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Roland Klar, wohnt seit 1980 in Groß Klein
@Tom (Redaktion "Stadtgespräche") . . 28. Jun 2024

Wir sind im August 1980 hierhergezogen, in die damalige Willi-Döbler-Straße. Zu diesem Zeitpunkt bestand Groß Klein gerade mal aus vier Blöcken, alles andere wurde noch gebaut – und um die Häuser herum war alles eine einzige Schlammwüste. Ich arbeitete damals als Musiker – erst bei der Armee, später dann im Theater. Dadurch bekamen wir eben die Wohnung. Unsere Kinder, damals anderthalb und drei Jahre alt, mussten zunächst noch in ihren alten Kindergarten. Einer davon lag in Reutershagen, der andere in Lütten Klein, in der Danziger Straße. Für alle Kinder, die in Lütten Klein in die Einrichtungen musste, wurde ein „Kinderbus“ eingerichtet. Startpunkt war der heutige schwarze Netto, von dort ging es dann über den Seelotsenring und den Gerüstbauerring bis zur Sassnitzer Straße. Das war nicht ideal, aber man war froh, dass man einen Platz hatte.


Nach unserem Einzug konnte man zusehen, wie sich dieser Stadtteil entwickelte. Der erste Ring, der Schiffbauerring, war fertig, zwei Schulen und die Schülerspeisung entstanden dort, wo heute ein Lidl steht. In der oberen Etage der Schülerspeisung war ein Veranstaltungssaal. Dort fanden auch Tanzabende, Theateraufführungen, Kabarettabende und dergleichen statt – da war insgesamt viel los.


Später folgte auch eine Gaststätte, die „Kombüse“. Am Ende gab es im Stadtteil sechs Schulen – und die brauchte man auch, denn es zogen vor allem Menschen mit kleinen Kindern in den Stadtteil, die vorher in zu kleinen Wohnungen gelebt hatten, oft mit Ofenheizung und ohne Toilette in der Wohnung. Hier bekamen Sie nun 3-, 4-, 5- und später sogar 6-Raumwohnungen – die 5-Raum-Wohnungen im Schiffbauerring. Und all das mit Fernheizung und warmem Wasser, alle waren unglaublich glücklich darüber. Als die Ringe fertig waren, wurden die Hochhäuser gebaut. Zuerst das im Blockmacherring, dann das im Taklerring, als letztes das im Gerüstbauerring. Und als dann alles fertig war, baute man die altersgerechten Wohnungen im Scharffenberg-Ring. Dann ging nach und nach die Entwicklung des Stadtteils weiter. Die Kindergärten wurden gebaut – insgesamt acht Stück, darunter am Segelmacherring, Gerüstbauerring und im Signalgastweg. Es gab in jeder Einrichtung sieben Krippengruppen, in jeder davon wurden bis zu sieben Kindern betreut, jeweils von einer Erzieherin und einer Helferin. Im Kindergarten waren zwölf Kinder in einer Gruppe, auch hier gab es eine Erzieherin und eine Helferin. Da viele Eltern in Schichten arbeiteten, beispielsweise auf der Werft, kamen sie selten vor 18 Uhr nach Hause oder mussten Ihr Kind schon früh morgens zur Kita bringen. Dafür wurden in den Kitas Spätgruppen und Frühgruppen eingerichtet. Die Frühgruppen begannen um 6 Uhr, in einer Kita konnte man sein Kind auf Antrag sogar schon um 5.30 Uhr hinbringen.


Die erste Kaufhalle des Stadtteils entstand dort, wo heute der „rote Netto“ steht, bald folgte eine zweite, im Schiffbauerring, und eine dritte, am Dänenberg. Im Gerüstbauerring war eine Drogerie. Die Kaufhallen waren Montag bis Sonnabend von 7 bis 19 Uhr geöffnet, am Sonntag von 7-13 gab es dort Brot, Brötchen, Milch, Kaffee, also so eine Art Grundbedarf. Es gab noch eine weitere Gaststätte, die nannte sich „Tante Emma“, und eine in einer dieser Vierecksbauten im Hinterhof zwischen Seelotsenring und Signalgastweg. Sporthallen wurden errichtet, bald darauf auch die Jugendclubs, darunter auch der Club „224“, der in den 1990er Jahren geschlossen wurde, weil er sich zum rechtsradikalen Treff entwickelte.


In unserem Haus wohnten damals 22 Kinder im Alter von ein bis sechzehn Jahren, da war weil los. Damals gab es keine kommunale Straßenreinigung, es wurde eingeteilt, wer in welcher Woche dran war. Organisiert hat das die Mietermitverwaltung. In jeder Hausgemeinschaft gab es ein oder zwei Leute, die kleinere Reparaturen, Hausmeistertätigkeiten und so weiter übernahmen - bei größeren Reparaturen meldete man das der Hausverwaltung. Für diese Mietermitverwaltung erhielt die Hausgemeinschaft 250 Mark im Jahr. Wenn was übrigblieb, haben wir davon beispielsweise Weihnachtsfeiern für die Kinder im Trockenraum gemacht, der wurde dann schön geschmückt. Oder man setzte sich, als die Höfe fertig waren, zusammen und machte einen Grillnachmittag. Die Hausgemeinschaft hat schon sehr zusammengehalten. Ungefähr die Hälfte der Menschen, die in unserem Haus lebten, arbeiteten damals auf der Warnow-Werft, die ja gleich nebenan lag. Dann waren viele bei der Fischerei in Marienehe oder bei der Marine, Handelsmarine oder Volksmarine. Es gab in unserer Nähe ja auch eine große Garnison von Landstreitkräften. Die Arbeit spielte aber in den Hausgemeinschaften keine Rolle – zuhause erzählte man nichts über seinen Beruf. Oft wusste man gar nicht, was der andere gemacht hat.


Als unsere drei Kinder groß und aus dem Haus waren, da haben wir uns gefragt, was wir mit so einer großen Wohnung sollen – nach der Wende war das dann auch eine Kostenfrage. Meine Tochter wohnte damals schon im Taklerring, also suchten wir uns dort eine 2-Raum-Wohnung und zogen ein. Wir hatten auch überlegt, zu unserem jüngsten Sohn nach Dänemark zu ziehen. Aber als ich dann krank wurde, waren wir froh, im Taklerring zu wohnen: Fahrstuhl bis auf die Etage, gut erreichbare Ärzte und Einkaufsmöglichkeiten.


In den 1990er Jahren wurde dann ja das Klenow Tor gebaut, dort zogen die Rossmann, Bekleidungsläden, eine Apotheke, viele Ärzte und viele andere ein. Viele Kinder von Bekannten, die nach der Wende weggezogen sind, kamen so nach und nach wieder zurück.


Heute ist Groß Klein ein richtig grüner Stadtteil, man hat überall grüne Oasen. Alles ist gut zu erreichen, nach Warnemünde ist es ein Katzensprung. Die Verkehrsanbindung ist gut, wir können uns hier wirklich nicht beklagen. Und vor allen Dingen: Es ist ruhig. Wenn man so die Kinder hier mit dem Fahrrad rumfahren sieht, das könnte man in Lütten Klein so nicht machen, dort ist viel mehr Betrieb und Lärm. So sind wir mit dem Stadtteil gealtert. Über die Jahre haben wir unsere Kontakte hier, wir gehen hier nicht weg. Wir fühlen uns wohl hier, was wollen wir mehr?


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