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Karl-Heinz Stahlfast, wurde 1933 in Bützow geboren und lebt bis heute dort
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche") . . 06. Dec 2024 . zuletzt bearbeitet am 28. Jan 2025

Mein Vater ist ja Bützower, aber meine Mutter kam 1914 aus dem Lippeschen, der Gegend um den Teutoburger Wald, nach Mecklenburg. Die Familie suchte nach eigenem Grund und Boden – und den gab es hier. Also zog sie mit insgesamt sechs Kindern nach Rühn, wo sie ein Gehöft übernehmen konnten. 1918 verkaufte die Familie die Bauernstelle aber wieder und zog nach Bützow, in die Bahnhofsstraße, in das Gebäude neben dem Berliner Haus. Und in Bützow lernte meine Mutter dann meinen Vater kennen. Sie war damals noch Lehrling für Buchhaltung im Holzverarbeitungsbetrieb Hofmann. Der Inhaber verließ jedoch schon kurz nach dem 1. Weltkrieg die Stadt. Also wechselte sie in das von der Familie Grimme betriebene Sägewerk und arbeitete dort im Büro. Herr Grimme, der Inhaber, war recht umtriebig, kümmerte sich viel und machte auch vieles selbst. Einmal kam Herr Teckel zu ihm, der Bützower Pferdeschlächter aus der ersten Wallstraße, um Sägemehl zum Räuchern zu holen. Er nahm nur einen kleineren Beutel voll mit, aber trotzdem wollte Herr Grimme fünfzig Pfennige dafür haben. „Sack ist Sack“, lautete die Begründung, egal ob dieser groß oder klein sei. Also kam Herr Teckel beim nächsten Mal mit einem so großen Sack, dass ihn drei Leute aufladen mussten. Und bestand darauf, dass auch der nur 50 Pfennige kosten dürfe. Das fand Herr Grimme gar nicht lustig und regte sich bei meiner Mutter sehr darüber auf. Ab sofort verkaufte er das Sägemehl nur noch nach Gewicht.

Ich selbst wurde 1933 in der Villa geboren, in der auch der Fabrikant Grimme wohnte, per Hausgeburt, wie später auch meine Geschwister. Da meine Mutter schon kurz darauf wieder arbeiten ging, kümmerte sich ihre jüngste Schwester um mich. In den Jahren 1936, 1939 und 1941 wurden dann meine Geschwister geboren.

Mein Vater machte sich zum 1.1.1935 mit einer Maschinenreparaturwerkstadt selbständig, zusammen mit einem Kompagnon. Grübbel und Stahlfast hieß die Firma zu dieser Zeit. Dann musste er in den Krieg, kam aber 1940 zurück, weil man ihn für kriegsuntauglich erklärt hatte. Er einigte sich dann mit Herrn Grübbel und führte die Firma alleine weiter: Das war die Geburtsstunde der Eisen- und Stahlschmiede zu Bützow, geführt von der Familie Stahlfast.

Bei uns im Betrieb gab es auch französische Kriegsgefangene. Von 1916 bis 1920 war mein Vater in französischer Gefangenschaft, deshalb sprach er Französisch. Die Kriegsgefangenen, es waren insgesamt fünf, wohnten gegenüber vom Bahnübergang, auf der linken Seite. Als sich 1945 die Niederlage der Nazis abzeichnete, wollten sie in mit nach Frankreich nehmen, um ihn so in Sicherheit zu bringen. Aber mein Vater weigerte sich. Er gab ihnen noch einen großen Ziehwagen und Marschverpflegung mit. Wir hatten eigentlich alles schon gepackt, um vor den Russen zu fliehen, die damals schon bei Anklam standen. Aber mein Vater sagte, er habe keine Veranlassung wegzugehen. Er sei in keiner Partei gewesen und werde als Handwerker immer gebraucht.

Zum Kriegsende war der Bützower Bahnhof voll mit Menschen, die aus dem Osten gekommen waren – und nun nicht weiterkonnte. Das lag auch daran, dass die sich zurückziehenden deutschen Truppen auch die Eisenbahnbrücke gesprengt hatten. Außerdem hatten sie Teile der Zugstrecke demontiert.

1953 mussten wir aus der Villa der Familie Grimme ausziehen und zogen in das Haus der Familie Schacht, das früher der Familie Josephy gehört hatte. Dort lebten allerdings nur noch Mutter und Tochter Schacht, denn der Vater wurde 1945 erschossen, als er seine Tochter vor den Russen beschützen wollte. Die Frau führte den Betrieb alleine weiter, eine couragierte und verständnisvolle Frau.

Ich war bei unserem Einzug in das Haus schon fast zwanzig Jahre alt. Im Vorgarten des Hauses stand ein kleiner Verschlag. In dem saß die Vermieterin und beobachtete ganz genau, wer am Bahnhof nach Bützow hereinkam. In der Villa der Familie Schacht gab es in den Nachkriegsjahren längere Zeit eine Zwangsvermietung: Oben im Dachgeschoss wohnten zwei Flüchtlingsfamilien und auf der mittleren Etage eine dritte, Familie Sawlowski. Die Wohnung von Frau Schacht war für damalige Verhältnisse sehr schick eingerichtet. Die Wände waren „gefilzt“, also mit einem mit Filz bespannten Reibbrett geglättet – dadurch waren sie ganz besonders glatt.

Als mein Vater das Werk aufgeben wollte, weil er in Rente ging, war klar, dass ich die Nachfolge antreten würde. Ich hatte 1947 die Schule verlassen, um das Arbeiten im Unternehmen von der Pieke auf zu lernen. Vorher war ich in die Ferdinand-Freiligrath-Schule gegangen. Dort blieb man dann bis zum Mittag, dann fuhren wir mit unseren Rädern nach Hause, zum Mittagessen bei meiner Mutter.

1986 heiratete ich meine Frau, Erika. Sie brachte zwei Kinder mit in die Familie, aus ihrer ersten Ehe mit einem Lehrer, wegen dem sie eigentlich mal nach Bützow gezogen. Wir hatten vorher schon eine ganze Weile in wilder Ehe gewohnt, nach der Hochzeit adoptierte ich die beiden Kinder dann. Die Hochzeit fand in Güstrow statt, im ganz kleinen Kreis, nur die engste Familie.

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