ein ganz junger Haufen, viele junge Erzieherinnen, viele, viele Kinder. Und es gab auch drumherum ganz viele Kindergärten. Viele Straßen waren noch nicht fertig, das war Mitte der 1980er noch alles im Aufbau. Wir haben mit den Kindern noch im Modder gespielt. Das war so richtig der klassische Sozialismus. Wir haben uns alle amüsiert. Die Kinder mussten z.B. schon in der Krippe „Staatsratsvorsitzender Erich Honecker“ lernen. Wir – alle Anfang 20, ich noch nicht mal – haben uns kaputtgelacht. Wir haben das einfach nicht ernst genommen.


Die Kinder kamen alle aus Groß Klein, auch alles gemischt. Wir hatten Kinder von Ärzten, das Kind von einem bekannten Handballer, aber auch Kinder von Verkäuferinnen und Putzfrauen – die Kinder waren alle gleich. Und es gab ein gutes Miteinander mit den Eltern, das war ein schönes Arbeiten. Du hattest vielleicht in jeder Gruppe so ein oder zwei Kinder, von denen man heute sagen würde, dass sie aus sozial schwierigen Verhältnissen kommen. Die wurden so mitgezogen.


Dann gab es einen Studentenclub, der hieß Sumpf. Oder Texas. Wenn du mit der S-Bahn von Groß Klein nach Warnemünde fährst, am Ortsausgang Groß Klein, sind da noch ein paar Baracken. Das war ein Club, da haben wir uns getroffen. Nach der Wende ist das alles eingeschlafen. Zum Feiern haben wir uns auch zu Hause getroffen. Wir wohnten ja alle noch bei den Eltern. Fanden wir alle überhaupt nicht schlimm.


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28. Jun 2024
Groß Klein > Geschichten

Manfred B., wohnte seit 1980 in Groß Klein und war dort seit 1990 als Sozialarbeiter tätig

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Ich bin 1980 nach Groß Klein gezogen. In unserem Haus haben oft zusammen gefeiert, jedes Jahr Silvester und große Geburtstage, unten auf dem Flur. Wir hatten noch so einen kleinen Gemeinschaftsraum, ging ab wie Schmidts Katze. Wir waren elf Familien im Haus, acht oder neun waren mindestens dabei, alle so im gleichen Alter, alle ein paar Kinder, das passte.


Ich habe bis 1990 – als eine Art Zwischenjob – in der Gaststätte zur Kombüse gearbeitet, als Gaststättenleiter. In allen Wohngebieten gab es Schülerspeisungen. In Groß Klein war das ein Riesen-Apparat mit zwei großen Sälen, wo am Tage die Schüler ihr Mittag gegessen haben. An vier Abenden – von Donnerstag bis Sonntag – wurden dort Tanzveranstaltungen gemacht. Das war meine Geschichte, ich war der Gaststättenleiter für diese Tanzveranstaltungen und das danebenliegende Restaurant. Es war aber damals absehbar, dass die HO-Gaststätten nicht mehr lange bestehen werden, also habe ich mich zum 31. Dezember kündigen lassen. Die Gaststätte gab es noch ein Jahr nach meiner Kündigung, dann wurde das geschlossen.


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28. Jun 2024
Groß Klein > Geschichten

Ursula Birkner, Jahrgang 51, stammt aus Rostock, zog in ihrem Leben drei Mal nach Groß Klein und wohnt heute noch dort

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Mein Leben gehört dem Rostocker Nordwesten. Unsere erste eigene Wohnung bekamen wir 1976 in Lichtenhagen. Dort lebten wir zwölf Jahre sehr glücklich, ohne Auto und mit Garten in Warnemünde.


Ein angeordneter Umzug brachte unsere Familie in den Nordosten der Stadt, nach Dierkow. Ich habe von Beginn an versucht, diese Wohnung zu tauschen, weil der Weg vom Nordosten in den Nordwesten damals noch eine kleine Weltreise war. Da sich in Lichtenhagen keine freie Wohnung fand, zog unsere Familie dann 1989 in die Alte Warnemünder Chaussee. Das war ein Glücksfall, denn unsere Wohnungstauschpartner wollten in den Nordosten, weil ihr Garten in Rövershagen war. Auf unsere neue Wohnung am Dänenberg waren wir sehr stolz, auch wegen der berühmten kleinen Kaufhalle gleich nebenan. Die hatte nämlich den Ruf, besonders gut beliefert zu sein. Außerdem gab es dort die „Troika“, ein wunderschönes Restaurant.


Die „Troika“ soll in den 1970ern auch das Stammlokal der französischen Arbeiter gewesen sein, die damals das Düngemittelwerk in Poppendorf aufbauten. Ich verband mit der „Troika“ vor allem Pelmeni-Essen. Noch in den 1990ern bin ich im Sommer gern dort gewesen, abends nach der Arbeit. Ich setzte mich, allein oder mit meinem Mann, in den Biergarten und bestellte mir eine Schale Pelmeni und Bier. Der Biergarten war immer gut besucht, ohne überfüllt zu sein. Das waren sehr schöne Sommerabende, im Grünen. Das Wichtigste in dieser Zeit war, dass ich betonte: „Ich wohne am Dänenberg, nicht in Groß Klein.“


1997 zog ich aus Groß Klein weg, in eine Doppelhaushälfte aufs Land. Meine Tochter blieb in Groß Klein, im Gerüstbauerring. 2000 kam ich dann zurück in den Stadtteil, ich wollte wieder hierher. Ich zog in eine 1-Raum-Wohnung im Haus meiner Tochter. Allerdings scheiterte schon kurz darauf meine Selbständigkeit und ich musste wieder umziehen. Das war ein schlimmer Abschied, mit vielen Tränen. Es folgten fünf Jahre in Sachsen, in denen habe mich aber immer nach der Küste gesehnt. 2006 zog ich zurück in Richtung Ostsee. Leider reichte das Geld nur bis Mandelshagen.


Im Jahr 2009 fand ich wieder Arbeit in Rostock und damit konnte ich dann endlich wieder nach Groß Klein ziehen. Eigentlich wollte ich zurück in den Gerüstbauerring 20. Aber als ich meine jetzige Wohnung besichtigte, wusste ich, dass ich hier nie wieder wegziehen wollte: die oberste Etage mit Fahrstuhl erreichbar und 43 Quadratmeter, groß genug für einen Single-Haushalt.


 Als mein Arbeitsleben 2015 endete, wollte ich auf keinen Fall zu Hause herumsitzen. Ich nahm Kontakt mit dem Börgerhus auf und mein Unterstützungsangebot wurde mit Freuden angenommen. Seitdem bin ich hier engagiert und in verschiedenen Projekten tätig. Zwischen den Jahren 2000 und 2009 hatte sich in Groß Klein viel getan, ich war überrascht, wie schön die sanierten Häuser aussahen und wie schön grün die Innenhöfe geworden waren. Der IGA-Park ist ein herrlicher Ort zum Entspannen. Mir ist Groß Klein mit seinem „Börgerhus“ sehr ans Herz gewachsen und ich werde hier bleiben so lange es geht.


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28. Jun 2024
Groß Klein > Geschichten

Manfred, wohnte von 1985 bis 1996 in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Von unserer Wohnung aus war es immer ein Stückchen hin zur nächsten Kaufhalle, wir haben ja am Außenring gewohnt, gegenüber vom heutigen Fritz-Meyer-Scharffenberg-Weg. Die Würfelhäuser dort waren schon damals für altersgerechtes Wohnen vorgesehen.


Wir konnten immer auf den Überseehafen gucken. Mein Neffe fuhr damals zur See. Wenn der kam, wussten wir immer, jetzt läuft das Schiff ein und wir konnten ihn dann abholen.


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28. Jun 2024
Groß Klein > Geschichten

Wigmar Strey, Jahrgang xxxx, wohnte von 1985 bis 1996 in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Wir wohnten genau gegenüber vom Überseehafen. Und das war in der Zeit, als der Außenhandel der DDR florierte. Da lagen auf Außenreede immer noch zwanzig Schiffe, an der Außenkante zu dritt nebeneinander. Es war immer sehr viel los.


Ich erinnere mich noch gut an mein Kinderzimmer – das war mit acht Quadratmetern nicht allzu groß. Die Bausubstanz war nicht so schön wie in unserer vorherigen Wohnung in Lütten Klein. Die Elektroleitungen lagen auf dem Putz. Und als wir im Flur die Tapete abrissen haben, kam der Putz mit. Deswegen hatten wir dann immer so Beulen in der Wand.


In den 1990ern hat dann jeder, der halbwegs Kohle hatte, zugesehen, in irgendeinem Speckgürtelreihenhaus unterzukommen. Im Osten war es ja allgemein so, dass die Wohngebiete durchmischt waren. Einkommensmäßig gab es ja sowieso keine großen Unterschiede, aber auch die Berufe waren nicht so wichtig. In unserem Haus wohnten zum Beispiel ein Apotheker, eine Ärztin und noch ein paar andere. Das änderte sich dann langsam. Irgendwann war in einer Wohnung im Erdgeschoss der Mieter rausgeworfen worden, der war ziemlich assig. Das war übel, weil die Bude dann mehr oder weniger unbewohnt war. Die Scheiben waren irgendwann eingeschlagen und die Tür eingetreten. Wer damals genug Geld hatte, zog aus der Gegend weg – und so blieben die, die arbeitslos waren und die, die dann langsam abrutschten. Trotzdem wurden die Wohnungen immer teurer, obwohl sie nicht saniert wurden. Wir hatten nicht mal die Chance, die Heizungen ordentlich einzustellen. Als einziges wurden irgendwelche Wärmemengenzähler an die Heizungen gepappt. Zu DDR-Zeiten hast du die Heizung ja nur reguliert durch Klappe auf oder zu bzw. Fenster auf oder zu. Das ging ja nachher nicht mehr. Die Heizkörper wurden verändert, aber die Leitungen nicht, deshalb klopfte es immer. Das war, als ob einer mit dem Hammer gegen ein Heizungsrohr haut. Wenn du schlafen wolltest, musstest du die Heizung deshalb immer voll aufdrehen. Fenster, Fassade und Dach waren nicht gemacht. Und dafür dann soviel Geld zahlen. So teuer war damals teilweise nicht mal eine durchsanierte Bude im Bahnhofsviertel.


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28. Jun 2024
Groß Klein > Geschichten

Hendrik Strey, wohnte von 1985 bis 1996 in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche") .

Ich bin immer gern durch Groß Klein Dorf gestromert, das war auch schön. Dann konnte man auch direkt an der Warnow entlang laufen. Spielplätze gab es auf dem Hinterhof, aber das Stromern habe ich am liebsten gemacht. Und ich fand es immer schön, auf den Überseehafen zu gucken und die großen Schiffe zu sehen. Wenn ein Schiff kam, hat immer einer laut gerufen: Schiff kommt!


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28. Jun 2024
Groß Klein > Geschichten

Sonja Strey, wohnte von 1985 bis 1996 in Groß Klein

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@Tom (Redaktion "Stadtgespräche")

Wir bekamen unsere Wohnung in Groß Klein im Jahr 1985. Kurz zuvor hatte unser jüngerer Sohn einen Unfall und brauchte deshalb nun viel Hilfe – deshalb bekamen wir eine größere Wohnung. Das lief damals alles über den Betrieb, in dem ich arbeitete. Die Wohnung wurde frei, nachdem ein Kollege, der im Ausland gearbeitet hatte, plötzlich verstarb. Seine Frau mit den beiden Töchtern blieb zunächst in der Wohnung, aber man drängte sie dann zum Auszug. Das fand ich damals nicht richtig. Aber letztendlich ist sie dann in unsere 2 ½-Zimmer-Wohnung in Lütten Klein gezogen. Und wir waren dann trotzdem überglücklich über diese Wohnung. 72 Quadratmeter, ein langer Flur in L-Form, zwei Kinderzimmer, ein großes Wohnzimmer und einige riesige Wohnküche, die hatte fast 20 Quadratmeter. In unser Bad passte nun sogar die Waschmaschine, das ging vorher nicht. Wir hatten ein eigenes Schlafzimmer, nicht groß, aber wir mussten nun keine Betten mehr bauen, wie vorher in Lütten Klein. Dort hatten wir auf einer Schlafcouch geschlafen, damit die Kinder ein bisschen mehr Platz haben.


Der Betrieb, in dem ich in den 1980er Jahren arbeitete, lag damals nicht weit weg, in Schmarl. Dorthin gab es eine Art Wanderweg, den auch viele Radfahrer nutzten, das war eine gute Abkürzung, um zur Arbeit zu kommen. Ich arbeitete damals sechs Stunden am Tag. Wenn ich vom Betrieb nach Hause kam, kam meistens auch schon der Schulbus mit unserem Sohn. Dann sind wir oft erstmal eine Runde durch das Dorf gegangen, da kamst du runter, das fand ich gut. Damals wurde dort Erde aufgeschüttet, wo jetzt der Sportplatz am Außenring ist. Da hat mein Mann mit unserem Sohn Klettern geübt, das konnte er ja nicht. Im Winter wurde da auch gerodelt. Hinten war noch eine Gartenanlage, ich weiß nicht, ob die noch existiert. Durch die konnte man, durchs Schilf, bis zum Dorf laufen. Dort gab es eine Keramikwerkstatt, die hatte unwahrscheinlich schöne Sachen. Im Dorf am Groten Enn gab es auch einen kleinen Konsum, der hatte alles. Unsere Kaufhalle war da, wo jetzt Rewe ist.


Zu DDR-Zeiten haben wir für unsere Wohnung 120 Mark bezahlt. Aber gleich 1992 stieg die Miete auf über 500 Mark. Kurz bevor wir auszogen, haben wir 988 D-Mark bezahlt. Dann sind auch viele Ausländer eingezogen. Viele Vietnamesen oder später Russen, die zu den Streitkräften gehört hatten und hiergeblieben sind. Da war oft Lärm im Haus. Die WIRO hat das nicht geregelt gekriegt. Schlimm war vor allem diese Wohnung im Erdgeschoss, die mittlerweile völlig runtergekommen war. Da stiegen auch immer mal welche über den Balkon ein und aus. Unser Sohn war damals ja auch noch nicht so groß. Wenn der aus der Schule kam, da hatte man ja Schiss, dass der da vorbeigehen musste, bis in unsere Wohnung im fünften Stock.


1996 haben wir uns entschlossen, aus Groß Klein wegzuziehen. Unser älterer Sohn hat da Druck gemacht und sich gekümmert. Mein Mann war damals arbeitslos geworden und wir wollten uns ja wegen der Miete nicht unnötig verschulden. Das war eine blöde Zeit.


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28. Jun 2024
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