
Ich bin 1975 aus Lütten Klein hergezogen. Damals standen hier nur ein paar Blocks, sie hatten gerade angefangen, den Springbrunnen zu bauen. Ich konnte zusehen, wie der Stadtteil allmählich wächst. Um die Wohnung zu bekommen, musste ich in die AWG eintreten und 600 AWG-Stunden leisten, ab 1973 habe ich hier im Stadtteil dabei geholfen, die Gräben für die Versorgungsleitungen auszuheben. Zwei Jahre später bekamen wir dann die Wohnung in der Wolgaster Straße 4. Man erfuhr, in welches Haus man ziehen wird und musste dann zum Losen. Es war Glücksache, ob man unten oder oben wohnte und auf welcher Seite die Wohnung lag. In manchen Wohnungen war beispielsweise das Kinderzimmer größer. Ich hatte ein bisschen Pech, war aber trotzdem zufrieden, stolz und glücklich. Bis dahin hatten wir ja im Wohnheim gewohnt, in Lütten Klein, ein Ehepaar mit Kind in einem kleinen Zimmer, da war das eine riesige Verbesserung.
Und Lichtenhagen war ja auch ein Vorzeigegebiet, als es fertig war. Man konnte ihm regelrecht bei der Entstehung zugucken. Erst sah man nur die Kräne und eine Woche später stand schon der halbe Block, das ging ruckzuck. Und auch wir als Wohngemeinschaft haben viel selbst gemacht. Wir haben Bäumchen angepflanzt und gegossen, das würde ja heute gar nicht mehr passieren. Es gab Versammlungen, die hatten wir dann im Keller unten, im Wäschetrockenraum. Da wurden Stühle mit nach unten genommen, alles bequackelt und ein bisschen Kaffeeklatsch gemacht. War schon alles in Ordnung, damals in den DDR-Zeiten. Und alle Arbeiten wurden in dem grünen Hausbuch aufgelistet, das der Hausobmann führte. Da konnte jeder sehen, was wer gemacht hat. Das ist ja heute gar nicht mehr möglich. Da stand jeder mit Namen, Adresse und Beruf drin. Jedes Jahr musste ein anderer Hausobmann sein, das wechselte sich ab. Da war jeder mal dran. Die Leute im Haus standen sich nahe und das ist bis heute so geblieben. Mit einigen haben wir ja 45 Jahre lang zusammengewohnt, das ist dann ein herzliches Verhältnis. Ich meine, du hast immer einen dazwischen, der ein bisschen aus der Reihe fällt, das ist immer so, in jedem Haus. Aber der Zusammenhalt war da. Es hat auch einer auf den anderen aufgepasst, zum Beispiel: Der kommt schon wieder besoffen von der Arbeit.
Meine Tochter war sechs Jahre alt, als wir nach Lichtenhagen zogen. Zuerst bekam sie einen Kindergartenplatz, direkt gegenüber. Hier ist ja alles karréemäßig gebaut und in jedem Karrée war ein Kindergarten. Man konnte aus dem Fenster gucken und konnte der Tochter winken. Dann kam sie gleich in die Schule hier im Stadtteil, die war dann auch schon fertig. Ich war zufrieden.
Auch für unser Wohngebiet gab es natürlich einen ABV* – Wolf hieß der. Der hat die Kinder noch vom Rad geholt, hier auf dem Boulevard. Oder sie sind schon freiwillig abgestiegen, wenn sie ihn kommen sahen. Mich hat er mal angehalten, unten mit dem Fahrrad. Er sagt: „Sie wissen doch, dass Sie hier nicht fahren dürfen.“ – „Ich kann nicht laufen,“ habe ich gesagt: „Ich hab einen ganz dicken Fuß. Ich muss fahren, das geht nicht anders.“ – „Na ja, dann fahren Sie aber schön langsam“, war die Antwort. Dabei hatte ich gar keinen dicken Fuß, ich hatte es einfach eilig.
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* Abschnittsbevollmächtigter: Angehöriger der Volkspolizei, der für ein bestimmtes Gebiet zuständig war.
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