
Meine Eltern zogen mit uns von Lichtenhagen nach Groß Klein, als ich ein Vorschulkind war. Damals, im Jahr 1979, gehörten wir tatsächlich zu den ersten Groß Kleiner Mietern. Meine Eltern waren damals überglücklich über die neue Wohnung – nach der Geburt meiner Schwester hatten wir in Lichtenhagen einfach zu beengt gelebt. Unsere Wohnung lag in der Max-Pagel-Straße, der heutigen Albrecht-Tischbein-Straße.
Die Hausgemeinschaft war alleine dafür zuständig, die Außenanlagen herzurichten: die Grünanlagen vor dem Haus, die Büsche im Umfeld – alles entstand in echter Teamarbeit. Das hat die Bewohner unseres Hauses damals unglaublich zusammengeschweißt: In den folgenden Jahren feierten wir dann zusammen Silvester, man lud sich gegenseitig in die Wohnungen ein. Es war echt ein tolles Miteinander, das aus diesem gemeinsamen Tun entstand.
Auf unseren Innenhof war mein Kindergarten. Ich erinnere mich noch gut, wie matschig es da in der Anfangszeit war. Eines Morgens, als ich allein auf dem Weg in die Kita war, rutschte ich im Modder aus – und der Schlafanzug, den ich unter dem Arm trug, wurde vollkommen schmutzig. Das erschütterte mich so, dass ich weinend in der Kita ankam.
Meine dreieinhalb Jahre jüngere Schwester ging damals noch in die Krippe. Diese lag im Wohnblock hinter der 68. Oberschule, in die ich im Jahr darauf eingeschult wurde. Das hieß dann für mich, dass ich nach Schulende immer hinüber in die Kita ging, um sie dort abzuholen. Das Ganze war damals deutlich weniger gefährlich, denn in Groß Klein waren kaum Autos unterwegs. Ich weiß noch, dass wir ganze Nachmittage auf der Straße gespielt haben, Abwurfball und dergleichen. Ansonsten buddelten, matschten und spielten wir viel im Innenhof, das war echt eine tolle Zeit.
Rückblickend fällt mir immer wieder auf, was für eine enorme soziale Durchmischung es in meiner Schulklasse gab. In der Elternschaft waren alle Berufsgruppen vertreten – und es war ein wirklich gutes Miteinander. Wir waren viel gemeinsam draußen, haben aber auch im Haus gespielt, vor allem mit den drei anderen Kindern im gleichen Alter, die in meinem Haus wohnten. Nachmittags und in den Ferien zogen wir durchs Haus und machten allerlei Mist, vor allem auch in der Etage mit den Versorgungsleitungen.
Später waren dann mehr wir im Stadtteil unterwegs, vor allem auf dem Gelände, auf dem später der IGA-Park entstand. Damals gab es da einen Graben und alte Weiden am Ufer. Über einen der Gräben führte ein Rohr, an dem haben wir teilweise abenteuerliche Mutproben gemacht, die auch im Graben hätten enden können. Aber irgendwie ist das dann nie passiert. Außerdem erinnere ich mich noch an das Handballtraining im Traditionsschiff, auch an den gruseligen Heimweg im Dunkeln.
Für uns Jugendliche war in Groß Klein der Jugendclub "224" eine angesagte Lokalität. Ja, den gab es damals schon! Dort haben wir uns regelmäßig getroffen und zu den legendären Hits der 80er getanzt. Discofeeling gab es auch in der "Kombüse", der einstigen Schülerspeisung der 68., 69. und 70. POS. Heute steht hier der "Lidl".
Die Wendezeit war für mich gar nicht so eindrucksvoll. Deutlich klarer erinnere ich mich an unsere Klassenreise nach Moskau im September 1989. Im Flugzeug begegneten uns Westdeutsche, die schon wie selbstverständlich über eine baldige Wiedervereinigung sprachen. Wir waren völlig verblüfft - und unsere Lehrerin verbot uns den Kontakt mit Ihnen. Danach erinnere ich mich wieder eindrucksvoll an meine Abschlussprüfungen im Sommer 1990. Die fanden in einer von vollständiger Unsicherheit geprägten Situation statt: Niemand wusste, was überhaupt noch geprüft und gefragt werden durfte.
1990 ging ich zur Ausbildung und zum Studium in andere Städte – um dann erst im Jahr 2003 mit meinem Mann nach Groß Klein zurückzuziehen. Damals gefiel mir an dem Stadtteil besonders, dass er so tolle Wohnungen hatte. Sie hatten unglaublich großen Küchen und Wohnungszuschnitte nach den Wünschen der Mieter – da haben die Wohnungsgenossenschaften nach der Wende Grundrisse verändert, Böden erneuert und dergleichen mehr. Und auch 2003 (und bis heute) war Groß Klein ein sehr grüner Stadtteil, auch das gefiel uns, als wir dorthin zurückkamen. Gleichzeitig gab es durchaus auch auffällige Unterschiede zu meiner Groß Kleiner Kinderzeit: Dieses schöne Gemeinschaftsgefühl in den Häusern existierte nicht mehr. Und man konnte die sinkende soziale Durchmischung deutlich spüren, auch im Kindergarten, den meine Kinder besuchten. Noch bewusster wurde mir das, als wir wieder aus Groß Klein wegzogen und dann mit unseren Kindern ab und an auf die dortigen Spielplätze zurückkehrten, die sie sehr liebten. Auf einmal fühlte sich der Stadtteil nicht mehr so schön und gemütlich an wie zu der Zeit, als ich dort gewohnt hatte.
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